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04.10.03 / Joachim Hoffmanns Arbeit über die "Russische Befreiungsarmee" mißfällt nicht nur dem Zeitgeist

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 04. Oktober 2003


Mit wütenden Attacken bedacht
Joachim Hoffmanns Arbeit über die "Russische Befreiungsarmee" mißfällt nicht nur dem Zeitgeist

In den letzten acht Jahren haben zwei Wanderausstellungen eine Fülle von Veröffentlichungen ausgelöst, die sich meist einseitig und fachlich fragwürdig mit dem Thema "Verbrechen der Wehrmacht" befaßten. Vor diesem Hintergrund ist das Verdienst von Joachim Hoffmann zu würdigen, daß er noch kurz vor seinem Tod eine ergänzte Neuauflage seiner "Geschichte der Wlassow-Armee" gegen alle Widerstände abgeschlossen hat, die 2003 im Buchhandel erschien. Dieses Schlüsseldokument der deutsch-russischen Beziehungen bestätigt die Erkenntnis, die Clausewitz aus der Niederlage Napoleons in Rußland 1812 gewonnnen hat und die auch im 20. Jahrhundert galt: "Das russische Reich ist kein Land, das man erobern, das heißt besetzt halten kann, ... es kann nur bezwungen werden durch eigene Schwäche und durch Wirkungen des innern Zwiespalts."

Spätestens im März 1939 zeigte sich mit der Besetzung Böhmens und Mährens, daß Hitler bereit war, für seine Wahnidee, dem deutschen Volk Lebensraum im Osten zu schaffen, einen Krieg in Kauf zu nehmen. Bereits am 4. Februar 1938 hatte er schlagartig durch umfangreiche personelle Veränderungen im Staatsapparat alle Macht in seinen Händen konzentriert. Der ihm hörige General Keitel wurde zum Chef des Oberkommandos der Wehrmacht (OKW), Ribbentrop zum Außenminister ernannt.

Am 22. Juni 1940 besiegelte ein Waffenstillstand die Niederlage Frankreichs nach einem kurzen Feldzug. Hitler sah sich gegenüber allen Warnungen führender Militärs aufgrund ihrer Erfahrungen von 1914/18 gerechtfertigt. Der Mythos Blitzkrieg war geboren, und damit die Hybris, der deutsche Soldat sei unbesiegbar. Genau ein Jahr später überschritten zwei Millionen deutsche Soldaten die Grenzen der Sowjetunion, überwiegend in der Zuversicht, ein Blitzkrieg würde zu einem raschen Sieg führen.

Hoffmann beginnt mit der Schilderung der Reaktion der Bevölkerung eines gnadenlosen Überwachungs- und Terrorstaates, die sehen mußte, wie die Zerstörungs- und Evakuierungsmaßnahmen in den Rückzugsgebieten ihre künftige Existenzgrundlage zerstörten und die in Ostgalizien kurz vor dem Einmarsch den Massenmord des NKWD an mißliebigen Bürgern erlebte. Sie begrüßte deshalb die deutsche Armee nicht in Haß und Feindschaft, sondern meist freundlich und aufgeschlossen. Millionen von Rotarmisten bis zum General gingen lieber in Kriegsgefangenschaft, statt die

Sowjetheimat und den Genossen Stalin bis zum letzten Blutstropfen zu verteidigen. Jeder Soldat sah damals, was Hoffmann in dem entscheidenden Satz zusammenfaßt: "Hier lag ein nahezu unerschöpfliches Menschenreservoir, das den Zwecken einer politischen Kriegsführung gegen das Sowjetregime hätte nutzbar gemacht werden können."

Stalin konnte aufatmen, als die Deutschen nicht daran dachten, die Mitwirkung seiner befreiten Landsleute zu nutzen, und als das russische Volk vielfach Mißachtung und Kränkung seines Nationalstolzes durch die Besatzungsbehörden erfahren mußte. Dies gab ihm die Möglichkeit, den nationalen Gedanken eines vaterländischen Krieges für den Überlebenskampf seines Regimes zu nutzen.

