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© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 27. September 2003 |
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Der Freibeuter des Kaisers Wie Deutschlands größter Seeheld Felix Graf Luckner die Cäcilieninsel in der Südsee eroberte von Ralf Küttelwesch Davon hatte noch niemand je gehört, keiner glaubt es: Eine deutsche Kolonie bei den Fi-dschi-Inseln? Doch, es gibt sie tatsächlich, die Insel der Träume. Sie liegt 265 Seemeilen westlich von Tahiti und heißt heute Mopelia. Doch sie wurde der Mannschaft der "Seeadler" und ihrem Kapitän beinahe zum Alptraum. Dies ist ihre einzigartige Geschichte. Die Männer ahnen nichts von dem Schicksal, das ihnen bevorsteht. Sie freuen sich, einen Ankerplatz gefunden zu haben. Die "Seeadler" liegt in der ruhig gehenden See am Korallenriff vor Anker. Unter dem strahlend blauen Himmel weht nur eine laue Brise. Fast greifbar nahe der traumhaft weiße Strand der palmenbestandenen Südseeinsel Mopelia. Im Bauch des Seglers stapelt sich das Beutegut. Darunter das Beste, was die französische Küche zu bieten hat - und etliche Kisten Champagner. Nach neunmonatiger Kaperfahrt nun endlich Land, und was für ein Land, das Paradies. Die zum Landgang beurlaubten Matrosen wollen gerade mit dem von Leckereien angefüllten Beiboot zum schneeweißen Strand der Insel rudern, da erscheint vor ihren Augen etwas vorher nie Gesehenes. Die See schwillt an, fängt an zu rollen, kommt immer näher. Da wird es ihnen klar - ein Seebeben! "Anker kappen und Motor anwerfen!" schallt das Kommando über das Deck - doch zu spät. Die schwere Dünung erfaßt das Schiff und wirft den Holzrumpf aufs Riff. Splittern und Krachen und dann: vorbei - vorbei das Beben und zu Ende die Fahrt. Wie durch ein Wunder hat keiner der 105 Männer an Bord Schaden genommen. Es ist der zweite August 1917. Ein schwarzer Tag für die Besatzung der "Seeadler" und ihren ebenso gefürchteten wie geachteten Kapitän Felix Graf von Luckner. Die abenteuerliche Geschichte hat im Grunde ganz harmlos angefangen. Am 24. Dezember 1916 sticht der mit dem Namen "Irma" versehene, als Holzfrachter getarnte Hilfskreuzer "Seeadler" unter norwegischer Flagge von Bremerhaven aus in See. Vor Island dann die Feuerprobe: nachdem die Männer die englische Seeblockade durchbrochen haben, stellt sich der "Seeadler" vor Island ein englischer Kreuzer in den Weg. Für den welt- erfahrenen Grafen eine leichte Übung. Mit ein paar Brocken Norwegisch narrt er die Feinde, die Fahrt ist frei, die Überlistung gelungen. Die Weite der See und Tonnen von Beute warten auf die Besatzung der mit nur einer Kanone ausgestattenden Bark. Selbst ihr Schiff ist Kriegsbeute. Es hieß vorher "Pass of Balmaha". Ein deutsches U-Boot hatte es den Amerikanern im Ärmelkanal abgenommen. Die abenteuerliche Fahrt der "Seeadler" bis zu ihrem eigenen Untergang ist mit insgesamt 14 versenkten Schiffen die erfolgreichste ihrer Art. Die feindlichen Kreuzer werden streng nach Prisenordnung geentert und versenkt. Das Vorgehen ist stets das gleiche. Das Schiff nähert sich seinen Opfern getarnt, um dann im letzten Augenblick die Reichskriegsflagge zu hissen und die Plane von der Bordkanone zu reißen. So zwingen die Männer das feindliche Schiff zum Anhalten, dann kontrolliert ein Prisenkommando die Ladung, nimmt die Mannschaft fest, bringt sie von Bord und versenkt dann das Schiff. Der Erfolg dieser Methode sind insgesamt über 40.000 versenkte Bruttoregistertonnen. Nur ein einziger Mann wird dabei getötet. Dieser Umstand und die ritterliche Behandlung seiner vielen Gefangenen trägt zu der hohen Achtung des "Seeteufels" auch bei seinen Feinden bei. So ungewöhnlich wie sein Vorgehen, so ungewöhnlich ist der Lebensweg des Grafen. Schon als Dreizehnjähriger kehrt der am 9. Juni 1881 in Dresden geborene spätere Freibeuter dem Elternhaus und der Schule den Rücken und heuert auf einem russischen Windjammer an. Er