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© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 27. September 2003 |
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"Hochachtung" für Kundschafter Linke Menschenrechtsorganisation präsentierte Buch von DDR-Agenten von Ekkehard Schultz Trotz aller Verbesserungen der Informationsmöglichkeiten durch Internet und sogenannte "neue Medien" verläuft für die Mehrzahl der gewöhnlichen Nutzer von Zeitungen, Radio und Fernsehen die Wahrnehmung der Außenwelt nach einem Prinzip: Ereignisse haben nur dann stattgefunden, wenn über sie auch berichtet wird. Je größeren Umfang die veröffentlichten Meldungen und Kommentare einnehmen, desto mehr Gewicht wird der entsprechenden Veranstaltung, dem politischen Treffen oder der Aussage eines Sportlers oder Kulturschaffenden beigemessen. Geht man von diesem verbreiteten Maßstab aus, so muß die Vorstellung des Buchtitels "Kundschafter im Westen" aus dem Hause der Berliner Eulenspiegel-Gruppe große Bedeutung gehabt haben: Der Einladung zur Pressekonferenz in den Räumen der "Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde e. V." (GBM) - laut Eigendefinition eine "große linke Menschenrechtsorganisation" mit 4.000 Mitgliedern - im (Ost-)Berliner Stadtteil Lichtenberg waren nämlich rund 60 Journalisten - darunter Vertreter nahezu aller öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten - gefolgt. Der Autor des Vorworts, Markus Wolf, ehemaliger Chef der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) des Ministeriums für Staatssicherheit, sprich der Abteilung für Auslandsspionage, und seine Mitstreiter Werner Großmann, Nachfolger Wolfs in der Leitung der HVA, Gotthold Schramm, Herausgeber der Neuerscheinung sowie die beiden Agenten Johanna Olbricht (alias "Sonja Lüneburg") und Dieter W. Feuerstein dürften sich im Blitzlichtgewitter der Fotografen wie Superstars gefühlt haben. Über den Charakter der Veranstaltung dürften die Anwesenden bereits im Vorfeld kaum einen Zweifel gehabt haben: In der mit der Presseeinladung versendeten Verlagswerbung war angegeben, daß die Neuerscheinung Selbstdarstellungen der Arbeit von HVA-"Kundschaftern im Westen", also von in der Bundesrepublik und anderen westlichen Staaten eingesetzten MfS-Agenten enthalte, von Personen, die für ihre Tätigkeit "Hochachtung" verdienen würden. "Erstmalig" hätten "Wissenschaftler, Politiker, Journalisten, Diplomaten, Verfassungsschützer und andere integre Staatsbürger, die sich irgendwann als Idealisten entschlossen, Interna der einen Seite an die andere weiterzugeben", zur Feder gegriffen, um über die eigene Motivation zur Spionagetätigkeit zu berichten. Alle hätten dabei jedoch ein gleiches Anliegen verfolgt, nämlich den "Frieden in Mitteleuropa zu sichern". Unzweifelhaft war allen Autoren und Herausgebern bewußt, daß sie sich damit in einer historischen Kontinuität bewegten: Der Terminus "Sicherung des Friedens in Mitteleuropa" diente in der DDR als zentraler Grund für die Existenzberechtigung des SED-Staates und seiner Hauptinstitutionen. Bereits in den ersten Jahren nach 1945 wurde dieser Begriff zur Rechtfertigung der Abschaffung demokratischer Grundregeln und von Repressionen gegenüber Kritikern genutzt. So war die Einführung der "Einheitsliste" in der Volkskammerwahl von 1950 von SED-Chefpropagandist Karl Eduard von Schnitzler damit begründet worden, daß ja alle in der "Nationalen Front" (bestehend aus SED und Blockparteien) eine gleiche Aufgabe gehabt hätten, den "Erhalt des Friedens und des Friedenslagers": Jede Opposition nach bürgerlichem Vorbild mußte danach zwangsläufig eine "Kriegspartei" sein. Nur eine Woche nach der Buchvorstellung fand am Stadtrand von Berlin, in Oranienburg, die jährliche Gedenkveranstaltung für die Opfer des sowjetischen Speziallagers Sachsenhausen statt. Bereits Mitte August 1945 - nur wenige Wochen nach der Auflösung des NS-Konzentrationslagers - ließen hier die russischen Besatzer am nahezu identischen Ort erneut ein Lager errichten, in dem von 1945 bis 1950 mindestens 20.000 Menschen an den Folgen von Mißhandlungen, Hunger und Seuchen starben - Menschen, gegen die oft nur der Verdacht einer politischen Gegnerschaft zum neuen System, häufig lediglich auf Denunziation beruhend, vorlag. In nahegelegenen Kiefernhainen wurde eine Vielzahl der damaligen Toten verscharrt. Obwohl neben Kranzniederlegungen und Ansprachen eines evangelischen sowie eines katholischen Geistlichen der frühere sächsische Minister und heutige Bundestagsabgeordnete Arnold Vaatz eine beachtenswerte Rede hielt, war diesmal kein Pressevertreter erschienen. Natürlich gab es auch im Fernsehen keinen Bericht über diese Gedenkveranstaltung. Also eine unbedeutende, unwichtige Veranstaltung? Den Opfern der SED-Diktatur bleibt folglich oft nur der Weg, die direkte Konfrontation zu suchen, um überhaupt die Möglichkeit zu erhalten, von der Gesellschaft wahrgenommen zu werden. So demonstrierten einige von ihnen zu Beginn der eingangs erwähnten Buchvorstellung gegen die Verherrlichung der kommunistischen Herrschaft. Auf Schildern erinnerten sie an die Entführung von Dr. Walter Linse durch gekaufte Westberliner Agenten des MfS im Sommer 1952, der anschließend in die damalige Sowjetunion verbracht und kurz darauf hingerichtet wurde. Dazu spielten sie eine 21minütige Rede von Ernst Reuter ab, die er kurz nach Bekanntwerden der Entführung vor dem Schöneberger Rathaus gehalten hatte. Tatsächlich berichteten darauf zahlreiche der eigentlich nur zur Vorstellung des Buches erschienenen Medienvertreter über die Aktion - immerhin ein Teilerfolg. SED-Opfer protestierten hilflos gegen die Buchvorstellung Einseitige Opferwürdigung: Außenminister Joschka Fischer (l.) und sein russischer Amtskollege Igor Iwanow bei einem Besuch des ehemaligen Konzentrationslagers Sachsenhausen. Anlaß des Treffens war die Enthüllung eines Denkmals für die ehemaligen russischen KZ-Häftlinge. Daß die Sowjets das Lager nach dem Zweiten Weltkrieg zur Inhaftierung unliebsamer DDR-Kritiker nutzten, von denen Tausende ums Leben kamen, wird jedoch gerne vergessen. Foto: dpa |