Hitlers Direktiven verboten ausdrücklich, die einzigartigen Chancen zu nutzen, im Gegenteil, an die Stelle eines Befreiungskrieges trat ein kolonialer Eroberungskrieg, in dem der Gegner zum Heloten gestempelt und ihm die Selbstbestimmung verweigert wurde. Die Behandlung der Kriegsgefangenen und die Judenmassaker der Einsatzgruppen förderten den Zulauf zu den Partisanen und die Ausweitung ihres barbarischen Krieges. Der Vorwurf für diese Entwicklung trifft auch die Wehrmachtsführung. Sie war wider besseres Wissen nicht fähig oder willens, sich gegen die Forderungen Hitlers durchzusetzen.

Trotzdem gab es Wege für die Heeresführung, von unten her rund eine Million Sowjetbürger aus freiwilligen deutschen Einheiten oder eigenen Einheiten unter deutschem Kommando im Osten einzugliedern. Das Ziel war jedoch, eine verbündete russische Nationalarmee durchzusetzen. Anhand fundierter Quellen schildert Hoffmann das dramatische Ringen um die Anerkennung der seit Anfang 1943 betriebenen Aufstellung der "Russischen Befreiungsarmee" (ROA) unter dem in Gefangenschaft geratenen charismatischen General Wlassow, die Hitler viel zu spät erst am 28. Januar 1945 bestätigte. Zwei Divisionen kamen noch an die Front. Die deutsche Kapitulation und die Tragödie der Beteiligung am Prager Aufstand der Tschechen bereiteten auch der ROA ein bitteres Ende. Die Hoffnung Wlassows, als "Dritte Kraft" die Anerkennung der Anglo-Amerikaner zu finden, erfüllte sich nicht. Die Briten lieferten die in Gefangenschaft geratenen Verbände gnadenlos den Sowjets aus und machten noch lange danach Jagd auf die Untergetauchten.

Joachim Hoffmanns Buch, die erste wissenschaftliche Behandlung der Wlassow-Armee, erschien 1984 als "Einzelschrift" des Militär- geschichtlichen Forschungsamts (MGFA), dem der Verfasser 35 Jahre als wissenschaftlicher Direktor angehörte. Es fand im In- und Ausland großen Widerhall. Auch die Sowjetunion konnte es nicht ignorieren, denn auch dort wurde seine Existenz bekannt und anfangs mit wütenden Attacken bedacht. Trotzdem lehnte das MGFA 1991 ein seriöses Angebot aus St. Petersburg, eine russische Ausgabe zu veröffentlichen, ebenso ab wie eine Neuauflage des Buches im Jahr 1997. Dabei mag eine Rolle gespielt haben, daß Hoffmann in seinem Buch "Stalins Vernichtungskrieg" eine Präventivkriegsthese vertritt, die auch der Rezensent für fraglich hält.

Der Verfasser übertrug deshalb seine Rechte dem Herbig-Verlag. Er sieht den Grund für das Verhalten des Amtes in den "bestimmenden Kräften im MGFA, die auch zu Fürsprechern der von Fehlern und Fälschungen nur so wimmelnden Hetzausstellung gegen die Wehrmacht gehörten, und die an einer Verbreitung der historischen Wahrheit über Wlassow und die Russische Befreiungsarmee kein Interesse hatten".

Die verdrängte Wahrheit des Buches lautet darüber hinaus: In den Direktiven Hitlers zur Kriegsführung liegt das zentrale Verbrechen, das den Gegner ebenso traf wie die eigene Bevölkerung und ihre Soldaten. Nur ein gebrochenes, vom Zeitgeist geprägtes Geschichtsverständnis kann statt dessen in der These von der "verbrecherischen Organisation Wehrmacht" das zentrale Thema des Ostfeldzuges sehen. Meinrad v. Ow

Joachim Hoffmann: "Die Tragödie der ,Russischen Befreiungsarmee' 1944/45. Wlassow gegen Stalin", Herbig Verlag, München 2003, geb., 400 Seiten mit 30 Abbildungen und Kartenskizzen, 29,90 Euro