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© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 25. Oktober 2003 |
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Versöhnungsarbeit über den Gräbern Bundeswehrreservisten restaurierten mit polnischen Kameraden den deutsch-russischen Soldatenfriedhof "Jägerhöhe" Der erste Arbeitstag! Nach dem Wecken und Frühstück erfolgt um 8.30 Uhr der Abmarsch der acht Bundeswehrreservisten unter dem Kommando von Oberstleutnant Otmar Mengels von ihrem Hotel in Angerburg zum Soldatenfriedhof "Jägerhöhe" mit seinen Gräbern für 344 deutsche und 234 russische Opfer des Ersten Weltkrieges. Eine Viertelstunde später werden sie dort von Karolina Kladko vom örtlichen Denkmalschutzamt und Josef Narel vom Baubetrieb Narel begrüßt. Kurze Zeit später trifft auch Krzystof Piwowarczyk ein, der ebenfalls dem Denkmalschutzamt angehört, gut deutsch spricht und mit den Deutschen den Arbeitsablauf bespricht. Nachdem aus Angerburg elf polnische Soldaten von der "1. Mazurska Brygada Artylerii" mit ihrem Kommandoführer, Oberleutnant Krzystof Drabik, hinzugestoßen sind, werden Spaten, Metallbürsten und weiteres Arbeitsgerät verteilt - und dann wird es "ernst". In gemischten deutsch-polnischen Gruppen werden die alte Grasnarbe im äußeren Ring ausgehoben und zu großen Haufen aufgeworfen sowie die Grabsteine abgewaschen und gereinigt. Zwischendurch gibt es Besuch durch den Vorsitzenden des Stadtrates, der die Soldaten zu einem Abendessen am See einlädt, mit dem der Tag ausklingt. Der zweite Arbeitstag beginnt mit dem Reinigen der liegenden Grabsteine und dem Nachritzen der Gravuren sowie deren farblicher Hervorhebung durch besondere Stifte in schwarzer Farbe. Um 9.25 Uhr trifft die Denkmalschutzmitarbeiterin Karolina Kladko in Begleitung eines Feuerwehrbeamten ein, um sich von dem Abbau des etwa zehn Meter hohen Friedhofskreuzes ein Bild zu machen. Um 12.40 Uhr folgt eine Mannschaft der Feuerwehr, um das Kreuz ordnungsgemäß abzubauen, was auch technisch einwandfrei gelingt. Als jedoch das bereits zu etwa zwei Drittel morsche Kreuz auf dem Boden aufschlägt, zerfällt ein Großteil in eine Unzahl von Ein- zelstücken und Holzmehl. Bevor die Feuerwehr wieder abzieht, beseitigt sie noch zwei abgestorbene Kiefern und einige tote Äste aus anderen Bäumen. Am darauf- folgenden Tag nimmt das Arbeitskommando die am Vortage begonnenen Arbeiten wieder auf und weitet sie auf den äußeren Ring mit den Grabsteinen aus. Mittels eines Baggers wird die bereits am ersten Arbeitstag mit den polnischen Soldaten zusammengeworfene Alterde auf einen Lastwagen geladen und mit mehreren Fuhren abtransportiert. Am vierten Arbeitstag werden die an den Vortagen begonnenen Arbeiten mit Nachdruck nun auch im Innenkreis in Angriff genommen, denn die Männer wollen die vorgesehenen Arbeiten zügig erledigen. Als Erschwernis erweist sich dabei, daß bei einigen Grabsteinen wegen Verwitterung die Inschrift rekonstruiert werden muß. Ansonsten wird an diesem Tage neuer Mutterboden geliefert, der mit dem Bagger über die Friedhofsmauer an verschiedenen Stellen in größeren Haufen verteilt wird. Eine Gruppe von Frauen verteilt diese neue Erde, damit danach die Einsaat mit Rasensamen erfolgen kann. Wegen der kühlen Witterung, die mit leichtem Nieselregen und starkem Westwind einhergeht, holen zwei Bundeswehrsoldaten heißen Tee vom Hotel. Nach der Rückfahrt von der Arbeit wird in der Stadt ein Kranz mit Schleife gekauft. Auch der fünfte Arbeitstag sieht das Arbeitskommando um acht Uhr beim Arbeitsbeginn. Nur noch wenige Grabsteine sind zu überarbeiten, so daß nunmehr auch andere Arbeiten erledigt werden. Zunächst muß ein völlig zertrümmerter und verwitterter Stein in diffiziler Kleinarbeit aufgear-beitet werden. Gleichzeitig gehen mehrere Soldaten daran, den inneren Weg "in Form zu bringen". Die Rasenkanten werden mit einer Schnur austrassiert und dann entsprechend abgestochen sowie die Gehfläche von Unkraut gesäubert. Währenddessen wird am äußeren Grabkreis der neue Mutterboden durch den Bagger flächengerecht verteilt und durch eine Gruppe von Frauen für die nachfolgende Rasensaat gleichmäßig