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11.10.03 / Das Volk - wirklich der Souverän?

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 11. Oktober 2003


Gedanken zur Zeit: 
Das Volk - wirklich der Souverän?

von Hans Georg Hess

Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus, heißt es im Artikel 20 Grundgesetz (GG). Die Ausübung erfolgt in Wahlen und durch die Organe der Gesetzgebung, der Exekutive und der Rechtsprechung.

Schon beim großzügig zugebilligten Wahlrecht hapert es: Bei der Listenaufstellung haben die Parteien - die nach Art. 21 GG bei der politischen Willensbildung nur mitwirken sollen - das Sagen: Wenn der Wähler nur die Liste und nicht einen ihm genehmen Kandidaten ankreuzen darf, fehlt es an der in Art. 38 GG verlangten Unmittelbarkeit der Wahl.

Die den Parteien überlassene Kandidatenaufstellung führt geradezu zwangsläufig dazu, daß Beamte/öffentlich Bedienstete und Gewerkschaftsfunktionäre überproportional im Deutschen Bundestag vertreten sind. Das kann bezüglich der Beamten nach Art. 137 GG beschränkt werden - welcher Parteiboß wird das aber schon öffentlich fordern und auch noch durchsetzen?

Die Parteien erfahren weitere Bevorzugung gegenüber den Staatsbürgern als einzelnen sowie in deren Gesamtheit: Die Berufung der Richter an die obersten Gerichtshöfe erfolgt nach Art. 95 GG durch die zuständigen Bundesminister gemeinsam mit einem Richterwahlausschuß, der wiederum aus den zuständigen Landesministern und einer gleichen Anzahl von Bundestagsabgeordneten besteht. Und diese Damen und Herren sind allesamt Parteimitglieder oder einer Partei nahestehend. Das heißt im Klartext: Die zu Kontrollierenden wählen ihre Kontrolleure in Bundesverfassungsgericht und anderen höchsten Orts selbst.

Die Rechtsprechung sieht entsprechend aus: Die Entscheidungen der obersten Gerichte richten sich offenkundig nach Parteizugehörigkeit der Richter oder deren Parteienvorschlag im Berufungsverfahren. Von Gewaltenteilung - einem wesentlichen Kernstück rechtsstaatlicher Demokratie - kann insoweit keine Rede mehr sein, von Bürgereinfluß ganz zu schweigen.

Der einzelne Staatsbürger, aber auch "das Volk" in seiner Gesamtheit hat praktisch nichts zu sagen: Nehmen wir uns die Artikel 23 ff. GG vor: Die Europäische Union (EU) ist ausschließlich in die Hände von Bundestag und Bundesregierung gelegt. Das Volk wird weder um Zustimmung zur Übertragung von Hoheitsrechten "nach Brüssel" gefragt, noch dürfen wir Bürger unsere Meinung zum Währungstausch Mark gegen Euro per Abstimmung kundtun.

Gleichermaßen vollzieht sich die Osterweiterung der EU ohne jegliche Mitwirkung des deutschen Volkes. Die dadurch entstehenden Kosten wurden uns bis heute nicht einmal mitgeteilt: wahrscheinlich ist die neue Milliardenbelastung der deutschen Steuerzahler weder den Regierenden noch den Parlamentariern genauer bekannt.

Kosten für Bund, Länder und Gemeinden sind seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland - was die Unterrichtung der Steuerzahler betrifft - "gemeinsame Kommandosache". Jedem Haushaltsvorstand und jedem Unternehmer würde das übel angekreidet - von der eigenen Familie oder von Belegschaft und Markt. Wir, die braven Bürger, lassen uns das alles gefallen. Warum eigentlich?

Den meisten Deutschen ist gar nicht bekannt, daß das Grundgesetz nur ein Provisorium ist. Nach Art. 146 GG hat das Deutsche Volk nach der Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands eine Verfassung in freier Entscheidung zu be- schließen. Das hat weder die Regierung Kohl noch die von Schröder in die Wege geleitet - aus naheliegenden Gründen: Die Überprivilegierung der Parteien würde drastisch abgebaut, zum Nutzen des deutschen Volkes. Und diesen Ast wollte sich keine der Parteispitzen absägen lassen.

Kenntnis der Geschichte vor der Zeit 1933/1945, Weitsicht und eine Portion Courage gehören dazu, um sicher nicht die ganze Welt, wohl aber die deutschen Verhältnisse in Ordnung zu bringen. Die Kriegserlebnisgeneration, die diesen Dreiklang noch verstand, tritt ab. Ihre Nachfolger sind heute und morgen gefordert. Ein Vertrauensvorschuß an wohlwollendem Vertrauen in ihre Kraft und Zielstrebigkeit sei ihnen eingeräumt.