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20.09.03 / "Wenn der Vater mit dem Sohne ..."

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 20. September 2003


"Wenn der Vater mit dem Sohne ..."
Schmuckausgabe zum 100. Geburtstag des von den Nationalsozialisten verfolgten Karikaturisten Ohser

Das zeichnerische Talent des kleinen Erich fiel schon seinem Lehrer in der Volksschule Plauen auf. Er empfahl ihm, dem 1917 erst 14jährigen, eine Schlosserlehre und bemühte sich um eine Ausbildungsbeihilfe für Kunstschmiede. Dies wurde allerdings nie Erichs Metier. Als er in der Nacht zum 16. April 1944 erhängt in seiner Zelle aufgefunden wurde, hatte er etwas anderes geschmiedet: sein Hauptwerk "Vater und Sohn".

Die Rede ist von Erich Ohser, besser bekannt unter seinem Pseud-onym e. o. plauen. In diesem Jahr jährte sich sein Geburtstag (18. März) zum 100. Mal. Für den Südverlag Anlaß genug, ein repräsentatives Gesamtwerk herauszugeben. Auf 318 Seiten wird Erich Ohser wieder lebendig. Die informative Einführung von Hans-Joachim Neyer (Wilhelm Busch Museum Hannover) ist mit sechs Seiten etwas knapp gehalten, doch erfährt man ein paar Dinge über den politischen Menschen in der Person des Zeichners der unpolitischen, harmlosen Bildergeschichten. Die erfolgreich abgeschlossene Schmiedelehre führte nicht zur Ausübung des Handwerks, sondern den nun 17jährigen unter Protest der Eltern in das Sekretariat der "Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe" in Leipzig, wo er sich einschrieb. Als Meisterschüler in Leipzig freundete er sich mit zwei weiteren Erichs an, Erich Knauf, dem späteren Geschäftsführer der Büchergilde Gutenberg, und Erich Kästner, dessen Gedichte und Bücher er illustrierte. Über Knauf kam er dann unter anderem zum SPD-Organ Vorwärts. Die politischen Karikaturen in dem linken Blatt hatten später einschneidende Folgen. Zunächst reiste Ohser 1929 mit Kästner nach Moskau und Leningrad. Der Eindruck des realen "Arbeiter- und Bauern-Paradieses" ließ ihn jedoch zum Antikommunisten werden. Trotzdem fielen auch die von ihm illustrierten Kästnerwerke der Bücherverbrennung vom 10. Mai 1933 zum Opfer. Der Eintritt in die Reichspressekammer wurde Ohser 1934 unter Hinweis auf seine frühere Tätigkeit verwehrt. Ein geregeltes Erwerbsleben war damit nicht möglich. Aber noch im selben Jahr tat sich die Möglichkeit auf, als unpolitischer Zeichner unter Pseudonym bei der Berliner Illustrirten, deren Markenzeichen das fehlende "e" war, zu arbeiten. Dies war die Geburtsstunde von e. o. plauen und den "Vater und Sohn"-Geschichten, die nun wöchentlich von 1934 bis Ende 1937 erschienen. Mit der sich mit wachsendem Kriegsgeläut wandelnden Vorstellung von Kindererziehung und körperlicher Konstitution elterlicher Vorbilder war kein Platz mehr für den dicklichen Vater und seinen Lausejungen. Ab 1940 arbeitete e. o. plauen dann für das nationalsozialistische Renommeeblatt Das Reich wieder als politischer Karikaturist, nur nahm er nun die Kriegsfeinde Deutschlands aufs Korn. Die verzweifelte Lage im Jahre 1944 verleitete den schwerhörigen Ohser, in entsprechender Lautstärke mit seinem alten Freund Erich Knauf Witze über die Führung des Dritten Reichs zu machen. Ein Nachbar denunzierte beide, und nach einem Gestapo-Verhör verlangte Göbbels einen Prozeß vor dem Volksgerichtshof. In der Nacht vor der Urteilsverkündung erhängte sich Erich Ohser in seiner Zelle, sein Freund Erich Knauf wurde am 2. Mai durch das Fallbeil hingerichtet.

Die Würdigung seines Werkes beschränkt sich nicht auf die Herausgabe der 100-Jahr-Ausgabe des Südverlags. Am 11. September wurde von Hans Eichel der Erich-Ohser-Briefmarkenblock der Serie "Für die Jugend" vorgestellt. R. Küttelwesch

Erich Ohser: "Vater und Sohn", Südverlag, Konstanz 2003, geb., Schmuckausgabe, 318 Seiten, 24,90 Euro