nimmt zu Beginn des Ersten Weltkriegs 1916 an der Schlacht im Skagerrak auf dem Schlachtkreuzer "Kronprinz" teil, holt sich schließlich den Kaperbrief des Kaisers und mit seinen bereits 36 Jahren das Kommando über die "Seeadler". Nachdem er und seine Mannschaft den Atlantik überquert und Rio angesteuert haben, geht der Kurs auf Kap Horn. Unter vollen Segeln umsegeln sie das von allen Seeleuten der Welt gefürchtete Kap. In den ruhigeren Gewässern machen sie wieder reiche Beute. Schwer mit Kapergut und Gefangenen beladen, erreichen die landhungrigen Männer und ihr Schiff am 29. Juli 1917 die Insel Mopelia, ein Traum in der Südsee. "Die Insel begrüßte uns mit ihren hohen Palmen und Gummibäumen wie ein Paradies", schreibt Luckner in seinen Erinnerungen. Doch das Paradies zeigt sich tük- kisch. Nur vier Tage später finden sich die verwegene Mannschaft und ihr Kapitän auf dem Strand wieder. Vor ihnen liegt die "Seeadler" in Trümmern. Doch voller Tatendrang machen sie das Beste aus der Situation, schließlich haben sie schon andere Situationen bewältigt. Sie bergen alles Nützliche von dem Wrack. Aus den Segeln der Bark fertigen die Männer Zelte, die Planken dienen als Boden. "Das bißchen deutscher Boden, die paar Bretter, die in dieser Erdhälfte noch dem Deutschen Reich gehört hatten, unsere Heimat, das einzige, was wir besaßen ..." Buchstäblich die Grundlage für die neue Kolonie. Die Gestrandeten bauen eine "Stadt" für sich. Schließlich sind es drei Dörfer, an denen Robinson Crusoe seine Freude gehabt hätte. Die Gefangenen nennen sie nach ihren Bewohnern German-, American- und Frenchtown. In der Mitte zwischen den Deutschen und den Gefangenen stehen einige Eingeborenenhütten. "Die Kanakers waren anfangs sehr besorgt, als sie uns als Deutsche erkannten, aber durch unser herzliches Entgegenkommen gewannen wir bald ihr Vertrauen ...", so Luckner. Die Insel Mopelia erhebt der Graf zur deutschen Kolonie und gibt ihr den Namen der Schwiegertochter des Kaisers. Nun heißt sie Cäcilieninsel. Die Kolonisten wider Willen richten sich ein. Sie flanieren auf der "Seeadler-Promenade", lauschen dem Platzkonzert auf dem "Marktplatz" und nutzen den endlosen Badestrand. Der frischgebackene Gouverneur vermutet später: "Mancher reiche Mann hätte für ein paar Wochen Sommerfrische in unserem Paradies ein kleines Vermögen gegeben." Eine durchaus richtige Einschätzung, wenn sich ein heutiger Tourist allein die Preise für einen Südseeaufenthalt auf solch einem Atoll vor Augen hält. Aber schon nach der für heutige Touristen üblichen Aufenthaltszeit von vier Wochen treibt es die Männer wieder zu Abenteuern. Auf dem notdürftig reparierten Rettungsboot der "Seeadler" geht der ruhelose Kaper-Kapitän mit fünf Kameraden wieder auf Beutefahrt. Das Beiboot tauft die Besatzung auf den Namen "Kronprinzessin Cäcilie" und geht so als "kleinster Kreuzer der deutschen Marine" in die Geschichte ein. Zurück bleiben der erste Offizier, Leutnant zur See Alfred Kling, und 58 Mann der Besatzung mit den Gefangenen. Aber auch den zurückgelassenen Kolonisten liegt das Kapern im Blut. Als sich am 5. September 1917 ein französischer Zweimast-Schoner ahnungslos der kleinen Kolonie nähert, wird er von Leutnant Kling und seinen Männern gekapert. Es ist die schon halb zum Wrack verkommene "Lutece". Trotz des mangelhaften Zustands holen die Männer gleich am nächsten Tag die Reichskriegsflagge auf der Insel ein und lassen die Gefangenen mit Proviant für zwei Monate und einem kleinen Boot zurück. Sie stechen mit dem maroden Segler in See und erreichen auf der vergeblichen Suche nach ihrem Kapitän wie durch ein Wunder die Osterinseln. Nach einem Ruheaufenthalt erreichen sie von dort aus schließlich das neutrale Chile. Anders ergeht es dem Grafen mit seiner kleinen Schar. Als die offene, sechs Meter lange "Kronprinzessin Cäcilie" erfolglos, ohne Wasser und Proviant die eng-lischen Cookinseln erreicht, ergibt sich für den Tausendsassa