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© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 04. Oktober 2003 |
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Ergötzlich und lehrreich oder: Wenn Lexika nicht nur informieren, sondern auch unterhalten Verstand ist erhaben, Witz ist schön", soll Immanuel Kant einmal gesagt haben. Wie recht der große Philosoph hatte, das erkennt man, hört oder liest man die eine oder andere Anekdote aus dem Leben bedeutender und bekannter Persönlichkeiten. Kant selbst war sehr schlagfertig. So war eines Tages eine Naht seines Rockärmels aufgeplatzt, und sein Gegenüber konnte sich nicht entblöden zu bemerken: "Da schaut die Gelehrsamkeit heraus." - "Und die Dummheit hinein", entgegnete darauf der Philosoph, der ohnehin keine großen Worte liebte. So saß er in einer Gesellschaft, auf der sich jüngere Herren wichtig taten und sich ihrer Taten rühmten. Kant war schweigsamer als sonst, da fragte man ihn, warum er denn gar nichts sage: "Ach", erwiderte er, "unter so vielen selbstlauten sind stets auch einige stumme Buchstaben nötig." Schlagfertig war auch sein Landsmann Johann Gottfried Herder. Der Philosoph und Theologe aus Mohrungen traf auf einer Gesellschaft in Weimar, wo er als Hofprediger wirkte, einen neureichen Fabrikanten. Der wollte den Theologen provozieren und verkündete: "Wenn ich einen unbegabten Sohne hätte, würde ich ihn Prediger werden lassen." Herder allerdings entgegnete lächelnd: "Da ist Ihr Herr Vater offenbar ganz anderer Ansicht gewesen." Witz bewies Herder auch, als er auf seiner Italienreise von einem Abt angegriffen wurde, der seinen evangelischen Amtsbruder vorwurfsvoll fragte, wie er seine Herde so lange allein auf der Weide lassen könne. Herder: "Bei uns in Deutschland ist längst die Stallfütterung eingeführt." David Hilbert aus Königsberg, als Mathematiker eher der Sachlichkeit zugetan, war ebenfalls mit einem ausgesprochenen Mutterwitz ausgestattet. So soll er, um unerwünschten Besuch loszuwerden, schon nach wenigen Minuten zu seiner Frau gesagt haben: "Käthe, wir haben die Herrschaften schon lange genug gelangweilt." Darauf nahm das Ehepaar Hilbert Hut und Mantel und verließ sein eigenes Haus, als ob es selbst den Besuch gemacht hätte. Nachzulesen sind diese - genauer gesagt 3668 - pointierten Kurzgeschichten von über 1150 Persönlichkeiten aus Politik, Kultur und Gesellschaft im Harenberg Anekdotenlexikon (Aufgeschrieben von Maurus Pacher, 960 Seiten, 774 Abb., Leinen mit Schutzumschlag, Lesebändchen, 50 Euro). Neben amüsanten Anekdoten, nicht zuletzt über den großen Preußenkönig Friedrich II., finden sich, wie bei Harenberg üblich, auch biographische Daten, eine kurze Einführung in Leben und Werk, ausgewählte Zitate und ausgefallene Fotos, die allein schon Geschichten erzählen. Ein Lexikon, das ein wahres Lesevergnügen verspricht. Lovis Corinth, Maler und Graphiker aus Tapiau, wurde einmal von einem Kunstfreund nach dem Programm seiner Kunst gefragt. "Was ich will, meinen Sie? Verkaufen, natürlich", entgegnete Corinth kurz und bündig. Und verkaufen konnte er seine Bilder, dieser bärbeißige Ostpreuße. Der Hamburger Museumsdirektor Alfred Lichtwark und auch sein Nachfolger Gustav Pauli erwarben für die Kunsthalle eine stattliche Reihe von Werken, entweder direkt beim Künstler oder aber später durch den Kunsthandel. So wurde in der Eröffnungsausstellung des Kölnischen Kunstvereins 1924, ein Jahr vor Corinths Tod, ein Gemälde aus Privatbesitz angeboten. Es war das 1911 entstandene Motiv "Am Putztisch (Mor-gentoilette)" und zeigte seine Frau Charlotte Berend-Corinth beim Kämmen ihrer langen Haare durch den Friseur Müthel. Corinth hatte die Szene zufällig beobachtet und war fasziniert vom Licht und Schatten, von der Stimmung im Boudoir seiner Frau. Schnell hatte er die Figur des Friseurs mit dem Pinsel auf der Leinwand festgehalten, doch fertig war das Bild noch nicht. Am Abend fragte er seine Frau: "Petermannchen, glaubst du, daß du morgen auch wieder deine Hand so halten könntest - mit der Puderquaste?" - Sie konnte ... Entstanden war eine zunächst "banal wirkende Alltagsszene"; Corinth jedoch hatte sie "durch den Reiz des Lichts ‚geadelt', das die Figuren umhüllt und das Zimmer durchflutet". Mit diesem Bild gelangte erstmals eine selbständig entstandene, freie Komposition Corinths in die Sammlung der Hamburger Kunsthalle; "ein glänzend gemaltes Stück Leben", lobte Pauli 1924. Corinth war nicht zuletzt bekannt für seine Walchensee-Bilder, meist Motive, die er von seinem Haus in Urfeld aus malte. Dazu gehört auch das Gemälde "Baum am Walchensee", das 1923 entstand und sich heute im Kunsthaus Zürich befindet. Auf den ersten Blick ist nichts Ungewöhnliches zu entdecken, dann jedoch erkennt man, daß der See auf der linken Bildseite urplötzlich in einen Katarakt übergeht. Auch scheint die linke Bildhälfte weniger geordnet und übersichtlich. Eine dramatische Wechselwirkung zwischen Seherfahrung und Bildwirklichkeit, das Bild als Experimentierfläche - Kunstkritiker sehen darin einen Hinweis auf die expressive Malerei der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In einem anderen Harenberg-Lexikon, das in zweiter verbesserter Auflage vorliegt und das 525 Meisterwerke aus sieben Jahrhunderten vorstellt (Hrsg. Wieland Schmied in Zusammenarbeit mit Tilmann Buddensieg, Andreas Franzke und Walter Grasskamp, 1188 Seiten, 539 farbige Abb., Leinen mit Schutzumschlag, Lesebändchen, 50 Euro), haben auch diese beiden Werke Corinths Aufnahme gefunden. Mit dem Museum der Malerei ist Herausgebern und Autoren gelungen, berühmte Museen und ihre Schätze zwischen zwei Buchdeckeln zu vereinen. Dem Leser wird durch präzise Bildbeschreibungen der Dialog mit dem Kunstwerk erleichtert. Und so ist es eine wahre Augenweide, nicht nur den ganz Großen wie Rembrandt oder Vermeer, El Greco oder Tizian, Cranach oder Dürer, Friedrich, Runge oder Schinkel zu begegnen. Eduard Gaertner, Johann Erdmann Hummel sind ebenso vertreten wie die Maler der "Brücke", wie Liebermann oder Slevogt. - Ein imaginäres Museum der Malerei für den Bücherschrank, vor allem aber zum Blättern und Sehen-Lernen. Wer bisher meinte, Lexika seien langweilig und nur zu benutzen, um schnell einmal etwas nachzuschlagen, der sieht sich bei Harenberg immer wieder angenehm enttäuscht, sind doch diese Ausgaben Lesebücher im reinsten Sinn, auch machen sie neugierig auf eine weitergehende Lektüre. Os |