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11.10.03 / Traditionen weitergeführt / Neue Nationalgalerie in Berlin zeigt "Kunst in der DDR"

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 11. Oktober 2003


Traditionen weitergeführt
Neue Nationalgalerie in Berlin zeigt "Kunst in der DDR"

Nach 13 Jahren sollte man endlich aufhören, die DDR als einen Sonderfall zu behandeln", kritisierte Wolfgang Mattheuer den Versuch einer ersten großen Retrospektive zur Kunst in der DDR, die noch bis zum 26. Oktober in der Neuen Nationalgalerie zu Berlin zu sehen ist (dienstags, mittwochs, freitags 10 bis 18 Uhr, donnerstags 10 bis 22 Uhr, am Wochenende 11 bis 18 Uhr). Der Besucherandrang allerdings zeigt, daß ein Interesse beim Publikum durchaus da ist.

Versuche, sich mit der Kunst in der DDR auseinanderzusetzen, gab es in der Vergangenheit immer wieder, sei es auf Einzelausstellungen mit Werken prominenter DDR-Künstler, sei es in Untersuchungen über die Bedingungen der Kunstproduktion im anderen Teil Deutschlands. Die Berliner Ausstellung mit Leihgaben aus vielen Sammlungen will nun einen ausgewogenen kunsthistorischen Rückblick auf ein wichtiges Kapitel der deutschen Kunst des 20. Jahrhunderts geben.

"DDR-Kunst" - gab es sie wirklich, und wie sah sie aus? Begriffe wie sozialistischer Realismus kennt heute fast jedes Kind, aber gab es auch andere Bildthemen als Motive aus der Arbeitswelt? Anhand von über 400 Werken von mehr als 130 Künstlern und Künstlerinnen aus den Gattungen Malerei, Zeichnung, Collage, Skulptur, Fotografie und Film zeigt man, was trotz einer offiziellen Kunstdoktrin an Bleibendem entstehen konnte.

"Eingeschlossenheit und Fernweh, Freund-Feind-Denken, Konformität und Individualität, Utopie und deren Scheitern" nennt Bettina Schaschke, wissenschaftliche Museumsassistentin in der Neuen Nationalgalerie, die Themen der Maler und Bildhauer in der DDR. "Das eigentlich Schwierige, aber auch das Interessante an einer Beschäftigung mit in der DDR entstandener Kunst ist, daß sich sowohl die ,offizielle' als auch die ,inoffizielle' Kunst diesen Themen - aus unterschiedlichem Blickwinkel - widmete ... Die Ausstellung zeigt das Bewahren der bürgerlichen Traditionen vom Im- pressionismus bis zum Expressionismus, die Fortsetzung der abstrakten Kunst (Informel und Konstruktiv konkret) und die Versuche verschiedenster Künstler, die vom SED-Staat als formalistisch diffamierte Moderne - von Picasso über Beckmann bis hin zu Léger - mit sozialistischen Bildthemen zu verbinden". So seien selbst Impulse von Dada und Surrealismus bis hin zur Pop- und Mail-Art aufgenommen und eigenständig verarbeitet worden.

Zur Ausstellung wurde erstmals der Gesamtbestand der Nationalgalerie an Gemälden und Skulpturen von Künstlern aus der DDR katalogisiert (E. A. Seemann, Leipzig. 312 Seiten, 340 farbige und 285 sw Abb., geb. mit CD-ROM zu in der DDR arbeitenden Künstlern, die in der Sammlung durch vor 1945 entstandene Werke vertreten sind, 39,90 Euro). Neben den Abbildungen enthält der Katalog von Fritz Jacobi, Kustos der Nationalgalerie, auch kurze Biographien der Künstler sowie Anmerkungen zu einigen Werken. Die Zeichnungen sind nicht enthalten, befinden sie sich doch heute im Kupferstichkabinett. Neben den mittlerweile auch im Westen allseits bekannten Künstlern wie Mattheuer, Sitte, Heisig, Tübke oder Metzkes finden sich in der Sammlung auch Werke der Königsberger Renate Göritz, Jürgen Kukowsky und Peter Makolies oder des Rastenburgers Waldemar Grzimek, der Pommern Harald Hakenbeck, Bernhard Heiliger, Hans Kies oder Ernst Schroeder.

"Die Sammlung der Nationalgalerie", so Jacobi, "ist in ihrer Gesamtheit von einer gewissen Schwere geprägt. Darin mag sich auch etwas von deutscher Mentalität spiegeln, es zeigt aber auch die ernste Auseinandersetzung mit elementaren Lebensfragen, die sich gerade angesichts einer umfassend einwirkenden Gesellschaftsordnung besonders nachdrücklich stellten." Wenn auch die Zensur meist sehr streng und der Kunstbetrieb repressiv war, so läßt doch "der überwiegende Anteil der in einem Zeitraum von fast einem halben Jahrhundert geschaffenen Werke eigene, von selbständiger Weiterführung der Traditionen geprägte Wege mit überraschenden künstlerischen Handschriften deutlich werden, die zur Beschäftigung mit einer Malerei und Bildhauerkunst anregen können, deren Grundtendenz etwas anders gelagert ist als die der im westlichen Deutschland entstandenen Kunst". Und so mögen denn Ausstellung und Bestandskatalog von besonderem Wert sein, eben diese Unter-schiede zu erkennen und zu verstehen.
Silke Osman

Ernst Schroeder: Berliner Menagerie

(Öl, 1956)

Sabina Grzimek: Mutter und Kind (Bronze 1976/1981); die Künstlerin ist die Tochter des Rastenburgers Waldemar Grzimek

Waldemar Grzimek: Artisten II

(Bronze, 1956)

Fotos (3): Katalog