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08.11.03 / Jahrestagung der Historischen Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung im Kaschubischen Institut

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 08. November 2003


Stürmische Zeiten für die Danziger
Jahrestagung der Historischen Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung im Kaschubischen Institut

Danzig vom 15. bis 20. Jahrhundert" lautete das Thema der diesjährigen Jahrestagung der Historischen Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung, die in Verbindung mit dem Kaschubischen Institut (Instytut Kaszubski) durchgeführt wurde. Die Referate der Tagung behandelten Aspekte der Geschichte Danzigs durch alle Epochen und unter den verschiedensten Blickwinkeln. So stellte Anette Löffler (Leipzig) die mittelalterlichen Handschriften der Danziger Marienbibliothek vor, der Bibliothek der Danziger Hauptkirche. Einbindung in die Bibliotheksentwicklung und ständiger Blick auf vergleichbare Bibliotheken, auch auf die, die der Deutsche Orden ab dem 14. Jahrhundert in seinen Komtureien einrichtete, machten die Bedeutung der Marienbibliothek mit ihren rund 245 mittelalterlichen Handschriften aus dem 11. bis 15. Jahrhundert deutlich, unter denen Schriften theologischen Inhaltes die größte Gruppe bilden.

Der mittelalterlichen Geschichte war auch der quellennahe Vortrag von Wieslaw Dlugokeski (Marienburg) gewidmet, der Danzigs Beziehungen zur Stadt Marienburg zur Zeit des Preußischen Bundes und des 13jährigen Krieges untersuchte. Er zeichnete das Bild einer fest zum Orden stehenden Stadt, deren Vertreter den Tagfahrten des Preußischen Bundes fernblieben, was der Stadt den Boykott ihres Jahrmarktes durch Danzig bescherte. Mit der Burg kam auch die Stadt Marienburg 1457 unter die Oberhoheit des polnischen König. Als die Stadt 1458 dem Deutschen Orden die Tore wieder öffnete, blieb die Burg von Truppen des Preußischen Bundes besetzt und wurde so zum Teil der Belagerung der Stadt unter Danziger Führung. Es endete 1460 mit der Übergabe der Stadt Marienburg und der Hinrichtung der Bürgermeister.

Ernst Manfred Wermter (Mönchengladbach) wandte sich der Geschichte des Königlich Polnischen Preußen um 1500 zu, wollte sein Referat als Diskussionsbeitrag, als lautes Nachdenken verstanden wissen auf der Basis des Quellenschatzes der Ständetagsakten. Er unterstrich den disparaten Charakter des westlichen Teils der terrae Prussiae, in dem königliche Güter neben Adelsgütern, Städten, Klöstern und Bischofsland lagen, eine Divergenz, die die Schwierigkeiten bei den Landtagsdiskussionen über Landes- oder Gerichtsordnungen erklärt. Deutlich wurde auch der Einfluß Danziger Ratsherren, deren Stadtregierung sich meist als gut informiert erwies.

Der Handelsmetropole galten Andrzej Groths (Danzig) Ausführungen zu Schiffahrt und Flotte Danzigs im 17. Jahrhundert. Die Jahre zwischen 1570 und 1696 sahen einen Anstieg von Schiffszahl und Tonnage um das Elffache. Besonders die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts war eine Zeit guter Konjunktur. Die große Nachfrage Westeuropas nach Rohstoffen und neutralen Transporteuren bewirkte den Umschlag vom passiven zum aktiven Handel Danzigs und das Wachstum der Flotte, vor allem der Zahl großer Schiffe, wie Seebriefe, unverzichtbare Quellen der maritimen Geschichte Danzigs, zeigen. Auch belegen sie soziale Veränderungen wie den Wandel des Skippers vom Miteigentümer zum Angestellten des Reeders.

"Über den Umgang mit der Stadtbefestigung" in Danzig berichtete Wolfgang Deurer (Wesel), einem Gesamtbauwerk, das die Entwick-lung der Kriegstechnik über die Jahrhunderte widerspiegelt. Ab 1343 war unter dem Deutschen Orden eine erste Mauer errichtet worden. Bis 1487 baute man an einer an Artillerieabwehr angepaßten Befestigung. Nach der Belagerung durch den polnischen König Stefan Bátory 1577 entstand ein neues Befestigungssystem mit 19 Bastionen, das im 17. Jahrhundert vollendet wurde. Wie überall behinderten die Fortifikationen die stürmische Stadtentwick-lung des 19. Jahrhunderts, was zu ersten Niederlegungen beim Bau der Ostbahn 1859 und zur weitgehenden Beseitigung am Ende des Jahrhunderts führte. Dieselbe Zeit entdeckte aber auch den Denkmalcharakter des Bauwerks, und die touristische Nutzung der verbliebenen Reste ist Herausforderung und Chance zugleich für die künftige Stadtentwicklung.

