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08.11.03 / Schweiz gerät in die Schusslinie

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 08. November 2003


Schweiz gerät in die Schusslinie
Probleme mit Israel und der Türkei

Das unter Schweizer Ägide erzielte "Genfer Übereinkommen" zwischen israelischen und palästinensischen Unterhändlern (vgl. Folge 44/2003) wurde inzwischen von der EU-Kommission als "sehr positiver Beitrag" gewertet. Die "Roadmap" bleibe jedoch das einzige offizielle Mittel, das die volle Unterstützung der EU genieße.

Daß Sharon und Co. mit dem Genfer Übereinkommen auch gleich die Schweiz wegen ihrer Gastgeberrolle heftig attackieren, kann wenig überraschen. So hat die neutrale Schweiz mit den Krisenherden dieser Welt eben nicht nur indirekt zu tun, also über die im Lande ansässigen internationalen Organisationen und vor allem das Rote Kreuz, sondern sie gerät zuweilen auch direkt in die Schußlinie.

Der in der Schweiz selbst höchst umstrittene Publizist Jean Ziegler, der durch seine Kritik an den Schweizer Banken ungewollt zum Helfershelfer fremder Interessen in der "Nazi-Gold"-Affäre wurde, steht - dessen ungeachtet - ebenfalls unter heftigem Beschuß aus Israel: Er ist nämlich derzeit Uno-Berichterstatter für Ernährungsfragen. Nach einer Inspektionsreise in die von Israel besetzten Gebiete schreibt er, die palästinensische Bevölkerung dort stehe vor einer Katastrophe und die Verantwortung dafür liege weitestgehend bei der Besatzungsmacht.

Die israelische Uno-Vertretung beschuldigt Ziegler daraufhin der Einseitigkeit, und insbesondere hält sie ihm seine Mitarbeit bei einem israelisch-palästinensischen Informationszentrum in Tel Aviv vor - so einseitig darf man nun wirklich nicht sein.

Mit Israels engstem Verbündeten im Nahen Osten, mit der Türkei, hat die Schweiz ebenfalls ihre Nöte. Da hätte Anfang Oktober eine Delegation in die Türkei reisen sollen, aber die Schweizer Außenministerin Micheline Calmy-Rey wurde von der türkischen Regierung überraschend ausgeladen. Die Begründung dafür blieb unklar. Einerseits war ein Kurzbesuch in der Kurdenstadt Diyarbakir geplant. Andererseits hatte das Parlament des Kantons Waadtland kurz zuvor den Völkermord an den Armeniern offiziell anerkannt.

Daß die Türkei das Geschehen von 1915 nicht als Völkermord ansieht, soll nicht etwa die Einmaligkeit des Holocaust unterstreichen, sondern die Türken wollen eben keine Täter sein, auch wenn dabei eineinhalb Millionen Armenier ums Leben kamen. "Holocaust" im Sinne von Völkermord wurde übrigens erstmals von einem französischen Journalisten gebraucht und war bezogen auf die armenische Tragödie.

Mittlerweile präsentiert sich die Affäre noch um einiges komplexer: Die türkische Zeitung Hürriyet berichtete, daß Calmy-Rey deswegen ausgeladen worden sei, weil sie sich in der Schweiz mit einem Kurdenvertreter getroffen habe. Und das Treffen sei vom türkischen Auslandsgeheimdienst überwacht worden.

Jetzt herrscht erst recht diplomatische Verwirrung. Aber sollte man sich nicht auch in anderen Ländern fragen, warum so wenig über türkische Agententätigkeit zu hören ist?

Wer hat denn in Europa ein Interesse daran, daß dieses Thema fast völlig totgeschwiegen wird? R. G. Kerschhofer

Schweizer Sorgen: Zur Zeit arbeiten Israel und die Türkei gleichermaßen gegen die Schweiz. Die Ernährungslage der Palästinenser in den von Israel besetzten Gebieten wird von dem Schweizer Uno-Berichterstatter als katastrophal bezeichnet und Israel ermahnt, dies zu ändern, zudem kümmert sich die Schweizer Außenministerin Micheline Calmy-Rey um die Kurden. Foto: dpa