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13.09.03 / Die ostpreußische Familie<br>

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 13. September 2003


Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
Ruth Geede

Lewe Landslied und Freunde unserer Ostpreußischen Familie,

manchmal ist unsere Ostpreußische Familie schneller als die Feuerwehr. Zwar war es nicht gerade eine brandeilige Frage, aber die Antworten kamen prompt. Es ging um den Radaunensee, den Hermann Löns in einem Gedicht besingt und den Ingrid und Reinhard Zentgraf, die das Gedicht für Freunde suchten, nicht orten konnten. Sie hatten ihn mit Lupe und Lineal auf einer großen Ostpreußenkarte gesucht, aber nicht gefunden, und zweifelten auch daran, ob er überhaupt existent sei. Es konnte ja sein, daß der Dichter diesen Namen abgewandelt oder frei erfunden hatte. Daran zweifelte ich nun wieder, denn er klang so schön heimatlich und Löns ist ja schließlich in Kulm geboren - nicht in der Lüneburger Heide, wie allgemein angenommen wird, weil er sie ja durch seine Lieder und Erzählungen berühmt gemacht hat. Deshalb vermutete ich den Radaunensee auch in Westpreußen.

Die erste, blitzschnelle Antwort schien mir recht zu geben. "Es ist der Radaunesee, und der liegt südlich von Karthaus," teilte mir Frau Rinkewitz mit, erfreut darüber, daß sie als Westpreußin auch einen Beitrag zu der von ihr sehr geliebten Ostpreußischen Familie leisten konnte. Natürlich, da fließt ja auch die Radaune, und siehe da: ich fand den See dann in meinem Ostpreußen-Atlas, den ich bislang vergeblich durchforstet hatte. Ich freute mich ...

... allerdings zu früh. Denn der nächste Anrufer, ein treuer Leser aus Westfalen, teilte mir mit absoluter Sicherheit mit, daß es der Radunsee von Deutsch Krone sei - und das liegt ja nun erheblich weiter südwestlich. Irritiert rief ich das Ehepaar Zentgraf an, das mir zuerst einmal mitteilte, daß das Echo auf die Frage überwältigend gewesen sei, was auch seine Freunde überraschte. Es kamen nicht nur Karten, Briefe und Telefonanrufe, sondern auch Kopien von Stadtplänen und Berichten sowie Heimatbriefe von Deutsch Krone und Schneidemühl. So schälte sich heraus, daß Hermann Löns mit Sicherheit den "Radun"-See von Deutsch Krone gemeint hatte, den er in mehreren Gedichten als "seinen kleinen Radaunensee" bezeichnete. Hermann Löns besuchte bis zu seinem 16. Lebensjahr das Gymnasium dieser damals westpreußischen Stadt, in die sein Vater von Kulm versetzt worden war. In Berichten, Geschichten und Gedichten bewies er schon so jung seine Liebe zur Natur, die er später auf die Lüneburger Heide übertrug und so ihr Dichter wurde. Deutsch Krone gehörte nach dem Ersten Weltkrieg zur Grenzmark Posen-Westpreußen und wurde 1938 Pommern zugeschlagen. Deshalb stammen die Informationen, die das Ehepaar Zentgraf erhielt, aus den unterschiedlichsten Quellen. Für uns eine Bestätigung, wie intensiv unsere Zeitung von Vertriebenen aus diesen Regionen gelesen wird. Und als kleines Dankeschön veröffentlichen wir hier das Gedicht von Hermann Löns:

"Abend am Radaunensee"

Es taucht aus rabenschwarzer,

stiller Flut

die dottergelbe, stolze Wasserrose.

Des Fliegenpilzes feuerroter Hut,

der leuchtet grell aus

sammetgrünem Moose.

Die düstern Kiefern stehen stramm und steif,

zum Wasser bücken sich die schlanken Birken,

durchs Unterholz zieht schwer

ein Nebelstreif

und läßt die weißen Birken

zaub'risch wirken.

