Als Brunhilde Helwig vor einigen Jahren einen Bericht von einem jüdischen Mann, der vor Schulklassen vom Holocaust berichtete, wobei er die Großeltern der Schüler als "braune Scheiße" bezeichnete, in der Zeitung las, platzte ihr der Kragen. Verärgert griff die damals 88jährige zu Stift und Papier und begann ebenfalls für junge Menschen, ihre Sicht der Zeit des Nationalsozialismuses zu schildern.

"Warum Millionen Adolf Hitler vertrauten" nannte sie dann auch ihr gerade einmal 128 Seiten umfassendes, dafür aber besonders aussagekräftiges Buch. Ihre Begründungen, warum so viele Menschen ohne Schuldgefühle Adolf Hitler zujubelten, sind ungewöhnlich schlüssig. Während Heerscharen von Historikern in umständlichem Wissenschaftsdeutsch darüber rätseln, wie die Masse der Deutschen Hitler folgen konnte, nennt Brunhilde Helwig Situationen aus ihrem eigenen Erleben und zieht daraus grundsätzliche Schlußfolgerungen, die einen äußerst wichtigen Aspekt hervorheben: Sie geht auf die Gefühlslage und das Weltbild der Menschen damals ein.

",Gut' und ,Böse' sind eben relative Werte. Das hat schon der Apostel Paulus gesagt. Aber den Willen, gut zu sein, nennt er das Entscheidende. Es ist deshalb schwer und problematisch, Menschen zu verurteilen, die unter gänzlich anderen Idealen lebten, als wir heute anerkennen. Wir jungen Menschen waren damals zu gedankenlos und unerfahren, um das Gefährliche in der Ideologie Hitlers gleich zu erkennen."

Die inzwischen 90jährige ehemalige Lehrerin Brunhilde Helwig hat mit "Warum Millionen Adolf Hitler vertrauten" einen Zeitzeugenbericht abgeliefert, den vor allem die junge Generation lesen sollte, damit sie nicht blindlings ihre Großeltern verurteilt, ohne die Hintergründe zu kennen. R. B.

Brunhilde Helwig: "Warum Millionen Adolf Hitler vertrauten", VGB Verlag, Steegen 2003, broschiert, Großdruck, 128 Seiten, 8,50 Euro