Luckner eine weite- re Möglichkeit, sein schauspielerisches Talent zu beweisen. Er spielt den Engländern einen "spleenigen" Holländer auf Abenteuerreise vor und erhält, obwohl er der von den Engländern am meisten gesuchte Deutsche ist, das dringend Benötigte. Die Odyssee führt die Männer in der Nußschale noch 25 Tage über 2.500 Kilometer weit über die endlose See, bis sie mehr tot als lebendig auf einer Fidschi-Insel landen. Eine seemännische Meisterleistung. Dort, auf Wakaya, aber warten schon die Engländer auf sie. Die kleine Crew wird gefangengenommen und nach Neuseeland in ein Kriegsgefangenenlager gebracht. Der Kommandant des Lagers aber unterschätzt seine prominenten Gefangenen sträflich. So entwenden der einfallsreiche Kapitän und seine Leute kurzerhand das Boot des Lagerkommandanten, das kleine Motorboot "Perle", und entkommen. Unter dem Vorwand, ein Theaterstück über die Schlacht im Skagerrak aufführen zu wollen, hatte die Mannschaft bei den Engländern die Zusammenstellung von Requisiten erreicht. Hierzu gehörten auch eine auf ein Bettuch gemalte Reichskriegsflagge und ein alter Säbel. Mit diesen Gerätschaften ausgerüstet kapern die Seebären mit dem kleinen Motorboot einen Schoner, die neuseeländische "Moa". "Die deutsche Kriegsflagge wehte, ich stürzte mich mit geschwungenem Säbel auf die ,Moa', meine Jungs kletterten über die Deckladung ... Alles war wie vom Schlag gerührt. ,Don't kill us!' ... Die Leute blickten entgeistert." So beschreibt der Autobiograph Luckner später die Kaperung. Die Mannschaft und der Kapitän beruhigen sich schnell wieder und fügen sich in ihr Schicksal. Doch die Freude der Freibeuter, wieder unter dem Reichskriegsflaggen-Bettuch zu segeln, ist nur von kurzer Dauer. Bei der Macaulyinsel werden die gerade wieder zum Flug ansetzenden "Seeadler" von einem britischen Dampfer, der "Iris", aufgebracht und auf den Kermadec-Inseln wieder festgesetzt. Die Engländer hatten gelernt, jeder Flucht- versuch der Gefangenen scheitert, und damit war der Versuch, sich mit den auf der Cäcilieninsel Verbliebenen zu verbünden, ergebnislos. Die Geschichte der kleinsten deutschen Kolonie, der Cäcilieninsel, und des kleinsten deutschen Kriegskreuzers, der "Kronprinzessin Cäcilie", nimmt hiermit ihr Ende. Die Geschichte einer einzigar- tigen Kaperfahrt und des - nach Klaus Störtebeker wohl berühmtesten - letzten deutschen Piraten. In den 20er Jahren macht Graf Luckner nochmal von sich reden. Mit einer zweiten, aus Spendengeldern finanzierten "Seeadler" bereist er Nordamerika und wirbt für das besiegte Deutschland. Hier legt er auch den Grundstein zu seinem Ruhm als Telefonbuchzerreißer, indem er das dicke Telefonbuch von Chicago vor seinem Puplikum zerfetzt. Er erlebt sein Ende im Jahre 1966 hochgeehrt und mit 85 Lebensjahren hochbetagt in Malmö. Doch seine Fahrt mit dem Hilfskreuzer "Seeadler" bleibt unvergessen. Von 1927 bis 1942 führte ein Torpedoboot in der deutschen Marine den Traditionsnamen "Seeadler" weiter. Die Bundesmarine knüpfte 1958 an die Geschichte der "Seeadler" mit einem Schnellboot an, dem 1976 ein Flugkörperschnellboot "Seeadler" folgte. Die von ihm handgemalte Reichskriegsflagge, das letzte Relikt des großen Abenteuers, aber bewahrte sein treuer Hausdiener auf. Als dieser 1996 starb, erwarb die Hamburger Burschenschaft Germania diese ungewöhnliche Hinterlassenschaft eines abenteuerlichen Lebens für ihr "Graf-Luckner-Zimmer", wo sie bis heute bestaunt werden kann. Das Buch zum Thema ist über den Preußischen Mediendienst beziehbar; Felix Graf von Luckner: "Seeteufel", Ullstein Taschenbuch Verlag, München 2002, 260 Seiten, 7,95 Euro. Die Männer brechen durch die englische Seeblockade die Flucht gelingt, und die "Seeadler"rüsten wieder zum Flug Cäcilieninsel: Palmenhaine und Traumstrände. Die ehemalige Kolonie lockt auch heute noch deutsche Touristen an. Mischte auch eigenen Pfeifentaback: "Seeteufel" Felix Graf von Luckner Fotos (2): Archiv |