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© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 13. September 2003 |
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Die Nerven liegen bloss Jetzt wird es ernst für Schröders Reformen von Fritz Schenk Lange hat die Hoffnungspille nicht vorgehalten. In der vergangenen Woche hatten Schröder und Fischer wohl darauf spekuliert, mit der Ankündigung ihres gemeinsamen Wiederantritts bei den Bundestagswahlen 2006 würden sie Ruhe und Gelassenheit in die Koalitionsfraktionen von Rot und Grün zurückbringen. Denn diese waren seit dem Frühjahr mehr und mehr abhanden gekommen, nicht zuletzt wohl auch deshalb, weil die Umfragewerte - insbesondere für die SPD - von Monat zu Monat nach unten weisen und es nach gegenwärtigem Stand der Wählerstimmung keine Aussicht auf einen erneuten rot-grünen Wahlsieg gäbe. Doch was ein großer Teil der publizistischen wie politischen Öffentlichkeit schon sogleich nach dieser "offiziellen Bekanntmachung" - nicht gerade schmeichelhaft für die freudestrahlenden "Verkünder" - eher als Drohung denn als Glücksbotschaft deklarierte, scheint auch in den Koalitionsparteien kein befreiendes Aufatmen ausgelöst zu haben. Nach der Sommerpause aus ihren Wahlkreisen wieder in Berlin angekommen, scheinen die Abgeordneten von jenem Mißmut befallen zu sein, der allgemein in der Bevölkerung herrscht. Die Stimmung ist auf dem Nullpunkt angelangt, und die flotten Sprüche des um kein noch so banales Argument verlegenen Kanzlers verpuffen ohne Wirkung. Jüngste Panne war das Scheitern von Eichels Gemeindefinanzreform in der SPD-Fraktion. Dabei ist diesmal der Finanzminister zu Unrecht in die Rolle des Versagers geschubst worden. Tatsächlich hatten den Gesetzentwurf der Kanzler selber und sein Superminister Clement ausgeheckt. Doch die in ihren Wahlkreisen stärker als in der Bundestagsfraktion eingebundenen Abgeordneten machten das Spiel nicht mit. Nun wird erstmals wieder dort Politik gemacht, wo sie hingehört: im Parlament. Die SPD-Fraktion zwang den Kanzler und seine Minister, das Gesetz zugunsten der Städte und Gemeinden nachzubessern, und man darf gespannt sein, was dabei schließlich herauskommt. Fast gleichzeitig verlor der Kanzler, ähnlich wie mit seinem "Basta" vor zwei Jahren, die Beherrschung - diesmal gegenüber den Grünen. Dort hatte die Parteivorsitzende Beer öffentlich darüber nachgedacht, daß "unter bestimmten Umständen" eine deutsche militärische Beteiligung im Irak vielleicht doch möglich oder gar erforderlich werden könnte. Das sagte sie zu einem Zeitpunkt, als der Kanzler gerade wieder einmal genau dies ausgeschlossen hatte. Da war es aus ihm herausgeplatzt, daß er es "zum Kotzen" fände, daß sich die Grünen gleichzeitig als Regierung und Opposition gebärdeten. Und noch mehr dürfte ihn geärgert haben, daß der in der SPD-Fraktionsklausur gefallene Kraftausdruck nicht hinter den verschlossenen Türen blieb, sondern postwendend in die Öffentlichkeit getragen wurde. Daß Schröder im übrigen dieses Irak-Nachdenken bei Frau Beer und einigen außenpolitischen Experten der Grünen selber dadurch ausgelöst haben dürfte, weil er mit seinem Verteidigungsminister Struck die Ausweitung des deutschen militärischen Kontingents in Afghanistan auf Regionen außerhalb von Kabul in Erwägung zieht, scheint ihm in seiner Selbstherrlichkeit gar nicht in den Sinn gekommen zu sein. Jedenfalls war sie wieder da, die "Kakophonie", das Durcheinandergerede im Regierungslager, was er schon vor gut einem Jahr angeprangert hatte. Inzwischen kommen auch immer mehr Forderungen aus den Koalitionsfraktionen, das Durcheinander und die Undurchsichtigkeiten in der Sache, welche die unterschiedlichen Schröderschen Kommissionen und Sondergruppen mit ihren Vorschlägen ausgelöst haben, endlich aufzuhören und die Vorgänge wieder in ordentliche parlamentarische Verfahrensabläufe zurückzuführen. Was die Opposition seit geraumer Zeit immer lauter fordert, findet nun also auch bei einem immer größer werdenden Kreis der Koalitionsabgeordneten Gehör und Zuspruch. Die Grünen ganz besonders, aber auch Teile der SPD-Fraktion, fühlen sich vor allem dadurch hintergangen, daß der zwischen Gesundheitsministerin Schmidt und dem Unions-Gesundheitsexperten Seehofer ausgehandelte Kompromiß zur Gesundheitsreform nicht nur an den Regierungsfraktionen vorbeigelaufen ist, sondern auch noch ganz wesentlich die Handschrift Seehofers trägt. Ähnlich dem Aufbegehren im Zusammenhang mit der Reform der Gemeindefinanzen ist daher nicht auszuschließen, daß auch im parlamentarischen Beratungsverfahren der Gesundheitsreform noch einiger Ärger auf Schröder und seinen Fraktionschef Müntefering zukommt. Faßt man alles zusammen, was dieser Herbst und Winter an Entscheidungen von der Bundesregierung erfordert, so wird verständlich, daß Gerhard Schröder die nach außen gekehrte Gelassenheit inzwischen abhanden gekommen ist. Seine Nerven liegen bloß. In der Außenpolitik muß er Farbe bekennen, ob sich sein "deutscher Weg" durchhalten läßt. Mit großer Wahrscheinlichkeit nicht. Denn wenn die UNO mit einer neuen Resolution des Sicherheitsrates ein entsprechendes Mandat für den Irak erhält, wie das Schröder und Fischer immer gefordert haben, kann sich Deutschland nicht mehr verweigern. Dann kommen aber auf die ohnehin überstrapazierten Staatsfinanzen ganz erhebliche weitere Belastungen hinzu. Weil das Haushaltsdefizit die Drei-Prozent-Marke des europäischen Stabilitätspakts ohnehin beträchtlich überschreitet, drohen zudem Sanktionszahlungen in Milliardenhöhe aus Brüssel. Die Konjunktur kommt nicht einmal jetzt im Herbst in Gang, sie dürfte erst recht auch im Winter weiter lahmen. Das wird die Arbeitslosigkeit wahrscheinlich über die Fünf-Millionen-Grenze treiben. Dies wiederum macht Eichels Haushaltsentwurf vollends zur Makulatur, die Staatsverschuldung steigt noch weiter an. An tiefgreifende Reformen aber wagt sich die SPD aus ideologischen Gründen noch immer nicht heran. Es ist kaum zu erwarten, daß die Programmdiskussion auf dem kommenden SPD-Parteitag das Signal für einen umfassenden Aufbruch bringt. Fünf Jahre Regierung Schröder/Fischer haben Deutschland in eine Situation manövriert, die nur als besorgniserregend bezeichnet werden kann. Vor allem aber scheint dieser Kanzler nun selber zu spüren, daß seine Generalausrede, das läge alles an der "Hinterlassenschaft des Helmut Kohl", ihm nicht mehr abgenommen wird. |