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20.09.03 / Schönheit und klare Proportionen oder Wie der Königsberger Architekt Bruno Taut die japanische Kultur für sich entdeckte

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 20. September 2003


Schönheit und klare Proportionen
oder Wie der Königsberger Architekt Bruno Taut die japanische Kultur für sich entdeckte

Seine Siedlungen, die er in den zwanziger Jahren für Berlin schuf, sind bei der UNESCO für die Welterbeliste angemeldet worden. Noch heute werden sie als international anerkannte Leistungen des Neuen Bauens anerkannt. Doch wer, der dieser Tage etwa in der als Tuschkastensiedlung bekannten Gartenstadt Falkenberg (so genannt wegen ihren Farbigkeit) oder in der Hufeisensieldung in Britz lebt, weiß über den Erbauer, den 1880 in Königsberg geborenen Bruno Taut, Bescheid? Wer ahnt, daß der Ostpreuße 1933 wegen seiner drohenden Verhaftung Deutschland verlassen mußte und auf Umwegen schließlich in Japan landete? Aus drei geplan-ten Monaten wurden dreieinhalb Jahre ... In Japan wird Taut noch heute sehr geschätzt, nicht etwa wegen seiner Bauten, denn seinem eigentlichen Beruf konnte der Architekt kaum nachgehen. Statt dessen arbeitete er als Designer und schuf während seines mehrjährigen Aufenthaltes weit über 300 Gebrauchs- gegenstände wie Lampen, Teetischchen, Servierwagen, Kommoden und Schirmgriffe.

Vor allem aber arbeitete Taut als Autor. Drei Bücher entstanden während seines Japan-Aufenthaltes: "Nippon mit europäischen Augen gesehen", 1934 in japanischer Sprache erschienen und schließlich sogar als Schullektüre empfohlen, "Japans Kunst mit europäischen Augen gesehen", 1936 ebenfalls in japanischer Sprache erschienen, und 1937 "Houses and People of Japan", in englischer Sprache und nach dem Krieg in japanischer Sprache herausgekommen. 1998 erschien dieses Werk auch in deutscher Sprache unter dem Titel "Das japanische Haus und sein Leben" im Gebr. Mann Verlag, Berlin. Im gleichen Verlag ist nun eine Sammlung erschienen, die 22 Essays von Taut zum Thema Japan und seine Sitten, Architektur, Kunst und Kunstgewerbe enthält: Ich liebe die japanische Kultur (Kleine Schriften über Japan. Hrsg. und mit einer Einleitung von Manfred Speidel. 240 Seiten mit 140 Abb., Klappbroschur, 48 Euro). Der Titel stammt von einer Widmung, die Taut beim Besuch des Tempels Shorinzan in das Album schrieb. Nach der Überwindung von Anfangsschwierigkeiten und nachdem er seinen Lebensunterhalt mit dem Entwurf von Gebrauchsgegenständen verdienen konnte, fand er mit seiner Lebensgefährtin Erica Wittich ein Haus am Rande des Zen-Tempelbezirks Shorinzan, etwa 100 Kilometer nordöstlich von Tokio gelegen.

In seinen Essays, von denen acht zum ersten Mal in deutscher Sprache erscheinen, offenbart sich wieder einmal die schriftstellerische Begabung des Architekten. Schon früh fühlte er sich zur japanischen Kultur hingezogen: "Ich habe als junger Mensch die japanischen Zeichnungen und Dekorationen genau studiert, sie zwar nicht imitiert, aber viele Jahre hindurch in der Natur die Einzelheiten zu erlauschen versucht, in denen die Natur Gesetze der künstlerischen Form mir zu enthüllen schien ... die japanische Kunst gab den Anlaß dazu, einfache Gesetze der Schönheit und klare Proportionen der Form wiederzufinden, nachdem das Studium der historischen Stile infolge ihrer Unmöglichkeit, sie in Europa mit der rapide entwickelten Technik zu verbinden, nicht weiterführen konnte."

Natürlich macht der Architekt Taut sich auch Gedanken über die Architektur in Japan. Manfred Speidel: "Er durchlief nach der ersten Begeisterung an der japanischen Kultur, die er aus dem Bewußtsein der eigenen Berliner Leistungen mit harter Kritik an der japanischen Gegenwartsarchitektur verband, eine Phase der Suche nach den Gründen für den Bruch zwischen altem und neuem Japan, machte dabei Vorschläge für eine bessere Architektur, unabhängig von den japanischen Kollegen, und endete schließlich in Resignation, da er nichts Bedeutendes bauen und damit seine Ansichten nicht beweisen konnte. Erst die Berufung in die Türkei führte ihn aus dieser Depression heraus. Er konnte wieder in Freiheit und Natürlichkeit bauen." Etwa 20 Projekte sind in der Türkei auszumachen, die Taut als Leiter der Architekturabteilung an der Akademie der Schönen Künste in Istanbul und als Chef der Bauabteilung im Unterrichtsministerium in Ankara realisierte. - Bruno Taut starb am 24. Dezember 1938 in Istanbul. Os

Bruno Taut: Fuji Tenno (Tusche auf Karton, 1933) Foto: aus dem besprochenen Band