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18.10.03 / Oberschlesien: Welle der Polemik

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 18. Oktober 2003


Oberschlesien: Welle der Polemik
Deutsche Zeitung soll mundtot gemacht werden
von Christian Bartsch

Seit Ende September sieht sich die im schlesischen Annaberg herausgegebene Zeitung Unser Oberschlesien massiven Vorwürfen ausgesetzt. Angesichts der nach wie vor schwierigen Lage der deutschen Oberschlesier mutet es paradox an, daß diese Vorwürfe ausgerechnet aus den Reihen der Minderheitenvertreter stammen. So, als ob es keine anderen Probleme gäbe, wurde ein haarsträubender Medienkrieg angezettelt.

Der deutsche Sejmabgeordnete Henryk Kroll fühlte sich veranlaßt, die deutschsprachige Zweiwochenschrift beim polnischen Verfassungsschutz anzuzeigen. Auch der bundesdeutsche Verfassungsschutz müsse das Blatt beobachten, forderte Kroll in der Warschauer Tageszeitung Rzeczpospolita.

Unser Oberschlesien verfolge eindeutig "rechtsextreme Tendenzen", ließ der Abgeordnete verlauten, der zugleich Vorsitzender des Bezirksverbandes der "Sozialkulturellen Gesellschaft der Deutschen" (SKGD) in Oppeln ist. Die Zeitung "veröffentlicht an Neonazismus grenzende Artikel" und torpediere die deutsch-polnischen Beziehungen, so Kroll.

Letzteres mutet schon insofern unglaubwürdig an, als ihr gleichzeitig aus landsmannschaftlichen Kreisen in Westdeutschland immer wieder eine "zu polenfreundliche Haltung" unterstellt wird.

Henryk Krolls Fazit ist ebenso simpel wie falsch: Unser Oberschlesien sei extrem und gefährlich und müsse verboten werden, damit die deutsch-polnischen Beziehungen keinen Schaden nähmen.

Doch längst nicht alle Deutschen in Oberschlesien teilen seine Ansichten. Der ehemalige Oppelner Bezirksabgeordnete Hubert Beier bezeichnete das Annaberger Blatt in der Nowa Trybuna Opolska als eine kritische und völlig unabhängige Zeitung. Dies sei auch der eigentliche Grund für die "unredliche Medienkampagne".

Unser Oberschlesien provoziere gern zur Diskussion, betonte Beier, aber es berichte "objektiv über die schwierige Situation in Oberschlesien und in der Minderheit sowie über Themen, die in der Verbandspresse totgeschwiegen werden".

Vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Stimmungslage in der Republik Polen, die dadurch geprägt ist, daß infolge der Debatte um das Zentrum gegen Vertreibungen überall antideutsche Ressentiments wach werden, fallen die Behauptungen aus der Vorstandsetage der SKGD auf fruchtbaren Boden.

In den letzten drei Wochen nahmen sich die wichtigsten polnischen Zeitungen und Fensehsender bereitwillig des Themas an und veröffentlichten Interviews mit Kroll. Das Gespräch mit den Beschuldigten - allen voran dem in Görlitz wohnenden Verleger Theisen - suchte bislang jedoch niemand.

Die vom Minderheitenverband gestreuten Gerüchte wurden immer skurriler. Ein Fernsehjournalist berichtete am 8. Oktober, man habe ihm "gesteckt", daß in Görlitz gegen den "Neonazi" Theisen wegen "Verfassungsbruchs" ermittelt werde, und ein Warschauer Zeitungsredakteur erkundigte sich bei der Verwaltung der Neiße-Stadt, ob die "Information" stimme, daß Theisen in der Görlitzer Synagoge ein "rechtsextremes Zentrum" einrichten wolle.

Das Streitobjekt Unser Oberschlesien gehört wie das Monatsmagazin Schlesien heute dem Senfkorn-Verlag, der 1998 von Alfred Theisen gegründet wurde. Vor drei Jahren kaufte es der frühere Bundestagsmitarbeiter dem Wiesbadener Chmielorz-Verlag ab, der die Zeitung als Mitteilungsblatt der Landsmannschaft der Oberschlesier seit 1951 verlegt hatte.

