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18.10.03 / Als Vater jung war

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 18. Oktober 2003


Als Vater jung war
von Margit Knopke

Der Wunschtraum meines Vaters Alfred Schütz war es, Färbermeister zu werden. Er war überglücklich, als er einen Studienplatz an der Textilschule in Sorau/Niederlausitz bekam. Sehr zum Unbehagen seiner Mutter. "Ach Junge, so weit und allein in der Fremde! Wie soll das gut gehen? Da hast du niemanden, der sich um dich kümmert!" jammerte sie. Alfred blieb bei seinem Vorsatz und packte seine Sachen. Alfred fühlte sich frei, ein junger Mann, der nun sein Leben selbst in der Hand hatte. An Ort und Stelle suchte er ein Gasthaus zur ersten Übernachtung. Am nächsten Tag machte er sich auf die Suche nach einer Studentenbude. Bald fand er etwas, das ihm zusagte. Die Wirtin schien recht freundlich, bis Alfred einen Mitstudenten zum gemeinsamen Lernen mitbrachte, da kamen die "Vorschriften". "Kein Besuch im Zimmer! Rauchen verboten! Alkohol verboten! Ab 20 Uhr muß das Licht gelöscht werden!" Und da Alfred dies nicht zu befolgen gedachte, schrieb die Wirtin einen Beschwerdebrief an seine Eltern.

Die Mutter bedauerte den armen Jungen. "Ich habe doch geahnt, daß Alfred nicht allein in der Fremde fertig wird! Ach wäre er nur hier geblieben! Er hätte doch etwas anderes lernen können!" Der Vater hörte sich alles geduldig an. "Weißt du, Mutter, ich werde morgen hinfahren und nach dem Rechten sehen. Wer weiß, was der Junge angestellt hat! Sicher wird sich eine Lösung finden." Damit war die Mutter zufrieden, setzte aber hinzu: "Am besten wäre es, du bringst den Jungen wieder nach Hause!" Aber der Vater lächelte und dachte sich seinen Teil.

Vater Schütz war in Sorau angekommen, ließ sich mit einer Pferdedroschke zu der genannten Adresse fahren und freute sich, seinen Sohn überraschen zu können. Die Wirtin aber begutachtete ihn zunächst skeptisch von oben bis unten und fragte: "Schon wieder empfängt der Junge Besuch? Ich dulde keine Fremden bei meinen Mietern!" - Vater Schütz klärte die Frau auf und ließ sie reden. Es hatte ohnehin keinen Zweck, ihren Redeschwall zu unterbrechen. Die erste Pause nutzte der Vater dann für einen Einwurf: "Ich möchte jetzt mit meinem Sohn sprechen." - "Sie kennen nun ja meine Meinung über die jungen Leute, ich bitte Sie, Ihren Sohn über meine Wünsche zu unterrichten", entgegnete die Alte noch mürrisch. "Ja! Auf Wiedersehen, ich weiß, was ich zu tun habe!" Dann lagen sich Vater und Sohn in den Armen, als hätten sie sich eine Ewigkeit nicht gesehen. "Vater, wie wunderbar, daß du gekommen bist. Die Wirtin läßt mich nicht ausziehen. Sie sagt, ich müßte die ganze Studienzeit hier wohnen bleiben!" - "Nein, mein Junge! Das mußt du nicht. Aber bei diesem Drachen bleibst du keinen Tag länger!"

Der Vater lachte. "So, mein Junge, jetzt gehen wir in die Stadt und werden sicher eine vernünftige Wirtin mit Zimmer für dich finden!" Sie hatten Glück. Noch am gleichen Abend konnte Alfred in seine neuen Studentenbude einziehen. Er brauchte nur seine Sachen zu packen und seiner jetzigen Wirtin die sofortige Kündigung auszusprechen. "Das kommt überhaupt nicht in Frage!" rief diese. "Entweder Sie bleiben die ganze Studienzeit hier wohnen oder Sie bezahlen die ganze Miete!"

Der Vater zahlte die nächsten 14 Tage und keinen Groschen mehr. "So, mein Junge! Jetzt brauchen wir beide eine Pfeife zur Beruhigung", schmunzelte der Vater. Alfreds Kleidung war schnell zusammengepackt. Danach wurde geraucht. Aber nicht "normal". Der Vater sagte: "Diese ,nette' Wirtin müssen wir ärgern! Und das machen wir so! Die Pfeife nicht normal rauchen, sondern in den Tabakkopf reinblasen. Da kommt aus dem Mundstück schöner gelber Rauch raus." Er machte es vor. "So ist es richtig. Und jetzt setzen wir uns schön nah ans Fenster, damit die Gardinen gelb werden!" Er lachte, daß sein Bäuchlein hüpfte.

Vater und Sohn verließen danach dieses ungastliche Haus, kauften unterwegs noch Wein und bezogen Alfreds neue Unterkunft. Der Vater durfte sogar auf dem Sofa im gleichen Zimmer übernachten. Sie schliefen nach dem Weingenuß fest und tief bis in den nächsten Mittag hinein. Der Vater stellte nur fest: "Das Zimmer ist kalt." - "Ja Vater, kein Wunder, du hast dich ja auf die Steppdecke gelegt, anstatt dich damit zuzudecken!" - "Junge, Junge, das war der Wein!" Der Vater lachte: "Aber nichts davon zu Hause der Mutter erzählen!" Alfred grinste übers ganze Gesicht: "Vater, jetzt haben wir ein Geheimnis." - "Ja, mein Junge, Männer müssen zusammenhalten."