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11.10.03 / Wie doch die Zeit vergeht / Große Schauspieler erinnern sich an ihre Kindheit und die ersten Schritte auf der Bühne

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 11. Oktober 2003


Wie doch die Zeit vergeht
Große Schauspieler erinnern sich an ihre Kindheit und die ersten Schritte auf der Bühne

Kinderjahre sind die längsten", schrieb Harald Juhnke in seiner Biographie "Die Kunst ein Mensch zu sein" (Herbig, 1980). Darin erinnerte er sich an seine Jahre als Heranwachsender, der eine große Klappe hatte und andere gern herumkommandierte. Gern erzählte er auch "Räuberpistolen", erfundene Geschichten, wie er sich bei einem "Überfall" heldenhaft gewehrt habe etwa. Die Kameraden staunten und bewunderten ihn. Kein Wunder, daß ein Lehrer auf die Idee kam, aus Harry, so hieß er damals noch, würde gewiß einmal ein Schauspieler ... "Ich glaubte ihm kein Wort. Blödsinn, dachte ich, was versteht so'n Pauker davon?"

Zum ersten Mal dem Theater begegnete Tilla Durieux, die große Darstellerin auf Berliner Bühnen, als sie noch ein sehr kleines Wiener Mädchen war. Die Eltern nahmen sie mit in eine Ballettaufführung: "Noch heute sehe ich die Sprünge der Tänzer und Tänzerinnen vor mir, dann kam ein böser Dämon, schlank und schwarz, und in mir war ein Zittern, ein Krampf und ein Würgen in der Kehle, das ich heute noch in manchen Sekunden erleide."

Tilla war ein verträumtes, verspieltes Kind damals, das es liebte, zu tanzen und Theater zu spielen. "... auf der obersten Galerie des Burgtheaters ... war mir in seltenen feierlichen Abenden die stürmische Gewißheit geworden, daß ich dort unten alles, was ich ersehnte, finden könne." Die Prüfung bei einem Burgschauspieler bestand sie ohne große Mühe, doch als sie der Mutter von ihrem Vorhaben erzählte, schlug diese ihr ins Gesicht - fassungslos.

Berta Drews, die spätere Frau von Heinrich George und Mutter von Götz George, war als Kind nicht ganz so verträumt wie Tilla. Die Tochter eines musikliebenden Ingenieurs aus Memel und einer Pommerin wuchs bei Mutter und Großmutter in Stettin auf. Auf dem mit alten Bäumen bewachsenen Hof der Wohnung stand auch eine Laube. Dort trafen sich manches Mal zwei Schwestern, um Zither zu spielen und zu singen.

"Nie hatte ich so etwas Wundervolles gehört!", erinnerte sich Berta Drews. "Ich schnappte vieles auf und trällerte Melodien vor mich hin. So überraschte ich Großmutter eines Tages mit dem Vortrag von Adeles Lied aus der ‚Fledermaus': ‚Mein Herr Marquis, ein Mann wie Sie ...' Großmutter starrte mich durch ihre Brille an. Sie fürchtete wohl das Schlimmste für mich ..."

Nach Posen, Berlin und Danzig führte der frühe Lebensweg Rosa Albach-Rettys. Ihr Weg zum Theater war von den Eltern her nicht allzu sehr mit Dornen gepflastert, war doch der Vater selbst Schauspieler. Rosa aber wollte Pianistin werden, nachdem sie Clara Schumann hatte spielen hören. Als sie jedoch eines Abends hinter der Bühne auf ihren Vater wartete, bekam sie eine kleine Rolle, die sie am nächsten Morgen vorspielen sollte. ",Das kann ich doch gar nicht!' sagte ich zu meinem Vater auf dem Heimweg. Josef Kainz, der uns begleitete, beruhigte mich: ‚Du wirst sehen, Rosi, es ist gar nicht so schwer. Du mußt dich nur in die Situation hineindenken. Einfach das spielen, was du empfindest!'" Und wenn es auch ein turbulentes Leben war, so fühlte sich das Kind Rosa doch umhegt und geliebt von ihren Eltern.

Ganz anders ihre Enkelin Romy Schneider, die in ihren Tagebuchnotizen aus den Jahren 1951/52 klagte, wie wenig Zeit ihre Mutter, die Schauspielerin Magda Schneider, für sie hatte und wie schwer ihr der Aufenthalt im Internat fiel. "Wenn es nach mir ginge, würde ich sofort Schauspielerin werden. So wie Mammi. Aber mit ihr habe ich noch nie darüber gesprochen. Darüber spricht man bei uns zu Hause gar nicht."

Von Tilla Durieux und Rosa Albach-Retty bis hin zu Romy Schneider und Harald Juhnke - ein bunte Reihe von Schauspielermemoiren, die noch bunter wird durch Kindheitsschilderungen von Johannes Heesters, der eigentlich Priester werden wollte, von O. W. Fischer und Carl-Heinz Schroth, von Hilde Krahl und Brigitte Mira, von den Geschwistern Maria und Carl Schell, von Tony Curtis und Christine Kaufmann, Sonja Ziemann und Liselotte Pulver, Gunther Philipp und Bruni Löbel. Nachzulesen in dem bei Langen Müller von Bernhard Struckmeyer herausgegebenen Band Kinder wie die Zeit vergeht - Große Schauspieler erinnern sich an ihre Kindheit (336 Seiten mit 46 sw Abb., geb. mit Schutzumschlag, 19,90 Euro). Ein Buch zum Schmökern, voller Humor und Originalität, das auch Einblick gibt in verschiedene "Kindheiten" in zwei Jahrhunderten. Spannend zu lesen und auch informativ für alle Film- und Theaterfreunde, schließlich weiß Struckmeyer, worüber er schreibt. Der Berliner, der seit 1964 in München lebt, hat Theaterwissenschaft studiert und selbst an Bühnen in Hamburg, Berlin, Stuttgart und München gearbeitet. Als Autor hat er dann später Themen zum Theater und Biografien beliebter Darsteller aufgegriffen. Os

Rosa Albach-Retty: Feierte Erfolge auch am Wiener Burgtheater, so 1905 in "Die Liebe höret nimmer auf" von Otto Ernst, und war die Großmutter von Romy Schneider

Foto: aus dem besprochenen Buch

Romy Schneider: Von der beliebten Darstellerin der "Sisi" entwickelte sie sich zur noch heute verehrten Charakterschauspielerin Foto: Archiv