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© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 13. September 2003 |
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Trendwende: kommt der Babyboom? Kinderwunsch wächst - Zahlen trotz "Pillenknick" besser als behauptet von Hans Heckel Die jüngsten Daten bestätigen den verhängnisvollen Trend: Erneut sind 2002 in Deutschland weniger Kinder geboren worden als im Jahr zuvor: 719.000, ein Rückgang um rund 14.000. Mit 1,34 Kindern pro Frau werden nur zwei Drittel so viele Neugeborene zur Welt gebracht, wie für eine stabile Bevölkerungszahl notwendig seien, sagen die Experten. Die Forscher verlängern diese Entwicklung in die Zukunft und rechnen uns vor, wann die Deutschen vom großen Volk zum Völkchen geschrumpft sein werden. Alles Panikmache, behauptet überraschend der Autor Detlef Gürtler in der Welt. Das Gegenteil sei richtig: "Bald kommt der Babyboom" ruft Gürtler aus und rückt den Statistikern zuleibe. Zunächst einmal stimme die Zahl 1,34 nicht, da nicht berücksichtigt werde, daß die Mütter im Laufe der letzten Jahrzehnte bei der Geburt im Durchschnitt immer älter geworden seien. Dadurch sei ein statistischer "Tempoeffekt" entstanden, der die ermittelten Zahlen niedriger ausfallen lasse als die tatsächliche Fruchtbarkeit. Die liegt laut Gürtler um 0,2 Punkte höher, also zwischen 1,5 und 1,6 Kindern pro Frau. Demnach bestreitet auch der Welt-Autor nicht, daß ein beträchtlicher Geburtenrückgang stattgefunden hat. Nur sei er wesentlich weniger drastisch ausgefallen, als öf- fentlich verbreitet wird. Zudem ist es laut Gürtler wissenschaftlicher Unsinn, grundsätzlich zu unterstellen, daß es in den kommenden dreißig, fünfzig oder gar hundert Jahren genauso weitergehe wie in der jüngeren Vergangenheit. "Prognosen halten höchstens, bis der Trend, auf dem sie fußen, zu Ende geht", gibt er zu bedenken. Aber ändert sich der Trend denn? Wollen junge Frauen von heute wieder eher Kinder haben als ihre Vorgängerinnen? Ja, sagt sowohl eine eben veröffentlichte Studie des B.A.T.-Freizeitforschungsinstituts als auch die jüngste Shell-Jugendstudie aus dem vergangenen Jahr. Laut B.A.T.-Untersuchung sagen heute nur noch 37 Prozent der Jugendlichen: "Man kann auch ohne Ehe, Kinder und Familie glücklich sein." 1995 seien dies noch 45 Prozent gewesen. Der neue Trend zur Familie sei unverkennbar, wie auch weitere Fragen nach den Wertvorstellungen der Nachwachsenden ergeben hätten, so die B.A.T.-Untersuchung. Zu ähnlichen Resultaten gelangte die Shell-Studie. Danach erleben die Jungendlichen von heute "Familie" offenbar weit positiver als die Kinder des sogenannten "Generationenkonfliktes" der 60er bis 80er Jahre, als Eltern und Nachwuchs sich häufig nicht mehr verstanden. Fast 90 Prozent der Jugendlichen gaben 2002 laut Shell-Studie an, gut mit ihren Eltern klarzukommen. Das verstärke den Wunsch, selbst eine Familie zu gründen. Detlef Gürtler führt neben dem Wertewandel einen weiteren, sehr pragmatischen Grund an, warum junge Frauen sich wieder vermehrt für Kinder entscheiden: Neue Vorbilder, "Promifrauen", deren ganzer Stolz es ist, Kinder und Karriere unter einen Hut bekommen zu haben und die allerorten dafür gefei- ert werden. Ihnen stehe das abschreckende Beispiel kinderloser Frauen gegenüber. Gürtler nennt das "die Wiederkehr der alten Fräulein", in deren Fußstapfen keine junge Frau werde treten wollen, wenn erst einmal jede dritte ältere Dame ohne Kinder sei. Kurzum: Wurden bis in die jüngste Vergangenheit beinahe ausschließlich die Nachteile der Doppelbelastung von Beruf und Kinderbetreuung hervorgehoben, so träten seit einiger Zeit die Vorteile in den Vordergrund. Das werde, so Gürtler, Wirkung auf den Kinderwunsch junger Frauen haben. Und er sieht bereits erste statistisch erfaßbare Anzeichen für eine Trendumkehr. So hätten im Durchschnitt 1.000 Frauen des Geburtsjahrgangs 1968 bis zu ihrem 25. Lebensjahr 382 Kinder geboren, 1.000 Frauen des Jahrgangs 1973 aber schon 421. Eine Steigerung um gut zehn Prozent. Auch sei das Durchschnittsalter werdender Mütter seit etwa 1995 nicht weiter angestiegen. Das steigende Mütter-Alter führte nicht selten dazu, daß es zur Geburt am Ende schlicht zu spät war. Einschränkend muß hinzugefügt werden (und das bestreitet auch Detlef Gürtler nicht), daß der Trend zu mehr Kindern - wenn er denn anhält - erst ganz am Anfang steht und daß auch die angeführten, besseren Geburtenzahlen bei weitem nicht ausreichen, um den Bevölkerungsbestand zu stabilisieren. Eine Ausrede, um weiterhin keine tragfähige Bevölkerungs-, und Familienpolitik zu betreiben, geben die Daten nicht her. Auch würde ein neuer Babyboom in ein paar Jahren die Rentenkassen mit der gleichen zeitlichen Verzögerung entlasten, mit der sich der "Geburtenstreik" auf sie ausgewirkt hat. Schließlich dominieren mittlerweile sehr schwache Geburtsjahrgänge die Müttergeneration. Sie müßten pro Kopf umso mehr Kinder bekommen, um die negative Bilanz von Geburten und Todesfällen auszugleichen. Am dramatischsten verlief der Geburtenrückgang übrigens nicht bei den Deutschen, sondern bei den hier lebenden Ausländern, wie das Beispiel Hamburg belegt: Dort ist der Ausländeranteil von 1979 bis 2002 von gut acht auf rund 16 Prozent gestiegen (mögliche "Doppelpäßler" seit 2000 mitgerechnet). Der Anteil nichtdeutscher Neugeborener (wiederum ab 2000, der Einführung des "Doppelpasses", einschließlich der "deutschen Kinder ausländischer Eltern") blieb trotz der Verdoppelung bei etwas über 18 Prozent. Das Geburtenverhalten von in Deutschland lebenen Ausländern hat sich also dem der Deutschen nahezu angepaßt. Kinder und Karriere verbinden - das Beispiel der "Promimütter" macht es
vor: Kindergarten der Uni Ilmenau. Die Kleinen frühstücken in der Krippe der
Hochschule, während ihre Eltern studieren. Foto: dpa |