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© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 11. Oktober 2003 |
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Englands Truppe bröckelt Irak: Tausende Reservisten kehren der Armee den Rücken von Hans Heckel Das Reservistenheer der britischen Streitkräfte, die "Territorialarmee", schlittert infolge von Londons Irak-Engagement in eine bedrohliche Krise. Medienberichten zufolge ist die Zahl der Reservesoldaten seit März von 39.210 auf gerade noch 37.360 im August gefallen. Damit liegt ihre Zahl um über 4.000 Mann unterhalb des von der Regierung angestrebten Umfangs von rund 42.000. Und die Tendenz zeigt weiter steil nach unten. Die Irak-Operation bindet weit mehr Uniformierte auf sehr viel längere Zeit, als von den Hauptverbündeten London und Washington vorhergesehen. Hinzu kommt: Über den Irak hinaus sind britische Verbände bereits in Sierra Leone sowie (zusammen mit der Bundeswehr) auf dem Balkan und in Afghanistan aktiv. Zudem ist im unruhigen Nord-Irland verstärkte Truppenpräsenz weiterhin unvermeidlich. Die Reservisten bestehen sowohl aus Freiwilligen wie aus ehemaligen Angehörigen der regulären Streitkräfte. Sie gehen normalen Zivilberufen nach, wenn keine Manöver oder Einsätze anstehen. Hier liegt das Problem: Selbst verständnisvolle, patriotische Arbeitgeber beginnen zu murren, daß sie sich die halbjährige oder gar längere Abwesenheit ihrer Militärdienst tuenden Mitarbeiter kaum noch leisten können oder wollen. Nicht selten mußten Reservisten im Irak bereits längere Zeit ausharren als ihre "regulären" Kameraden. Darüber hinaus muß die Territorialarmee zu Hause Lücken füllen, die auswärts operierende reguläre Verbände hinterlassen haben. Auch in den Familien der Reservisten beginnt es zu rumoren. Mit einigen Wochen oder zwei, drei Monaten Abwesenheit von Vätern und Ehemännern hatte man ja gerechnet. Danach würde der Großteil der Soldaten ins Königreich zurückkehren - so das Versprechen der Regierung. Jetzt sitzen die beinahe 11.000 Briten am Golf bereits über ein halbes Jahr fest, Ende nicht abzusehen. Zwar kamen erst fünf Reservisten seit Ende der offiziellen Kampfhandlungen durch Partisanen-Angriffe ums Leben. Dennoch treibt der Tod eines Reservisten das Inselvolk offenbar mehr um als der Verlust eines regulären Soldaten, was historische Wurzeln hat: Im Unterschied zu den USA verfügt Britannien über eine jahrhundertealte Geschichte von weltweit operierenden Expeditionsstreitkräften, die aus freiwilligen Berufssoldaten der Krone bestanden. Diese wußten, worauf sie sich einließen, und waren nicht selten von purer Abenteuerlust in die weite Welt des "Empire" getrieben worden. Sie gingen ein Risiko ein, in das sie niemand gedrängt hatte. Entsprechend robust reagierte die britische Öffentlichkeit auf Verlustmeldungen. Die Territorialarmee jedoch steht in der Tradition einer Heimatschutz-Miliz aus gewöhnlichen Familienvätern, deren Tod spürbar tiefere Erschütterung auslöst. Londons Truppenkrise wird zusätzlich durch einen Faktor verstärkt, der auch der Bundeswehr zunehmend zu schaffen macht. Nach dem Ende des kalten Krieges wollte Großbritannien wie bekanntlich auch Deutschland eine "Friedensdividende" einfahren. So strich die Regierung des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Tony Blair in den 90er Jahren 18.000 Reservistenstellen. Wenn auch nicht so drastisch wie in Deutschland, wurde an Londons Wehretat zum Teil planlos herumgekürzt. Wenn nun die geringere Sollstärke der Reserve durch eine Flut von Austritten weiter unterschritten wird, könnte bald ein Niveau erreicht sein, an dem die Verbände den zahlreichen "internationalen Verpflichtungen" (die London ähnlich leichtfertig eingegangen ist wie Berlin) nicht mehr gewachsen sind. Kommt zur Furcht um Leben und Gesundheit bald noch die Angst um den Arbeitsplatz? Viel länger als geplant sitzen 11.000 britische Soldaten im Irak fest. Für die berufstätigen Reservisten wird es langsam eng. Foto: MoD |