Den "ersten Danzigern" galt der Beitrag von Józef Borzyszkowski (Danzig) über "Die Kaschuben und Danzig", die autochthone slawische Bevölkerung Hinterpommerns und Pommerellens, die - so der Referent - zwischen Deutschen und Polen wie zwischen Hammer und Amboß geriet und heute eine gemeinsame Geschichte von evangelischen Kaschuben (Slowinzen) und katholischen Kaschuben sucht. Galten sie Polen als suspekt, weil sie kein Polnisch sprachen, so mißtrauten ihnen Deutsche ob ihres Slawischseins. Für diese waren sie Kindermädchen und Stallknecht, für jene die exotischen Bewohner einer schönen Gegend. Erst die heutige Zeit erkenne die Möglichkeit an, daß die Bewohner des Landes mehrsprachig sein könnten, ohne den Vorwurf des Separatismus auf sich zu ziehen, dem inzwischen sogar in der Liturgie Rechnung getragen werde. Die Stellung der Kaschuben thematisierte ebenfalls Cesary Obracht-Prondzyúski (Danzig), der sie zwischen polnischer Kultur und deutscher Zivilisation verortete. Für ihn stellt die Reformation ein einschneidendes Ereignis dar, weil sie die Kaschuben teilte und die protestantischen in Pommern aus der gemeinsamen Geschichte ausschied. Hier seien die Kaschuben den Sorben vergleichbar. Protestantische Kirche, Schule und Militär führten zu ihrer Germanisierung, zumal das Deutsche Voraussetzung für sozialen Aufstieg war. Eine Gegenbewegung brachte erst der Kulturkampf, der als Prozeß der Aufklärung sogar eine Rückbewegung zur eigenen Sprachlichkeit bewirkt habe.

In die neueste Danziger Geschichte begab sich Lutz Oberdörfer (Greifswald) und porträtierte die Stadt vor dem Ersten Weltkrieg im Spiegel ihrer Presse. Dabei entstand das Bild einer Stadt, die aus Schwierigkeiten zu Prosperität fand. Im 19. Jahrhundert durch die Probleme Ostelbiens behindert - geringe Bevölkerung, mangelnde Innovations- bereitschaft, zögernde Banken - brachten Staatsinvestitionen einen Umschwung. Stichworte sind Niederlegung der Stadtbefestigung, Bau des Hauptbahnhofs, Stadterweiterung. Die Entwicklung eines Nahverkehrsnetzes begünstigte die Entstehung der City und ermöglichte die Bewältigung kommender Verkehrsströme. Die Dynamik der demographischen Entwicklung belegt der Umstand, daß im Jahre 1905 nur 45 Prozent von Danzigs Bewohnern in der Stadt geboren waren. Das Bürgertum wanderte zunehmend nach Langfuhr und Zoppot aus. Da so Steuern wegbrachen, förderte die Stadt neue Einnahmemöglichkeiten, etwa den Tourismus, und trug neben staatlichen, saisonalen Maßnahmen so zum Erfolg einer nur geringen Arbeitslosigkeit in der rapide wachsenden Stadt bei. Marek Andrzejewskis (Danzig) Abriß der Geschichte der Danziger Neuesten Nachrichten (DNN) (1894-1944) bot Einblick in die Zeitungsgeschichte der Stadt. Ab dem frühen 17. Jahrhundert gab es sie an diesem zentralen Kommunikationsort, an dem die 1848 gegründete Danziger Zeitung für ein halbes Jahrhundert wichtigstes Blatt war, bis 1894 die DNN aus der Taufe gehoben wurden. Unter der Ägide von Gustav Fuchs kam mit einer Startauflage von 22.000 ein gemäßigt konservatives Blatt auf den Markt, das den neuen Typus des Generalanzeigers verkörperte. Nach dem Ersten Weltkrieg war sie mit 86.000 Exemplaren die meistgelesene Zeitung im westpreußischen Raum und sprach sich gegen Versailles und gegen polnischen Einfluß in der Stadt aus. Die DNN blieben auch gegen die NS-Zeitung Danziger Vorposten das führende, auch im Ausland gelesene Blatt. Der Vorposten blieb als einzige Zeitung erhalten, als 1944 mit der kriegsbedingten Einstellung die DNN endeten.

Der Kirchenhistoriker Stefan Samerski (Leipzig/München) vermittelte zum Abschluß unter dem Titel "Divide et impera - der Nationalsozialismus und die Katholische Kirche in Danzig" einen bedrückenden Eindruck der kirchlichen Entwick-lung vor und nach 1933. Der Konflikt um polnischen Einfluß in der Stadt ging bis zur Opposition gegen die Einrichtung polnischer Personalpfarreien zur seelsorgerischen Betreuung Polnischsprachiger, die etwa zehn Prozent der 130.000 Katholiken im Bistum stellten. Hier setzte auch die NS-Agitation an und bezeichnete jede Form von Kompromißfähigkeit als landesverräterisch. Lösungsversuchen seitens Bischof O'Rourkes konnte es - erst recht nach Kriegsbeginn - nur noch um die Gewährleistung eines seelsorgerischen Mindestangebotes gehen. Es bleibt die bedrückende Feststellung, daß nicht einmal die bis zur physischen Vernichtung gehende Bedrohung durch das Dritte Reich den deutsch-polnischen Antagonismus innerhalb der katholischen Kirche Danzigs zu durchbrechen vermochte. Georg Michels

Zwischen 1570 und 1696 stieg die Zahl der Schiffe ums Elffache

Im Jahre 1905 waren nur 45 Prozent der Danziger hier gebürtig

Danzig: Eine Hansestadt mit einer bunten Geschichte Foto: Archiv