Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 06. September 2003 |
||||
Vom Ordensstaat zum Herzogtum Albrecht von Brandenburg (Die Hochmeister des Deutschen Ordens, XX. und letzter Teil) von Friedrich Borchert Albrecht von Brandenburg war erst 20 Jahre alt, als ihn das Generalkapitel in Heiligenbeil auf Vorschlag von Bischof Hiob v. Dobeneck am 14. Februar 1511 zum Hochmeister des Deutschen Ordens wählte. Für seine Wahl, die kurz nach Aufnahme in den Orden erfolgte, waren dieselben Intentionen maßgebend wie bei seinem Vorgänger: Die fürstliche Herkunft, die eine engere Bindung zum Reich versprach, und die verwandtschaftliche Beziehung zum polnischen Könighaus, die ein entspannteres Verhältnis zum polnischen Nachbarland erwarten ließ. Immerhin war König Sigismund von Polen der Oheim Albrechts. Der neue Hochmeister war der dritte Sohn des Markgrafen Friedrich IV. von Ansbach-Kulmbach und gehörte der fränkischen Linie des Fürstenhauses Hohenzollern an. Seine Mutter, Prinzessin Sophie von Polen, stammte aus dem jagellonischen Könighaus und war die Tochter König Kasimirs und dessen Gemahlin Elisabeth, einer Habs- burgerin. Stammvater der 500 Jahre regierenden brandenburgisch-preußischen Hohenzollern war Albrechts Urgroßvater Friedrich VI. Burggraf von Nürnberg und erster Kurfürst von Brandenburg. Die fränkische Linie der Hohenzollern vereinigte sich hundert Jahre später durch die Heirat von Albrechts Enkeltochter Anna mit Kurfürst Johann Sigismund von Brandenburg (1572- 1619) und beider Sohn Kurfürst Georg Wilhelm (1595-1640) wieder mit dem brandenburgisch-preußischen Hauptstamm. Ein junger Fürstensohn mit weitreichenden Verbindungen war nun der Regierende in dem seit Jahrzehnten bedrängten Ordensstaat. Trotz ähnlicher Herkunft waren er und sein Vorgänger ganz entgegengesetzter Natur. Mit großer Vitalität packte der geistig ungemein bewegliche Albrecht Probleme an. Er war vielseitig interessiert, vielleicht manchmal etwas überschwenglich und extrovertiert. Während sein Vorgänger in Italien studiert hatte, war Albrecht als Soldat mit Kaiser Maximilians Heer nach Oberitalien gezogen. Es entstand bei ihm eine Vorliebe für das Soldatentum, die sich auch in kriegswissenschaftlichen Studien äußerte. In den ersten vier Jahren seiner Regierung, von 1511 bis 1515, setzte Albrecht die Politik seines Vorgängers fort. Sein einflußreichster Ratgeber war in dieser Zeit der pomesanische Bischof Hiob v. Dobeneck, der mit Hochmeister Friedrich aus Sachsen nach Preußen gekommen war und als Persönlichkeit großen Formats einen politischen Mittelpunkt bildete. Der "Eiserne Bischof", wie man ihn nannte, hatte vielfältige geistige Interessen und zog in seine Residenz Riesenburg talentierte junge Humanisten und Dichter, die den sogenannten Musenhof bildeten. Darüber hinaus reichten seine humanistischen und klerikalen Verbindungen auch über die Grenze nach Polen. Dennoch verliefen die langandauernden Verhandlungen mit Polen ungünstig. Der Polenkönig hatte sein Ziel nicht aufgegeben, den durch Kriege und innere Auseinandersetzungen sehr geschwächten Ordensstaat nunmehr völlig zu annektieren und auszulöschen. Trotz der nahen verwandtschaftlichen Beziehung forderte er auch vom neuen Hochmeister nach wie vor die Leistung des Treueids gemäß dem Thorner Vertrag von 1466. Er wollte das Ordensland übernehmen und bot dem Hochmeister bei seinem Rücktritt eine seinem fürstlichen Stand entsprechende Versorgung an. Albrecht lehnte natürlich dieses an eine Kapitulation grenzende Angebot