Der Wahlschlesier Theisen verfolgt seitdem ehrgeizige publizistische Ziele. Unser Oberschlesien wendet sich nämlich nicht mehr nur an die Vertriebenen und Ausgesiedelten, die heute in der Bundesrepublik Deutschland leben, sondern zugleich an die heimatverbliebenen Oberschlesier sowie heute dort lebende Polen.

Das Vorhaben ist ein mutiger Spagat, den acht ehrenamtlich tätige Journalisten im Bundesgebiet und in Oberschlesien zu bewerkstelligen versuchen. In der auch äußerlich gut gemachten Zweiwochenschrift wird über aktuelle deutsche, polnische und oberschlesische Themen aus Politik und Wirtschaft berichtet sowie über oberschlesische Kultur und Geschichte.

Die Redaktion des Blattes, das laut Gazeta Opolska "die größte deutschsprachige Zeitung Polens" ist, hat ihren Sitz im Wallfahrtsort Annaberg. Dort wird die Zeitung hergestellt und gedruckt.

Zwar schweigt sich der Verlag über die Auflage von Unser Oberschlesien aus. Branchenkenner schätzen die Zahl der in Oberschlesien verkauften Exemplare aber auf 3000-4000. Das wären deutlich mehr Leser als bei der SKGD-Verbandszeitung Schlesisches Wochenblatt, die angeblich tausend Exemplare im Kioskverkauf absetzt.

Herausgeber Theisen reagierte auf die Attacken empört: "Das ist eine Schmutzkampagne, gegen die wir uns mit journalistischen und rechtlichen Mitteln zu wehren wissen." Nach dem Motto ‚Wer nicht für mich ist, ist gegen mich' versuche Kroll alles niederzumachen, was ihm nicht in den Kram passe.

Ein früheres Opfer solcher Intoleranz sei der angesehene Professor Gerhard Bartodziej. Viele Jahre lang war dieser Präsident des "Verbandes der deutschen Gesellschaften in Polen". Als er aber Ende der 90er Jahre laut darüber nachdachte, die bundesdeutschen Fördermittel mehr zur Erhaltung der Identität und Kultur statt für Wirtschaftsprojekte einzusetzen, habe Kroll eine verlogene Stasi-Kampagne in Gang gesetzt.

Joachim Stebel, ein gefürchteter Kritiker der Kulturpolitik im Minderheitenverband, will Kroll sich "erst einmal austoben lassen". Der Königshütter wertet die Attacken aus dem Vorstand als "böswilligen Versuch", die neu entflammten antideutschen Töne zu mißbrauchen, um die letzte deutlich vernehmbare kritische Stimme innerhalb der Volksgruppe auszuschalten.

Bereits seit drei Jahren mahnen die meist jungen Autoren von Unser Oberschlesien eine Reform der deutschen Organisationen an. "Der Oppelner Bezirksverband ist seit zehn Jahren kein deutscher Kulturverband mehr, sondern eine Partei, in der Karrieristen den Weg nach oben suchen", kritisiert Stebel.

Weiter mahnt er: "Die Jugend will mit der Minderheit nichts mehr zu tun haben. Der Oppelner Verband hat in den zehn Jahren 150 000 Mitglieder verloren. Kaum ein Bezirksvorstandsmitglied beherrscht die deutsche Sprache. Da muß man fragen, warum das so ist, auch wenn man als Nestbeschmutzer angefeindet wird."

Seit Jahren beschäftigen die innerverbandlichen Intrigen, Streitigkeiten und Korruptionsvorwürfe die polnischen Lokalmedien. Die Annaberger Zeitung steht mit ihrer Kritik an der SKGD also keineswegs allein da.

Kroll und dessen Gefolgschaft reagierte schon länger gereizt. In Versammlungen örtlicher Minderheitenvereine soll zum Boykott des Blattes aufgefordert worden sein. SKGD-Mitglieder berichten, ihnen sei gedroht worden, mit Unser Oberschlesien bloß nicht zusammenarbeiten. Anzeigenkunden erklären, man habe versucht, sie mit Rechtsextremismus-Vorwürfen von Unser Oberschlesien abzuwerben.

Wer die ganze Absurdität dieser Kampagne erkennen will, sollte selbst einen Blick in Unser Oberschlesien oder Schlesien heute werfen.

Henryk Kroll: Nicht wenige Oberschlesier kritisieren den Vorsitzenden der "Sozialkulturellen Gesellschaft der Deutschen" in Oppeln als intolerant und machtbesessen
Foto: Archiv