In wolkenloser, dunkelblauer Höh'

kommt müden Flugs ein Reiher hergezogen -

Für den Abend am Radaunensee

Gäb ich den Rhein

mit seinen goldenen Wogen.

Ich freue mich immer wieder, wie durch manche scheinbar nebensächliche Frage - wir pflegen diese auf echt ostpreußisch als "Bunte Nuschtkes" zu bezeichnen - weit mehr herauskommt, als zuvor angenommen. Denn durch diese Gedichtsuche wurde wieder ein kleines Kapitelchen fast unbekannter Literaturgeschichte aufgeschlagen - Hand aufs Herz, so manch ein Leser hat es mit Sicherheit nicht gewußt, daß Hermann Löns als gebürtiger Westpreuße auch seine Heimat besungen hat?

Im nächsten Fall handelt es sich ebenfalls um eine Kulturfrage, aber sie hat mehr Gewicht. Hildegard Schneider aus Neuzelle hat sich an uns gewandt, weil sie Informationen über die Künstlerin und Frauenrechtlerin Hanna Bieber-Böhm benötigt. Man will ihr in der Stadt, die durch die herrlichen Barockkirchen des Zisterzienserklosters berühmt ist, eine Gedenktafel setzen und auch anderweitig das Leben und Wirken dieser Frau in und für Neuzelle dokumentieren. Der Heimatkreis Neuzelle hatte kürzlich eine kleine Sonderausstellung mit Arbeiten der Malerin und Zeichnerin arrangiert, die großen Anklang fand. Warum die Ostpreußische Familie als Mittlerin fungieren soll, hat seinen Grund: Hanna Bieber-Böhm wurde als älteste Tochter des Rittergutsbesitzers Otto Boehm am 6. Februar 1851 in Glaubitten geboren. Sie verstarb am 15. April 1910 in Berlin. Ihre Urne wurde in Neuzelle in einem Denkmal beigesetzt, das leider nur noch rudimentär erhalten ist. Zu erkennen ist aber noch die Inschrift "Sie lebte für die anderen". Ihr nicht unbeträchtliches Vermögen vermachte sie wohltätigen Zwecken. Sicher wird sich einiges Material über Hanna Böhm, verheiratet mit dem sieben Jahre jüngeren Rechtsanwalt Richard Bieber, finden lassen, denn über diese ostpreußische Familie, deren bekanntestes Mitglied die Gründerin des Ostpreußischen Landfrauenvereins, Elisabet Boehm, ist, gibt es eine von Friedhelm Boehm erstellte Chronik. Der Heimatkreis Neuzelle will neben der Gedenktafel eine Dauerausstellung in einem Traditionsraum gestalten, für die nun die erhofften Informationen benötigt werden. (Hildegard Schneider, Kruggasse 36 in 15898 Neuzelle.)

Auch Werner Schuka benötigt Unterlagen für ein Projekt, das sich kurz "Kirchspielchronik Kumilsko" nennt. Genauer formuliert handelt es sich um eine Untersuchung der Sozialstruktur des bis 1938 Kumilsko heißenden Kirchspiels Morgen, Kreis Johannisbug, in Masuren, unter besonderer Berücksichtigung von Namensformen, Heiratsalter und dabei vermerkten Besonderheiten, Kinderzahl und Mobilität der Einwohner. Herr Schuka benötigt zur leihweisen Überlassung Bücher, Chroniken, Bilder, Ansichtskarten, Urkunden, Dokumente, Briefe und andere Unterlagen, die einen Bezug zu den 21 Orten des Kirchspiels haben. Ich kann hier aus Platzgründen nicht alle Namen bringen - mit den Umbenennungen wären es fast doppelt soviel -, will nur die größeren Orte nennen: Brödau (Bogumillen), Groß und Klein Schwallen (Cwalinnen), Gusken, Jakubben, Klarheim, Kosken, Richtwalde (Kowalewen), Drugen (Lissaken), Lisken, Mikutten, Raken (Rakowen), Falkendorf (Sokollen) und Simken (Symken). (Werner Schuka, Betriebswirt EDV, Schenkendorfstraße 19 in 32427 Minden, Telefon 05 71 / 5 58 48.)