ab. Kaiser Maximilian unterstützte den Hochmeister in seinen Unabhängigkeitsbestrebungen und stellte ihm ein Bündnis gegen Polen unter Beteiligung norddeutscher Reichsfürsten sowie Dänemarks und Rußlands in Aussicht. Als der Kaiser sich 1515 im Wiener Vertrag aus Gründen der Habsburger Hausmachtpolitik mit dem König von Polen über die Erbfolge in Böhmen und Ungarn einigte und den Deutschen Orden in Preußen fallen ließ, stand Hochmeister Albrecht allein am Scheideweg. Es blieb ihm nur die Wahl, entweder die Wendung der kaiserlichen Politik mitzumachen oder aber ohne Unterstützung des Kaisers den Widerstand gegen Polen fortzusetzen. Zu dieser Zeit trat als neuer Ratgeber Dietrich v. Schönberg in die Ordenspolitik und schaltete den müde gewordenen Bischof Hiob weitgehend aus. Schönberg verkörperte in der Welt des Ordens die neue Zeit des Humanismus und der Renaissance. Nur wenig älter als der Hochmeister riß er diesen mit und wurde nicht nur sein Ratgeber, sondern auch sein bester Freund. Außer den Gemeinsamkeiten in politischen Ansichten verbanden beide gleichgerichtete persönliche Züge. Der neue Ratgeber wußte einen Ausweg aus der schwierigen Lage des Landes. Dieser schloß allerdings eine gut vorbereitete kriegerische Entscheidung der Auseinandersetzung mit Polen ein. Deshalb entwarf er bereits Ende 1515 gemeinsam mit Hiob v. Dobeneck einen Kriegsplan, der natürlich berücksichtigte, daß das kleine, arme Ordensland allein keinen Krieg führen konnte. Er sah vor, daß alle Kräfte des Deutschen Ordens aus Preußen, Livland und den Balleien im Reich zu dem Unternehmen beitragen und außerdem Bundesgenossen gefunden werden sollten, wobei Rußland als Hauptpartner ins Auge gefaßt wurde. Nach dem Sieg Polens über die Russen am Dnjepr hatte sich der polnische Druck auf Preußen wieder verstärkt, und ein Krieg schien bevorzustehen. Doch da traten die Türken auf den Plan und bedrohten die europäischen Länder. Papst und Kaiser riefen alle christlichen Herrscher zum Feldzug gegen die Heiden auf. Dadurch wurde der König von Polen erneut von seinem Eroberungskrieg gegen das Ordensland abgehalten. Inzwischen entwickelte der Orden eine verstärkte Reisediplomatie, in der insbesondere Schönberg im Reich versuchte, ein Heer aufzustellen und Unterstützung von den Reichsfürsten zu erhalten. Das gelang nur teilweise und brauchte viel Zeit. Unglücklicherweise war der gerade als neuer Deutschmeister gewählte Dietrich v. Klee ein engstirniger, selbstsüchtiger Mann, dem Gemeinschaftssinn und Bereitschaft zur Einordnung völlig fehlten. Er verweigerte die Unterstützung des preußischen Ordensteils, aber er konnte weder zur Hilfe gezwungen noch abgesetzt werden. Diese Disziplinierungsmittel übertrug Papst Leo X. dem Hochmeister erst mit dem Reformbreve vom 6. November 1519, als es für den Krieg gegen Polen zu spät war. Der Hochmeister hatte sich durch polnische Provokationen hinreißen lassen, den Krieg am 1. Januar 1520 zu beginnen. Durch den frühen Zeitpunkt konnten die Operationen des Ordens und Rußlands nicht koordiniert werden. Andererseits stand das von Schönberg aufgestellte Heer noch nicht in Bereitschaft, und auch die Rüstungen des Hochmeisters in Preußen waren noch nicht ganz abgeschlossen. So folgten wegen des vorzeitigen Kriegsbeginns auf anfängliche Erfolge sehr bald schwere Rückschläge. Dennoch rückte das große Heer aus 2.000 Reitern und 8.000 Landsknechten sowie Artillerie unter Führung des Marschalls Wilhelm v. Isenburg aus dem Reich nach Osten vor und erreicht Anfang November 