Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 11. Oktober 2003 |
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Fragwürdige Karriere Biographie über Vincenz Müller, den Soldaten in vier Armeen Peter Joachim Lapp zeichnet in seinem neuen Buch "General bei Hitler und Ulbricht. Vincenz Müller - eine deutsche Karriere" den einzigartigen beruflichen Werdegang eines deutschen Offiziers, der als Fahnenjunker im Ersten Weltkrieg diente, wie in der Weimarer Republik, den Hitler zum Chef des Generalstabs seiner Armee beförderte und der später in der DDR zum Chef des Hauptstabes der NVA aufstieg! In sowjetischer Kriegsgefangenschaft trat Vincenz Müller, der Offizier in vier Armeen, allzuschnell dem prosowjetischen "Nationalkomitee Freies Deutschland" bei und erklärte sich auch zur Spitzeltätigkeit gegenüber seinen bisherigen Kameraden bereit; ob er sich davon primär persönliche Vorteile versprach, es Angst vor einer Verurteilung als "Kriegsverbrecher" war oder er ein Deutschland nach Kriegsende an der Seite Moskaus für erstrebenswert erachtete, ist schwer zu beurteilen. Jedenfalls vertrauten ihm die Sowjets, und 1948 gehörte er zu den ersten Ex-Wehrmachtsgenerälen, die in die Ostzone Deutschlands entlassen wurden. Dort lehnte er die Westorientierung der Bundesrepublik ab, vertrat die Deutschland-Politik des Kremls und bemühte sich im Rahmen der Parteiarbeit, frühere Wehrmachtsoffiziere für ein unabhängiges Gesamtdeutschland zu begeistern. Dennoch war er nach damaliger Einschätzung im Westen in jenen Jahren "weder Kommunist noch Marxist, sondern ein deutscher Patriot zwischen allen Stühlen, der sich Illusionen über die aktuelle Politik hingab". Doch im Zuge des Aufbaus der DDR-Streitkräfte wurde er wieder Generalleutnant und später sogar Stellvertreter des Verteidigungsministers. Die Stasi verpflichtete ihn als Spitzel, um ihn andererseits selber von seiner nächsten Umgebung "beschatten" zu lassen. Tatsache ist aber ebenso, daß Vincenz Müller bereits ab Frühjahr 1950 über einstige Kriegskameraden immer wieder der Organisation Gehlen (dem späteren BND) überaus wichtige Informationen zuspielte. Die geheimnisumwittert gebliebenen Treffen des NVA-Generals mit dem damaligen Bundesfinanzminister Schäffer 1955 und 1956 in Ost-Berlin führten zu Gesprächen mit dem Sowjet-Botschafter Puschkin - von ihm glaubte man nämlich, er sei an einem neutralen Gesamtdeutschland mehr interessiert als an der DDR. Müller gab sich dabei äußerst offen, so daß Ulbricht ihm später massiv mit einem Hochverrats-Prozeß drohen konnte. Müllers Mandat in der DDR-Volkskammer erlosch mit Ende der Wahlperiode, er wurde nicht einmal wieder aufgestellt. In der Führung seiner eigenen Partei wurde er zusehends nur noch geduldet. Die weitere Folge war sein endgültiger Bruch mit dem SED-Regime. Was bis heute sogar allen DDR-Experten unbekannt blieb: Im März 1961 wollte er mit seinen Angehörigen nach West-Berlin flüchten, doch unmittelbar vor der (damals noch offenen) Grenze gab er auf - wahrscheinlich fehlte es ihm an Kraft, erneut in eine "andere Welt" überzusiedeln. "Zuletzt war er innerlich genauso zerrissen wie das Land, in dem er lebte", mutmaßt sein Biograph. Im Mai 1961 beging Vincenz Müller Selbstmord. Die Medien in der DDR meldeten den Tod nur beiläufig, die wahren Umstände wurden verschwiegen. Friedrich-Wilhelm Schlomann Peter Joachim Lapp: "General bei Hitler und Ulbricht. Vincenz Müller - eine deutsche Karriere", Ch.-Links-Verlag, Berlin 2003, geb., 286 Seiten, 24,90 Euro |