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© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 30. August 2003 |
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Der Fall Grambowski von Hannelore Patzelt-Hennig Die Sonne strahlte hell vom wolkenlosen Oktoberhimmel. Es war ein wirklich schöner Tag, an dem der Ewald Grambowski sich entschloß, in die Kreisstadt zu fahren. Nachdem er dort angekommen war und Pferd und Wagen abgestellt hatte, ging er durch die Straßen und studierte die Schilder der Anwälte. Vieles kannte er in dieser Stadt, die für alles Wichtige und Größere maßgebend war, seit er denken konnte, aber einen Rechtsbeistand hatte er in seinem fast sechzigjährigen Leben noch nie gebraucht. Er kam ohne Empfehlung und suchte aufs Geratewohl. Dabei griff er immer wieder an die Stelle seiner dicken Lodenjoppe, an der sich die Brieftasche mit der Anklageschrift befand. Zum x-ten Male versicherte er sich dessen, daß sie noch da war. An mehreren Schildern von Rechtsanwälten war er nun schon vorbeigekommen, doch keines hatte ihn bisher dazu bewegt, einen Schritt über die jeweilige Schwelle zu tun. Dann entdeckte er an einem Haus mit gepflegtem, frisch geharktem kleinen Vorgarten das Schild eines Anwalts, der denselben Namen trug wie er, der auch Grambowski hieß. Davor blieb er leicht verwundert stehen. Von der Namensgleichheit angetan, ging er bald darauf zu diesem Rechtsanwalt hinein. Ein blauäugiges Fräulein nahm sich in dem Büro, in das er gelangt war, seiner freundlich an und fragte nach seinem Anliegen. Gleich wurden von dieser kurzberockten Bürokraft einige Notizen gemacht und dann ein Termin vereinbart, zu dem er, der Ewald Grambowski, den Herrn Rechtsanwalt Grambowski würde sprechen können. Dann konnte er wieder gehen. Doch er verließ dieses Anwaltsbüro irgendwie beruhigt. Er wähnte sich - rein gefühlsmäßig - hier in guten Händen. Diese Überzeugung brauchte er auch nicht zu ändern, als er eine Woche später mit dem Rechtsanwalt selbst sprach. Der war zwar noch ein recht junger Mann, aber er verstand es, bei Ewald Grambowski Vertrauen zu erwecken. In ehrlichem Zutrauen schilderte dieser dem Rechtsanwalt den Vorfall, dessen Auswirkungen ihn bis hierher geführt hatten. Der Ewald Grambowski war in seinen Ausführungen genauestens auf Wahrheit bedacht, so als stünde er schon vor Gericht. Doch obwohl dem Rechtsanwalt das auffiel, mußte er doch nach Zeugen fragen. Der Ewald Grambowski horchte auf, begriff aber sogleich, daß nicht seine Worte angezweifelt wurden, sondern es von der Sache her notwendig war. Er überlegte und sagte dann: "Da war sonst keiner, man bloß meine Tochter!" Herta Grambowski war zwar Lehrerin und im Schuldienst tätig; sie hatte kaum noch etwas mit der Arbeit auf dem elterlichen Hof zu tun, aber an jenem Nachmittag hatte sie bei der Ernte geholfen und auf dem Fuder gesessen, in das dem Grambowski beim Linksabbiegen jener besoffene Kerl mit dem Lastauto hineingeprescht war. Der Rechtsanwalt hielt es für notwendig, auch die Aussage der Tochter zu Protokoll zu nehmen. So machten den dritten Besuch in jener Kanzlei Vater und Tochter Grambowski gemeinsam. Nach den übereinstimmenden Aussagen der beiden und den inzwischen vorlie- genden Akten meinte der Anwalt dann, daß man die Sache hinkriegen müßte, was Vater und Tochter gleichermaßen erleichtert aufatmen ließ. Sie zweifelten, nachdem sie die Kanzlei verlassen hatten, auch beide nicht daran, den richtigen Anwalt gewählt zu haben. Der Ewald Grambowski war auf dem Heimweg schon richtig froh. Die auf ihn