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13.09.03 / Ein nie versiegendes Kraftwerk

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 13. September 2003


Ein nie versiegendes Kraftwerk
Von Robert Jung

In jener glücklichen Zeit, in der Joseph Haydn, Altmeister der deutschen Musik, jenseits des Kanals in London Triumphe über Triumphe feierte und mit Ehren überhäuft war, hätte man meinen sollen, er wäre nach britischer Art ein Freund galanter Redensarten oder ein Dandy. Gelobt und gepriesen, blieb er zurückhaltend und bescheiden, selbst dann noch, als sein Pendel des Lobes auf- und abschnellte ...

In einer jener langweiligen britischen Gesellschaften und Klubs, bei denen "Papa Haydn", wie man ihn gern nannte, zugegen war, stellte einer der Anwesenden die Frage, wozu eigentlich der Rosenkranz gut sei? Einige der Snobs lächelten darüber und verhielten sich fast teilnahmslos. Doch einige Künstler von Rang und Namen begannen zu erzählen, wie man sich überhaupt in geeignete Stimmung ohne den Rosenkranz versetzte, dennoch ein Kunstwerk zustande zu bringen ...

David, einer der bedeutendsten Maler seiner Zeit nach Turner und Gainsborough, äußerte sich: "Entweder ich gehe in die Exchange-Börse von London, um eine gute Tasse Kaffee zu trinken oder in einer der chinesischen Teestuben den besten Assam-Tee zu genießen." Der berühmte Schauspieler Gerrick vom Drury-Lane-Theatre und leidenschaftlicher Shake- speare-Verehrer, der jetzt an der Reihe war, zog etwas mokiert die Lippen zusammen, obwohl man wußte, daß er selbst mit einem einzigen Stuhlbein in der Hand eine dramatische Szene vollbrachte, meinte: "Da sind mir doch einige Gläser guten französischen Champagners lieber, die mich in eine Art Rauschzustand versetzen. In jedem Fall bin ich dann für ei- ne großartige Bühnendarstellung reif ..."

Einer der anwesenden Dekane der berühmten Oxford-Universität war wiederum ganz anderer Meinung: "Wenn ich nicht vor meinen Vorlesungen einen tüchtigen Spaziergang ins Freie hinter mich gebracht habe, fallen mir keine lobenswerten Gedanken ein!" Stillschweigend, aber nachdenklich hörte Haydn zu. Ihm war dies ganze oberflächliche Geplänkel im Herzen zuwider. In seiner Kindheit und Jugend ständig am Rande des Verhungerns, war er doch wohl der Edelste in dieser recht snobistischen Gesellschaft. Die Frage an ihn war nun, mit welchen Mitteln er sich stimuliere, um so hervorragende Kompositionen wie "Die Schöpfung" und "Die Jahreszeiten" zu schaffen, mit denen er die Welt beglücke?

Haydn zögerte noch mit der Antwort. Er war es, der einmal von sich selbst äußerte, aus dem Nichts sei er doch etwas geworden und er habe es gar nicht gern, wenn ihn die Damen der Gesellschaft einen liebenswerten Großpapa nennen würden. Endlich griff er in seine Rocktasche, aus der er seinen Rosenkranz hervorzog und ihn der erstaunten Gesellschaft präsentierte: "Bevor ich komponiere, pflege ich zu beten", war seine erschöpfende Antwort ...

Einige Gläser Champagner versetzten ihn in einen Rausch