verteilt, nachdem zuvor an der Wegrandkante mit Latten die Nivellierungshöhe festgelegt worden war. Der Rasen des mittleren Grabkreises wird durchgeharkt, um Steine, kleine Äste und so weiter zu entfernen. Außerdem wird das Karree um das große Friedhofskreuz von Unkraut gesäubert, und ein Trupp befaßt sich mit der Entmoosung der Friedhofsmauern. Auf der Rückfahrt wird vor dem Feierabend noch das an der Marschstrecke liegende sowjetische Ehrenmal besucht. Als die Soldaten am sechsten Arbeitstag auf dem Friedhof eintreffen, wartet dort bereits Josef Narel mit zwei Arbeitern. Es wird ein Steinpodest vor der zum See hin zeigenden Gedenktafel angelegt. Diese Arbeiten werden fachmännisch mit Bruchsteinen ausgeführt. Im Laufe des Vormittags kommen noch der Denkmalschutzamtsmitarbeiter Krzystof Piwowarczyk in Begleitung einer Architektin sowie das polnische Militär mit einem Werkstattwagen und einem Kompressor, um die notwendigen Schweißarbeiten an der Eisenhalterung des Kreuzes durchzuführen. Der Baubetrieb Narel läßt Rasen einsäen und anschließend walzen. Durch die Stadtverwaltung werden drei neue Kiefern gepflanzt. Auch am letzten Arbeitstag trifft das Kommando pünktlich um acht Uhr auf der "Jägerhöhe" ein. Unmittelbar danach erscheinen fünf polnische Soldaten mit ihrem Leutnant. Ihre Aufgabe besteht darin, die durch die Erdarbeiten entstandenen Unebenheiten außerhalb des Friedhofes zu beseitigen und Restholz zu verbrennen. Die anderen erledigen Restarbeiten. Mauern werden entmoost, Baureste werden entsorgt, Treppen werden gereinigt, der Parkplatz vor Treppen werden gereinigt, der Parkplatz vor dem Friedhof wird gesäubert und Rasen wie Wege werden nachgeharkt. Die Firma Narel läßt den Neurasen einwalzen, und ein Maurer umkleidet die neue Kreuzhalterung mit Bruchsteinen. Der Kommandoführer wird mit einem seiner Kameraden von Josef Narel eingeladen, mit ihm zwei weitere Soldatenfriedhöfe aus dem Ersten Weltkrieg zu besichtigen, die für einen Arbeitseinsatz in Frage kommen könnten; es handelt sich um die Friedhöfe Posessern und Strengeln. Eine entsprechende Meldung an den Volksbund in Kassel wird besprochen. Doch auch dem technischen Interesse der Soldaten wird Rechnung getragen. So fahren einige der Bundeswehrsoldaten mit dem polnischen Mannschaftswagen "Tarpan", während im Gegenzuge polnische Kameraden den aus der Bundesrepublik Deutschland mit-gebrachten Volkswagen "Iltis" testen. Zur Verabschiedung treten die polnischen und deutschen Soldaten vor dem Eingangstor des Friedhofes an. Der polnische Kommandoführer überreicht jedem deutschen Soldaten eine Erinnerungstafel der 1. Mazurska Brygada Artylerii, und der deutsche Kommandoführer heftet jedem polnischen Soldaten eine Anstecknadel "Bezirksgruppe Köln/ Aachen" an. Mit einem dreifachen "Hipphipphurra" werden die polnischen Kameraden verabschiedet. Nach dem Verladen der Geräte findet sich das Arbeitskommando zu einem Gedenkappell vor der seeseitigen Gedenktafel ein. In wenigen Sätzen geht der Kommandoführer auf die Versöhnungsarbeit ein, danach wird der Kranz durch zwei Kameraden niedergelegt. Nach einer Schweigeminute verlassen alle Kameraden tief bewegt den Ort, an dem sie mit voller Hingabe ohne jede Einschränkung ihr Können und ihre Arbeitskraft für eine Versöhnungsaufgabe eingesetzt haben. Nach Einnahme des Mittagessens auf der "Jägerhöhe" verläßt das Arbeitskommando nunmehr endgültig dieses Fleckchen Erde - denn am nächsten Morgen geht es zurück in die Bundesrepublik -, und ein jeder von ihnen ist still und gefaßt. EB Gruppenbild mit Kreuz: Deutsche und polnische Soldaten auf dem Soldatenfriedhof "Jägerhöhe" vor dem gemeinsamen Arbeitseinsatz. Das Holzkreuz im Hintergrund existiert inzwischen nicht mehr. Während des Einsatzes stellte sich bei der planmäßigen Demontage nämlich heraus, daß es bereits zu zwei Dritteln morsch war. Zur Ersetzung durch ein neues kam es während des Soldateneinsatzes nicht mehr, doch sagte die örtliche Verwaltung zu, dieses nachzuholen. Foto: Mengels "Zu den Stiften!" statt "Zu den Waffen!": Mit schwarzen Spezialstiften wird die Beschriftung auf den Grabsteinen nachgezogen Foto: Mengels |