ausgerichtete Anklage - diese grenzenlose Ungerechtigkeit - hatte an ihm unentwegt genagt; denn er hatte sehr wohl den Arm zur Seite ausgestreckt gehabt, bevor er links eingebogen war. Mit der Peitsche sogar. Beim Rumfahren hatte er dann allerdings wieder beide Hände an der Leine gehabt. Das stimmte schon. Trotzdem fühlte er sich völlig unschuldig, zumal er nüchtern, der Lastwagenfahrer aber stockbetrunken gewesen war. Dann kam endlich der Tag der Verhandlung, und das Gericht sprach den Ewald Grambowski auch von der Anklage frei. Aber das war nicht so selbstverständlich gewesen, wie er geglaubt hatte. Im Laufe der Verhandlung hatte er das begreifen müssen; denn dieser glatte Freispruch war nur der Tüchtigkeit des jungen Rechtsanwaltes zu verdanken, der sich in der Angelegenheit unvergleichlich bemüht hatte. Er hatte alle Einzelheiten ermittelt - bis hin zu der Anzahl Schnäpse, die der Lastwagenfahrer in dem an seiner Strecke gelegenen Krug getrunken hatte. Doch der Grund für diesen aufwendigen Einsatz hatte nicht ausschließlich darin gelegen, dem Ewald Grambowski Kosten zu ersparen oder sein verletztes Ehrgefühl wieder aufzurichten, und er war auch nicht mit preußischer Gründlichkeit zu erklären. Der wahre Grund für den außergewöhnlichen Einsatz in dieser doch etwas verkorksten Geschichte, bei der Aussage gegen Aussage gestanden hatte, lag ganz woanders. Das aber wurde dem Ewald Grambowski erst einige Zeit später klar. An jenem Tag nämlich, als der Rechtsanwalt Grambowski erschien und um Herta Grambowskis Hand anhielt. Der Vater war überrascht, denn die Tochter hatte nie etwas von den Dingen, die sich da entwickelt hatten, ins Gespräch gebracht. Aber er hatte nichts dagegen einzuwenden. Der junge Anwalt gefiel ihm auch als Heiratskandidat durchaus. Und die Herta war schon immer etwas städtisch gewesen. Da paßte das. Na, und ganz bemerkenswert war schließlich auch, daß sie nicht einmal ihren Namen zu ändern brauchte. Das konnte man wahrhaftig als eine ungewöhnliche Fügung ansehen. Ja, und ein gutes Jahr später, wieder an einem sonnigen Herbsttag, stand der Ewald Grambowski in der alten Dorfkirche, in der seine Tochter wie auch er und sein Vater getauft, eingesegnet und getraut worden war, und hielt zwei im Erntemonat August geborene Enkelsöhne über das Taufbecken. Das Herz ging ihm dabei auf voll Stolz und Freude über diese zwei von beiden Seiten her echten Grambowskis. Er hatte damals, so sah er es auch an diesem Tag, den für seine Angelegenheit absolut richtigen Rechtsanwalt gewählt. Noch nie hatte der Bauer einen Rechtsbeistand gebraucht Eine ungewöhnliche Fügung im Leben der Grambowskis Johann Arthur Nikutowski: Markt in einer ostpreußischen Stadt. Dieses lebendige Treiben ist auf einem der Blätter in dem neuen Kalender "Ostpreußen und seine Maler" für das Jahr 2004 zu sehen. Der 1830 in Salvarschienen bei Königsberg geborene und 1888 in Düsseldorf verstorbene Künstler ist vor allem als Genre- und Schlachtenmaler bekannt geworden; sein Gemälde "Rückkehr über die Beresina" gelangte in die Karlsruher Kunsthalle. Der Ostpreuße lehrte Perspektive an der Kunstakademie Düsseldorf. Neben Nikutowski sind auch Maler wie Erich Gindler, Norbert Dolezich, Fritz Burmann, Carl Knauf oder Lieselotte Plangger-Popp mit Arbeiten in dem Kalender vertreten. Noch bis zum 30. September kann er zum Vorzugspreis von 18 Euro inklusive Versandkosten (später 20,50 Euro) direkt beim Schwarze Kunstverlag, Richard-Strauss-Allee 35, 42289 Wuppertal, Telefon 02 02 / 62 20 05 / 06, Fax: 02 02 / 63 631 bestellt werden. |