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13.09.03 / Ein Spiegel deutscher Luftfahrtgeschichte

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 13. September 2003


Ein Spiegel deutscher Luftfahrtgeschichte
Die Höhen und Tiefen des vor 25 Jahren gestorbenen deutschen Konstrukteurs Willy Messerschmitt 
von Klaus Gröbig

Der wohl bekannteste deutsche Flugzeugkonstrukteur überhaupt kam am 26. Juni 1898 in Frankfurt am Main zur Welt. Von 1918 bis 1923 studierte er erfolgreich Maschinenbau an der Technischen Universität München und gründete bald danach die Firma "Messerschmitt Flugzeugbau". Der unternehmerische Durchbruch gelang ihm mit dem Wettbewerb um das Rüstungsflugzeug IV - den Jagdeinsitzer. Von den vier Firmen, die an dem Wettbewerb teilnahmen, kamen Heinkel und Messerschmitt in die engere Auswahl. Das Reichsluftfahrtministerium (RLM) entschied sich schließlich für den Messerschmitt-Entwurf, die Bf 109, besser bekannt als Me 109.

Auch bei der Auswahl des schweren Jägers für die Luftwaffe hat- ten Messerschmitts Mitbewerber schlechte Karten. Die Bf 110 erhielt den Zuschlag und ging in Serie, obwohl Focke Wulf und Arado bessere Entwürfe abgeliefert hatten. Das sollte sich rächen. Leistungsmäßig konnte die Me 110 mit der "Lightning" oder der "Mosquito" nicht konkurrieren. Die Fortentwicklung, die Me 210, war wenig betriebs- sicher und wurde zum Fiasko. Dieses Fiasko und der anschließende Selbstmord von Ernst Udet bildeten den realen Hintergrund zu Carl Zuckmayers Drama "Des Teufels General".

Von der Vielzahl der Entwürfe, die Messerschmitt lieferte, seien hier noch der sechsmotorige Schwerlastentransporter Me 323 "Gigant", der bei der Luftversorgung von Wehrmachtsverbänden eine wichtige Rolle spielte, und die Me 264, der sogenannte Amerika-bomber, von dem aber nur ein Prototyp fertiggestellt wurde, sowie natürlich die Me 262 genannt.

Um die zahlenmäßige Überlegenheit des Gegners zu kompensieren, wurde in Deutschland die Turbine - volkstümlich "Düsentriebwerk" genannt - entwickelt. Messerschmitt baute mit der zweistrahligen Me 262 das dazugehörige Flugzeug. Die immerhin 870 Stundenkilometer schnelle Maschine flog sich laut dem General der Jagdflieger Adolf Galland, als ob ein Engel schiebe, und mit vier Maschinenkanonen vom Kaliber 30 Millimeter war sie auch stark bewaffnet. Das war der große Wurf, auf den die Luftwaffe schon lange gewartet hatte. Aber Hitler hatte sich in den Kopf gesetzt, daß dies sein schon lange von der Luftwaffe geforderter "Schnellbomber" sei. "Daran hatte niemand von ihnen gedacht", äußerte Hitler auf einer Besprechung. Galland meinte dazu: "Da hatte er recht - daran hatte von uns wirklich niemand gedacht."

Der Erstflug der Me 262 mit den Turbotriebwerken war bereits am 18. Juli 1942 erfolgt, doch seinerzeit waren die Triebwerke noch nicht serienreif gewesen. Im Laufe des Folgejahres gelang es dann aber schließlich, betriebssichere und serienreife Triebwerke fertigzustellen. Nun wurde auch der Auftrag zur Serienfertigung an Messerschmitt erteilt. 100 Flugzeuge sollten zunächst gebaut werden. Im Herbst 1943 ordnete Hitler die Umrüstung der Me 262 zum Bomber an. Unter normalen Bedingungen hätten zu Jahresbeginn 1944 die ersten Versuchseinheiten zum Einsatz bereit sein können. Im Frühjahr und Sommer hätten die ersten Jagdgeschwader im Kampf gegen alliierte Bomber gestanden. Den Krieg hatte Deutschland zwar auch schon zu diesem Zeitpunkt verloren, aber die Vernichtung der deutschen Städte hätten die Turbojäger möglicherweise verhindern können. So aber wurde ein ganzes Jahr vertrödelt.

Nach der Invasion und weiteren deutschen Niederlagen riß Hitler endlich das Ruder herum. 1945 kamen die ersten Staffeln Me 262 zum Einsatz. Was die Maschine leistete, verdeutlichen die folgenden Zahlen. Am 8. November 1944 schoß die Staffel bei sieben Eigenverlusten 22 alliierte Jäger und Bomber ab. Ab Februar 1945 war die III. Gruppe des Jagdgeschwaders 7 "Hindenburg" in Brandenburg-Briest einsatzbereit. Bis Kriegsende schoß die Gruppe 60 Bomber und Jäger ab, verlor dabei aber nur sechs eigene Maschinen. Dann war der Krieg zu Ende, und die Amerikaner machten Beute.

