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18.10.03 / "Untote": Echt Plastik - oder?

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 18. Oktober 2003


"Untote": Echt Plastik - oder?
Gunther von Hagens Gummierungen in Hamburg - Würdelose Profithascherei 
von Karl P. Gerigk

Es ist nicht mehr die Ästhetik des Grauens oder des Ungewöhnlichen - schon gar nicht medizinische Anschauungskunde, wenn der nicht habilitierte und nicht berufene sich so nennende "Professor" von Hagens menschliche Gliedmaßen, Beinteile, ganze Körper jetzt in der Hamburg Innenstadt, auf der Straße, präsentiert.

Nein - nicht nur im "Museum of Erotic Art" kann man sich fragen, welche menschliche oder unmenschliche Perversion Hagens - übrigens der "Adelstitel" ist ebenso nicht echt und eigen, sondern angeheiratet und mehr "künstlicher" Name als Künstlername - ansprechen will. Der geneigte oder geschockte Betrachter konnte die "Exponate des Plastinationskünstlers" auf der Reeperbahn bewundern, dort, die Damen mögen den Ausdruck verzeihen, wo Huren ihre Dienste für 30 Euro aufwärts anbieten.

Nicht der Preis ist billig, sondern das Sujet: Der ARD-Sender Mitteldeutscher Rundfunk berichtete am 10. März in Fakt über die Machenschaften des Herrn Hagens: "Nach unseren Recherchen bei verschiedenen Gemeinden, bei verschiedenen Staatsanwaltschaften gibt es heute keine einzige Einwilligungserklärung, die unseren Ansprüchen genügt, die also einen klaren Zusammenhang herstellen würde zwischen der Einwilligung einer Sterbeurkunde und einem Plastinat. Insoweit - nach wie vor - es liegen keine Einwilligungen - vor", so Wilfried Blume-Beyerle, Kreisverwaltungsreferent in München.

Menschen, die noch nicht tot sind und auch keinesfalls ihre Zustimmung gaben, nach ihrem Ableben als Plastikfigur irgendwo zwischen Baby-Doll-Bar und Maso-Center ausgestellt zu werden, werden von Hagens, der Namen ist dennoch Programm, gemustert und für plastiniertauglich befunden. So wurden von dem Heidelberger Präparator Leichen bei der russischen Armee und in China in Anzahl vorbestellt. Diese wurden ihm dann zugeschustert, teils aus Gräbern und Leichenhäusern gestohlen bzw. gekauft, ganz nach seinen Wünschen ausgesucht und per Zug über Weißrußland nach Heidelberg - o Jugendbrunnen - überführt. Ob die Leichen schon welche waren, als Hagens diese bestellte? Eine Frau aus Moskau mußte erfahren - so die ARD-Sendung - daß der Leichnam ihres kranken Mannes, eines ehemaligen Armeesoldaten, bestellt war, als dieser noch gar nicht im Sterben lag. Weder sie noch ihr Mann selbst hatten die Zustimmung gegeben, ihn zu einer Plastikstatue machen zu lassen. Aufgefallen ist die Menschenschieberei, als die Frau auf einem Bild der Ausstellung die Tätowierung ihren Mannes auf der Haut wiedererkannte. Sie ließ das vermeintliche Grab öffnen und fand den Sarg ihren toten Mannes leer. Daraufhin schrieb sie Hagens an. Dieser zog dem Plastinat die Haut ab, entnahm Zähne und Kiefer, legte Schweinsleder auf und vergoldete Teile, so daß die Leiche nicht mehr zu identifizieren war. Jetzt ist sie ganz verschwunden.

Wie viele solche geraubten Leichen - man möchte nicht daran denken, daß gegebenenfalls diese erst dazu gemacht wurden, weil sie Hagens besonders gut gefielen - stehen in seiner Ausstellung oder sind in seiner "Requisite"? An sich ist es pietät- und würdelos, Männer mit erigiertem Penis oder schwangere Frauen auszustellen. Wie kommt es bei den Möglichkeiten der heutigen Medizin dazu, daß eine Frau und ihr Kind im fünften oder sechsten Monat sterben - ohne äußere Einwirkung? Die Fragen werden von den Besuchern der Ausstellung nicht offen gestellt - aus Schock oder aus gleichgültiger, pervertierter Belustigung?

Haben sie den Film "Anatomie I" gesehen? Der Film beschreibt das Vorgehen einer antihippokratischen Clique, die genau solches tut. Nicht der medizinische Eid, sondern perverse Neigungen stehen hier im Mittelpunkt. Wie würden sich solche Plastinate in Buchenwald oder Auschwitz machen? Die Darstellungen haben, wie alle renommierten und hippokratisch gebildeten Mediziner bestätigen, keinen medizinischen Lehrwert, weder für Medizinstudenten noch für die Bevölkerung, der über eine gute Anatomievorlesung oder ein entsprechendes Lehrbuch hinausginge.

Diese öffentliche Zurschaustellung menschlicher Körper ist in dieser Form Leichenschändung und in diesem Sinne ein Straftatbestand - dennoch: nichts gegen würdevolle Dar- und Ausstellung menschlicher toter Körper. In diesem Sinne ist die Aussage Hagens' durchaus nachzuvollziehen: "Ein Plastinat zu sein ist ehrenhafter als verbrannt zu werden."

Präparate zu medizinischen Zwecken gibt es seit Jahrhunderten - und Mumien seit Jahrtausenden -, doch aus entgegengesetztem, oft religiösem Motiv - nicht aus Profitgier!

Sicher möchte uns Herr Hagens, nach seinen Ableben, mit der detaillierten Präsentation seines Körpers Einblicke in seinen Magen und Darmtrakt eröffnen. Es ist nur schade, daß prinzipiell der Geisteszustand an der Form und Deformation von Gehirnen nicht ohne weiteres abzulesen ist! 

Gummierung: Ein junges Mädchen betrachtet die "Plastik" einer jungen Frau im Hamburger "Museum of Erotic Art". Foto: körperwelten