Eine Suche sei wohl sinnlos, glaubt Werner Reglitzki, und er meint damit ein Erlebnis in den Fluchtwirren des Januar 1945, das für ihn bis heute unvergessen blieb. Ja, die Erinnerung wird im Alter immer stärker, fast quälend, so daß er sich jetzt das für ihn so gravierende Ereignis von der Seele geschrieben und mir zugesandt hat. Und vielleicht tut es dem Schreiber gut, hier seine Zeilen zu lesen. Immer mit der leisen Hoffnung, daß sich vielleicht doch jemand meldet, der mit jenem Vorgang in Verbindung zu bringen ist. Lassen wir Herrn Reglitzki selber erzählen:

Die EMDEN, auf der ich damals fuhr, lag seit dem Vormittag des 24. Januar 1945 in Pillau am Ostpreußenkai. An einem Abend - es müßte der 26. oder 27. Januar gewesen sein - wurden Leute von uns abgestellt, um Verwundete von einem Güterzug auf ein Lazarettschiff zu bringen. Auf dem Kai brannte ein ganz kleines Feuer, an dem frierend eine junge Frau mit zwei kleinen Jungen stand, wohl Zwillinge, etwa drei oder vier Jahre alt. Diese Frau hatte kein Gepäck, nur an jeder Hand ein Kind. Sie sprach mich an, ob ich sie auf das Schiff bringen könnte. Leider mußte ich ihr sagen, daß es nicht mein Schiff war, auf dem ich fuhr. Der wachhabende Offizier, Leutnant zur See, rief mir zu, daß ich mich beeilen sollte. Ich sagte ihm, daß diese junge Mutter mit den beiden Kindern auf das Schiff wolle. Er überlegte kurz, dann gab er mir den Auftrag, die Mutter mit ihren Kindern auf das Schiff zu bringen. Das habe ich dann getan. Nur - ich habe sie im Kabinengang stehen lassen müssen, ohne sie anzumelden. Ich hoffe, daß sich eine Schwester weiter um sie bemüht hat. Dieses kleine Feuer auf dem verschneiten Kai mit der jungen Mutter und ihren Kindern hat mich ein Leben lang begleitet. Ich habe immer die Hoffnung gehabt, daß sie das ganze Elend gut überstanden hat und ihr in Gedanken alles Gute gewünscht.

Ja, das Feuerchen brennt im wahrsten Sinne des Wortes noch immer auf seiner Seele. Und insgeheim hegen er und ich die Hoffnung, daß die junge Mutter von damals noch lebt und sich meldet. Die Jungen, heute schon reife Männer, werden wohl kaum eine Erinnerung an die Flucht über See haben. Aber vielleicht können sich Schick-salsgefährten daran erinnern, oder es wurde später im Verwandten- und Freundeskreis darüber gesprochen.

Man sollte nie "nie" sagen! (Werner Reglitzki, Krandelstraße 4 B in 27793 Wildeshausen.)

Daß schon allein das "Sich-von-der-Seele-Schreiben" guttut, bekundet auch Irene Achtelik, geb. Rockel. Sie schreibt: "Sie haben sich sehr bemüht, mir bei der Suche nach meinem von den Russen verschleppten Bruder Gerhard Leo Rockel zu helfen. Leider hat die Aktion in unserer Heimatzeitung, wie befürchtet, keine neuen Erkenntnisse gebracht, aber dennoch meine Seele beruhigt!"