Derweil saß Professor Willy Messerschmitt bei Regen unter freiem Himmel in einem Lager in Heilbronn und wäre hier beinahe verhungert. Messerschmitt zeigte wenig Neigung, den "Befreiern" tech- nisch zuzuarbeiten und suchte sich im Ausland ein neues Betätigungsfeld. Nachdem er zunächst versucht hatte, in Deutschland mit der Produktion von Nähmaschinen, Windmühlen und Fertighäusern sowie "Kabinenrollern" und (anderen) Kleinautos sein Geld zu verdienen, erreichte ihn 1951 ein Angebot aus Spanien, dort Flugzeuge zu bauen. Für die Firma HASA konstruierte er die Muster 100, 200 und 300. Der Typ 200, ein zweimotoriger Strahltrainer und Erdkampfflugzeug, wurde in Spanien in Serie gefertigt und auch an die ägyptischen Luftstreitkräfte verkauft.

Natürlich wollte Messerschmitt das Muster auch für Deutschland bauen, aber die Adenauer-Regierung lehnte die Beschaffung der HA (Me) 200 ab, weil man lieber das französische Muster "Fouga Magister" importieren wollte. Es wundert deshalb nicht, daß bundesdeutsche Medien mit Geschichten über den "Flugzeugbauer des Dritten Reiches" aufmachten. Messerschmitts Bemühungen, eine neue deutsche Flugzeugindustrie aufzubauen, wurden von der Bundesregierung sabotiert. Daß die "Fouga Magister" schlechtere Leistungen aufwies als die HA 200, focht die Entscheidungsträger in Bonn nicht an. In Spanien hingegen war man froh, die Keimzelle für eine eigene unabhängige Luftfahrtindustrie gelegt zu haben.

Messerschmitt hielt es zum damaligen Zeitpunkt für möglich, daß die Bundesrepublik eine eigene unabhängige Luftfahrtindustrie nach dem Vorbild Schwedens aufbaut. Wenn aber die eigene Regierung lieber leistungsschwächere ausländische Konkurrenzmuster bestellt als einheimische Produkte, wird dies unmöglich. Messerschmitt mußte sich mit der Lizenzfertigung der für die Bundesluftwaffe bestimmten "Fouga Magister" bescheiden.

Die HA 300 sollte das Spitzenprodukt von Messerschmitt werden. Sie war das letzte Muster, bei dem Willy Messerschmitt persönlich mitarbeitete. Dieser Überschalljäger mit Deltaflügel wurde dem Bonner Verteidigungsministerium in Konkurrenz zum F 104 "Starfighter" angeboten. Der Rest ist bekannt. Das Bonner Verteidigungsministerium beschaffte das wegen seiner Unfallträchtigkeit später als "Witwenmacher" bekannt gewordene US-Muster, weil es politisch gewollt war. Da Großbritannien sich weigerte, eine vorhandene passende Antriebsturbine zu liefern, konnte die HA 300 auch in Spanien und in Ägypten nicht in Serie gehen. Es wurden lediglich zwei Vorserienmodelle gebaut.

Statt selbst Flugzeuge zu entwerfen, die in Serie gefertigt werden konnten, mußte Messerschmitt sich damit begnügen, ausländische Muster in Deutschland in Lizenz zu fertigen. Selbst im Bereich der Zivilluftfahrt fehlte es an ausreichender politischer und finanzieller Unterstützung aus Bonn, um Verkehrsflugzeuge wie die Me 160 in die Serienfertigung gehen zu lassen. Die Regierungen Adenauer und Erhardt erwiesen sich so als die Totengräber einer unabhängigen deutschen Luftfahrtindustrie.

Am 26. Juni 1978 konnte Professor Willy Messerschmitt seinen 80. Geburtstag feiern. Prominente aus Politik und "öffentlichem" Leben sonnten sich noch einmal im Licht dieses bedeutenden deutschen Konstrukteurs. Luftwaffengeneral Johannes Steinhoff hielt die Laudatio. Am 15. September 1978 verstarb Professor Messerschmitt. Seine letzte Ruhestätte fand er im Familiengrab der Messerschmitts in Bamberg.

Willy Messerschmitt im Kreise seiner Familie: Wilhelm als junger Teenager (ganz rechts) mit (v. r. n. l.) seinem ältesten Bruder Ferdinand (1884-1958), seinen Schwestern Maja (1901- 1985) und Ello (1907-1990), dem Vater Baptist-Ferdinand (1858-1916), der Mutter Anna Maria, geb. Schaller († 1943), und dem jüngsten Bruder Rudolf (1902-1983)