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© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 30. August 2003 |
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Gerecht oder selbstgerecht? Michael Ludwig über den spanischen Untersuchungsrichter Baltasar Garzon Der umstrittene spanische Untersuchungsrichter Baltasar Garzon hat wieder zugeschlagen - er forderte die argentinische Justiz auf, 46 ehemalige Offiziere auszuliefern, die während der grausamen Militärdiktatur von 1976 bis 1983 in dem lateinamerikanischen Land Tausende von Menschen gefoltert und umgebracht haben. Unter den Opfern befanden sich auch Spanier. Möglicherweise wird Garzon sein Ziel erreichen, denn der neu gewählte argentinische Präsident Nestor Kirchner unterzeichnete dieser Tage ein Dekret, das es künftig möglich macht, Angehörige der argentinischen Streitkräfte auszuliefern, damit sie vor ein ausländisches Gericht gestellt werden können. Die Behörden ordneten unterdessen in Buenos Aires die Festnahme der von Baltasar Garzon angeklagten Offiziere an; unter ihnen befinden sich auch die beiden Führer der Militärdiktatur, Ex-General Jorge Videla und Ex-Amiral Eduardo Massera. Sie werden für Völkermord, Terrorismus und Folter verantwortlich gemacht. Ein weiterer Angeklagter, Juan Antonio Azic, der in der Mechani-kerschule der Armee tätig war, wo die Regimegegner besonders brutal gefoltert wurden, jagte sich kurz vor seiner Festnahme eine Kugel in den Kopf und liegt seither im Koma. Der einzige Zivilist auf der Fahndungsliste des spanischen Untersuchungsrichters, der Rechtsanwalt Gonzalo Torres de Tolosa, soll an den sogenannten "Todesflügen" teilgenommen haben, bei denen die Festgenommenen aus großer Höhe über dem Meer aus dem Flugzeug gestoßen wurden. Sollten sich die Verantwortlichen für die zahlreichen Verbrechen tatsächlich vor einem spanischen Gericht verantworten müssen, so wäre dies ein weiterer Triumph für Baltasar Garzon, der in seinem Heimatland "el tenaz" (der Zähe) genannt wird. Der ebenso streitbare wie umstrittene Richter am Madrider Staatsgerichtshof wurde vor 47 Jahren in einer andalusischen Kleinstadt ge- boren. Nach seiner juristischen Ausbildung holte ihn der damalige sozialistische Ministerpräsident Felipe Gonzalez in die Politik, von wo aus er die Korruption im Lande bekämpfen sollte. Doch schon bald überwarf er sich mit der Regierung. Von nun an ermittelte er ohne politische Rückendeckung auf eigene Faust - er deck-te auf, daß die spanische Polizei mit Hilfe sogenannter Todesschwadronen Mitglieder der baskischen Terrororganisation ETA liquidierte. Die Folge war, daß hochrangige sozialistische Politiker zu Gefängnisstrafen verurteilt wurden. Weltweites Aufsehen erregte Garzon mit seinem konsequenten Vorgehen gegen den ehemaligen chilenischen Diktator Augusto Pinochet. Mit Hilfe eines internationalen Haftbefehls und ungeachtet aller außenpolitischen Folgen erwirkte er die Festnahme Pinochets in London. Nach langen Verhandlungen wurde der greise Diktator schließlich aus gesundheitlichen Gründen aus Großbritannien abgeschoben und in seine Heimat zurückgebracht. "Für Verbrechen gegen die Menschlichkeit darf es keine Grenzen geben", begründete der Richter sein ungewöhnliches Vorgehen. Auch in der spanischen Innenpolitik ist der Tatendrang Baltasar Garzons weiter ungebrochen. Während des Irak-Krieges griff er mit großer Schärfe die Politik von Regierungschef Jose Maria Aznar an, der die amerikanische Kriegsführung bedingungslos unterstützte, und drohte sogar, ihn vor ein internationales Gericht zu bringen. Vor einigen Monaten setzte er ein Verbot der baskischen Partei Batasuna durch, die als politischer Arm der Untergrundorganisation ETA galt. Seit dieser Zeit sprühen militante Basken Zielscheiben an die Hauswände, in deren Mitte ein Name steht: Garzon. In Spanien wird viel darüber gerätselt, was die Antriebsfeder für ein derartiges Verhalten sein könnte. Für die einen gilt Baltasar Garzon als ein unerschrockener Mann, der für saubere Verhältnisse steht, der Drogenbarone ebenso hinter Gitter schickt wie Politiker, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind. Andere nennen den Richter, der stets in eleganten Maßanzügen auftritt, einen Egomanen, dem die sogenannte Gerechtigkeit nur als Hebel dient, um sich selbst zur Geltung zu bringen. Ob die argentinischen Behörden dem Auslieferungsantrag des spanischen Untersuchungsrichters letztendlich stattgeben werden, ist ungewiß. "Jeder Fall wird einzeln und gründlich geprüft", hieß es dazu aus Buenos Aires. Neben der spanischen will nun auch die deutsche Justiz ein Auslieferungsbegehren an den Rio de la Plata schicken. Sie ermittelt gegen den früheren General Guillermo Mason, der für die Ermordung der deutschen Soziologiestudentin Elisabeth Käsemann verantwortlich sein soll. Auf der Anklagebank Garzons: Diese ehemaligen Top-Offiziere des argentischen Militärs wurden amnestiert, müssen jetzt jedoch mit Anklagen rechnen: Admiral Eduardo Massera, General Antonio Bussi, Jorge Videla und General Guilermo Suarez Mason. Präsident Nestor Kirchner unterzeichnete hierzu das erforderliche Dekret. Foto: Reuters |