1520 die Weichsel. Gegen den Rat Schönbergs wagten die Heerführer nicht den Weichselübergang, sondern wandten sich gegen Danzig, denn unterdessen war das Geld für den Sold ausgegangen, und die große Stadt lockte als Beute; doch Danzig konnte nicht genommen werden. Nach Schönbergs Plan hätte der Hochmeister dem großen Heer entgegenziehen und sich mit ihm vereinigen müssen. Statt dessen verzettelte dieser seine Kräfte in kleinen Unternehmungen im Ermland. Das persönliche Erscheinen des Hochmeisters hätte ohne Zweifel die Moral des Heeres gehoben. Trotz seines persönlichen Einsatzes gelang es Dietrich v. Schönberg nicht, das schlecht besoldete Heer unterschiedlicher Söldner zusammenzuhalten. Er konnte dessen Auflösung an der Grenze Pommerns nicht verhindern und mußte mitansehen, wie sein Lebenswerk und die Arbeit von fünf Jahren zusammenbrachen. Offensichtlich hatte der junge Hochmeister ohne rechte Überlegung in seinem Tatendrang gehandelt. Dadurch war der groß angelegte Versuch gescheitert, das zerstückelte Ordensland durch ein Aufgebot aus dem ganzen Reich zurückzuerobern und die unhaltbaren Bedingungen des Thorner Friedensvertrages von 1466 zu beseitigen. Durch Vermittlung Kaiser Karls V. und einiger wohlgesinnten Fürsten kam es zu einem vierjährigen Waffenstillstand mit Polen, der Preußen vor der Katastrophe bewahrte, denn König Sigismund hatte angedroht, "die letzten Spuren des Deutschen Ordens auf immer zu tilgen!" Im Jahr 1522 verließ Hochmeister Albrecht Preußen, um im Reich Hilfe und Unterstützung zu suchen. Er errichtete in Nürnberg, dem Zentrum der Reichspolitik und Tagungsort des Reichstages, eine Zentrale der Ordensregierung. In Preußen war Bischof Georg von Polenz als Verweser mit den erforderlichen Vollmachten ausgestattet worden. Auch Dietrich v. Schönberg nahm seine weitreichende Reise- diplomatie wieder auf, die sich jetzt vorwiegend auf die benachbarten europäischen Länder erstreckte. Aber beider Werbung stieß überall auf taube Ohren. Es war die Zeit der beginnenden Reformation. Überall gärte es im Land. In Nürnberg hatte Albrecht eine Predigt des lutherischen Theologen Andreas Osiander mit großem Interesse gehört und beim Zusammentreffen mit ihm Einblick in die neue Lehre gewonnen. Bei seiner Durchreise durch Wittenberg im September 1523 suchte er heimlich den Reformator selbst auf und informierte sich. Dabei gab ihm Luther den Ratschlag, "die törichten und verkehrten Ordensregeln beiseite zu werfen, sich eine Frau zu nehmen, in Preußen ein weltliches Regiment einzuführen und das Land zu einem Fürsten- oder Herzogtum zu erheben". Wegen der vielfältigen Rück-sichten gegenüber Papst, Kaiser und Fürsten wollte Albrecht sich zunächst nicht hierzu äußern und bewahrte Vorsicht und Geheimhaltung. Bei einer neuerlichen Zusammenkunft mit Luther gegen Ende des Jahres 1523 konnte er sich schon offener aussprechen. Als sich auch nach der Entscheidung des Reichstages keine Aussichten zur Beendigung des dauernden Streits mit Polen ergaben, reiste er nach Preußen zurück. In Königsberg empfing er eine ständische Abordnung, die ihm Vorschläge zur Säkularisierung vortrug. Während seiner Abwesenheit hatte sich bereits die Reformation unter Förderung durch Bischof Georg v. Polenz in Preußen weitgehend durchgesetzt. Das bevorstehende Ende des Waffenstillstands mit Polen machte es notwendig, mit König Sigismund von Polen Unterhandlungen über die künftigen Beziehungen aufzunehmen. Der Hochmeister bevollmächtigte seinen Bruder, Markgraf Georg, und seinen