Manchmal benötigt man nur einen Ansprechspartner, um einen gangbaren Weg zu finden. Und da kann der Zufall die Weichen stellen. Wie im nächsten Fall, den wir auf Wunsch von Regina Gronau, Erste Vorsitzende der LO-Ortsgruppe Schwartau, bringen. Auf einer Reise nach Eltville sprach sie mit Mitreisenden über Ostpreußen. Dabei erfuhr sie, daß diese seit langem einer Freundin helfen möchten, etwas über deren Mutter zu erfahren. Bisher waren alle Bemühungen vergeblich. So reichte Frau Gronau den Suchwunsch an unsere Ostpreußische Familie weiter. Hier ist er: Lydia Bessai, geb. Tomin, wurde am 16. Juni 1944 in Elbing geboren. Ihre unverheiratete Mutter Justina Tomin gab das Kind im Februar 1945 einer Bekannten mit, sie selber blieb in Elbing. Frau Bessai hat nie wieder von ihrer Mutter gehört. Auch über die Familie Tomin weiß sie nur, daß ihr Großvater in Elbing eine Schusterwerkstatt gehabt haben soll. Also bitte, liebe Elbinger: Wer die Familie Tomin gekannt hat oder sogar etwas über das Schick-sal von Lydia Tomin weiß, gebe bitte Bescheid. Jede noch so kleine Auskunft wäre für die Frau wichtig, die bisher kein gutes Leben gehabt hat! Die Vermittlung übernimmt Regina Gronau, Promenadenweg 26 in 23611 Bad Schwartau.

Ihnen, liebe Frau Gronau, auch einen herzlichen Dank für die persönlichen Zeilen an mich. Auch andere Landsleute fragten mich schon, ob ich gut durch diesen Sommer gekommen sei. Ich bin's: Wer als Kind brutheiße Julitage auf der Kurischen Nehrung erlebt hat, wenn man nicht mit bloßen Füßen über den glühenden Dünensand laufen konnte, der verträgt wohl auch im Alter noch Bullenhitze. Und um Ihre und auch die Frage anderer Leserinnen und Leser zu beantworten: Ja, es erscheint bald ein neues Buch von mir mit Geschichten von Nehrung, Haff und See. Und für eine CD mit hei- teren ostpreußischen Weihnachtsgeschichten geht es in diesen Tagen ins Studio!

Noch immer ist unser Landsmann Klaus Josef Schwittay unermüdlich auf der Suche nach den gesammelten Werken von Ernst Wichert. Jetzt konnte er einen schönen Teilerfolg verzeichnen: Auf einem Trödelmarkt erstand er die Bände 11 bis 15 der gesammelten Wichert-Werke. Ausgabe 1997! Nun sucht er die Bände 1 bis 10 dieser Ausgabe. Ihm gelang noch ein weiterer wertvoller Fund: Drei Bücher der Gesamtwerke von E. T. A. Hoffmann, Ausgabe 1900. Sie wurden in insgesamt vier Büchern zusammengefaßt. Buch 1 enthält die Bände 1 bis 3, Buch 2 die Bände 4 bis 7, Buch 3 die Bände 8 bis 10 und Buch 4 die Bände 11 bis 15. Herr Schwittay ist nun glücklicher Besitzer der Sammelbücher 2 bis 4, nur Buch 1 fehlt ihm noch. Ob er auf seiner Suche in unserer Familie Erfolg hat? Ich bin da ein bißchen skeptisch, aber lasse mich gerne und freudig überraschen. (Klaus Josef Schwittay, Fliederstraße 39 in 58566 Kierspe.)

Bei dem nächsten Buchwunsch glaube ich an Erfüllung. Dorothea Taruttis sucht für ihre landsmannschaftliche Arbeit in der Kreisgruppe Köln ostpreußische Märchen, und in diesem Rahmen fragt sie nach dem Buch von Alfred Cammann, "Märchenwelt des Preußenlandes". Die letzte Auflage erschien 1992, trotzdem ist das Buch weder über den Verlag Otto Meissner noch antiquarisch zu bekommen. Wie immer: zuerst eine kurze Mitteilung, dann erst nach Absprache zusenden. (Dorothea Taruttis, Forststraße 42 in 50767 Köln.)

Eure

Ruth Geede

Hermann Löns: In einem seiner Werke besingt der gebürtige Westpreuße aus Kulm den Radaunensee