Schwager, Herzog Friedrich zu Liegnitz, mit der Wahrung der Interessen. König Sigismund nahm mit einem Ausschuß des polnischen Reichstages an den Verhandlungen teil. Diese begannen Mitte März 1525 in Krakau. Der Hochmeister hielt sich mit einer Ordensdelegation und Abgeordneten der Stände im nahen Beuthen bereit. Durch geschickte Verhandlungsführung konnten schon bald die wesentlichen Punkte für eine Übereinkunft gefunden werden, die im Kern eine Umwandlung des Ordensstaates in ein weltliches Herzogtum vorsahen. Unter Beibehaltung des derzeitigen territorialen Besitzstands sollte Preußen vom König von Polen als Lehnsherrn dem bisherigen Hochmeister als erbliches Herzogtum überlassen werden. Neben dem Herzog und seinen männlichen Nachkommen wurden dessen Brüder mitbelehnt, wobei nach Aussterben aller männlichen Erben das Land an die Krone von Polen fallen sollte. Nach Ausräumen verschiedener Bedenken sowohl aus dem polnischen Reichsrat als auch seitens einiger Ordensmitglieder und der Stände erkannten schließlich alle diesen Ausweg als bestmögliche Lösung für einen dauerhaften Frieden an. Am 10. April 1525 erfolgte die feierliche Belehnung Albrechts von Brandenburg-Ansbach mit dem Herzogtum Preußen auf dem Krakauer Marktplatz, indem er seinem Onkel, König Sigismund von Polen, den Lehnseid leistete. Einen Monat später huldigten in Königsberg die preußischen Stände dem neuen Herzog. Im Lande begrüßte die Mehrheit der Menschen das Ende der Ordensherrschaft, die von der Zeit überholt worden war. Auch die meisten Ordensritter stimmten der Säkularisation zu; nur wenige gingen ins Reich zurück, wo der Deutsche Orden unter Führung des Hoch- und Deutschmeisters fortbestand. Letzterer hatte vergeb-lich versucht, Kaiser und Papst zu einer gewaltsamen Aktion gegen Herzog Albrecht zu veranlassen. Auch die gegen ihn ausgesprochene Reichsacht blieb ohne wesentliche Auswirkungen. 300 Jahre nach der Eroberung, Missionierung und Kolonisierung Preußens ging die Herrschaft des Deutschen Ordens in diesem Lande zu Ende. Im ersten Drittel der Zeit hatten die Ordensritter das Land in langen, blutigen Kämpfen erobert und mit seiner Erschließung begonnen. Dann führten sie es in einem unglaublichen Aufstieg in die Spitzengruppe der zivilisierten Welt. Siedler aus vielen Teilen Deutschlands bearbeiteten das unerschlossene Land, sie bauten Dörfer und Städte, Kirchen und Burgen. Sie übertrugen das Ordnungssystem ihrer strengen Ordensregeln auf den Staat und schufen ein mustergültiges Staatswesen, dessen Ausstrahlung noch bis in die Neuzeit in Preußen und Deutschland nachwirkte. Das letzte Drittel der Ordenszeit war überschattet und geprägt von der Katastrophe von Tannenberg mit ihren Folgen und von den Auflösungserscheinungen des alten Systems. Die mittelalterlichen Ideen und Herrschaftsformen hatten ihre Lebenskraft verloren und waren von der Zeit überholt worden. Herzog Albrecht führte das Land noch viele Jahre unter einer ständischen Verfassung in einer Art Adelsrepublik durch die unruhigen Zeitläufe und leitete eine Blüte geistiger Kultur ein. Die Gründung der Universität Königsberg, die als Albertina nach ihm benannt ist, am 17. August 1544 ist hierfür nur eines der vielen Zeichen. Herzog Albrecht von Brandenburg-Ansbach starb am 20. März 1568 in Tapiau und wurde im Dom zu Königsberg beigesetzt. Der Hochmeister hatte mit Luther 1523 gleich zwei Gespräche Albrecht reiste 1522 ins Reich auf der Suche nach Verbündeten Albrecht von Brandenburg: Nach einem Standbild von Rudolf Siemering, 1872 |