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15.11.03 / Wie die Konservativen nach der kommunistischen Salamitaktik scheibchenweise ruhiggestellt werden 

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 15. November 2003


"Und irgendwann erwischt es Euch"
Wie die Konservativen nach der kommunistischen Salamitaktik scheibchenweise ruhiggestellt werden 
von C. G. Ströhm

Wenn in dieser Herbstzeit der Volkstrauertag begangen wird, stellt sich im Gegensatz zu früheren Jahren unwillkürlich die Frage: Dürfen die Deutschen überhaupt ihrer Toten gedenken? Waren nicht auch die Gefallenen, Ermordeten, in Lagern Zugrundegegangenen allesamt Verbrecher? Die Diskussion wurde noch angeheizt durch den Fall zweier CDU-Bundestagsabgeordneter: Was Hohmann gesagt (und erst recht, was er nicht gesagt hat), darf als bekannt vorausgesetzt werden. Was sein Kollege Nitzsche über die Moslems sagte, denen eher die Hand "abfaulen" würde, als daß sie bei Wahlen ein Kreuz für die CDU machen würden, ist auf ebenso heftige Reaktionen gestoßen. Dabei fällt ein kleiner Widerspruch ins Auge: der eine wird als Antisemit oder gar Anti-Israeli bezeichnet, der andere als Anti-Moslem. Beide gelten als "böse", "rückständig" und "verdammenswert". Soll man also hinfort gleichzeitig Israel und die Moslems lieben? Da wäre eine gewisse Gelenkigkeit vonnöten. Es geht hier nicht um die Frage, ob der eine, andere oder alle beide recht oder unrecht haben. Zunächst einmal ist zu fragen, was in Deutschland die Meinungsfreiheit gilt. In allen wirklich demokratischen Staaten gilt das Prinzip, daß auch falsche Meinungen frei geäußert werden dürfen. Denn wer entscheidet, was richtig und was falsch ist?

Als das übliche mediale Ungewitter über die beiden Abgeordneten hereinbrach, mußten einige Begleit-erscheinungen Erstaunen, wenn nicht gar Befremden hervorrufen. Erstens: Niemand in der CDU oder CSU war verwundert und niemand in den einschlägigen Medien versuchte zu kalmieren, die Gemüter zu beruhigen oder gar ein Wort für den einen wie den anderen Abgeordneten einzulegen. Niemand meldete sich wenigstens besänftigend-mahnend zu Wort, als Bundes- verteidigungsminister Struck den in Afghanistan bewährten Kommandeur einer Elite-Einheit, den General Günzel, als "geistig verwirrt" bezeichnete. Das erinnerte an die Sprache, in der seinerzeit die Sowjets mit ihren Dissidenten umgingen: man erklärte sie einfach für verrückt und sperrte sie ins Irrenhaus. Ist das der Weg, Meinungsverschiedenheiten zu lösen?

Was immer der General an Sympathie für den Abgeordneten Hohmann gezeigt haben mochte, nichts rechtfertigt es, ihm die Ehre abzuschneiden. Insofern kann das Verhalten des Ministers nur größtes Befremden hervorrufen.

Zweitens: In beiden "Affären" meldeten sich in den Medien Kommentatoren und Moderatoren (nicht selten Moderatorinnen) zu Wort, die ziemlich schrill eine mediale Vorverurteilung aussprachen. Alle möglichen Leute äußerten sich über Hohmann und Nitzsche. Im letzteren Fall wurde sogar ein türkisches CDU-Mitglied bemüht, das seiner Empörung darüber Ausdruck verlieh, daß der Abgeordnete im kleinen Kreis gewagt hatte, daran zu zweifeln, daß Moslems CDU wählen könnten. Niemand kam auf die Idee, die Frage zu stellen, was ein gläubiger Moslem in einer christlichen Partei verloren habe? Ebensogut könnte man einen Gewerkschaftsfunktionär zum Präsidenten des Arbeitgeberverbandes ernennen oder umgekehrt. Was immer der "CDU-Türke" oder "christlich-demokratische Moslem" zu sagen hatte, viel interessanter und informativer wäre es doch gewesen, den "Delinquenten" selber zu Wort kommen zu lassen? Warum wurden weder Hohmann noch Nitzsche in einer der zahlreichen deutschen Talk-Shows gezeigt, damit man sich über sie selber ein Urteil bilden konnte? Nichts dergleichen: Der deutsche Medien- und Zeitungskonsument muß sich sein Urteil aus dem Filter der etablierten Medien und der "amtlich zugelassenen" Talk-Meister bilden. Wo bleibt da die Meinungs- und Informationsfreiheit?

Es mag ein Zufall sein, daß nacheinander zwei Unionsabgeordnete zum Handkuß kamen, wobei es beide Male recht seltsam zuging. Das Verhalten der Unionsparteien erinnert aber in fataler Weise an die sogenannte "Salamitaktik". Diese von den Kommunisten gern und oft erfolgreich praktizierte Vorgangsweise geht auf eine "Erfindung" des seiner- zeitigen ungarischen KP-Chefs Matyas Rakosi zurück. Dieser sagte, das bürgerliche Lager, das kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in Ungarn sehr stark war, gleiche einer Salami. Man könne nicht direkt hineinbeißen, weil man sich dann die Zähne ruiniere. Vielmehr müsse man Scheibe für Scheibe abschneiden, bis die Salami sich am Ende in Nichts aufgelöst habe. Rakosis Genossen suchten sich in der damaligen Kleinlandwirtepartei (die in Ungarn sehr stark war) und anderen nichtlinken Gruppierungen jeweils einen Politiker heraus, den sie als "Reaktionär" oder "Faschist" brandmarkten. Die Parteifreunde der jeweils "ins rechte Eck" gedrängten Personen wagten es nicht, ihnen beizuspringen, sondern distanzierten sich von ihnen, weil sie hofften, auf diese Weise ihre eigene Haut retten zu können. Am Ende aber kamen auch sie an die Reihe, und zum Schluß waren die ungarischen "kleinen Landwirte", die einst die politische Szene dominierten, nur noch ein trauriger Schatten ihrer selbst. Der Weg, Ungarn in eine kommunistische Volksrepublik zu verwandeln, war frei. Trotz aller Unterschiede in Zeit und Raum sollten die verantwortlichen Politiker der Unionsparteien sich genau überlegen, ob hier nicht mit ihnen allen ein Spiel gespielt wird, bei dem man die "bürgerlichen" oder "christdemokratischen" Kräfte zwingt, die Spielregeln und Verhaltensweisen der Gegenseite zu akzeptieren, sich also zu unterwerfen, wobei dann die andere Seite jene "andere Republik" anvisiert, von der einst sogar der Sozialdemokrat Karl Schiller gesprochen (und vor der er gewarnt) hatte.

Am schlimmsten wäre es, wenn aus diesen Debatten eine Atmosphäre des Konformismus, der Liebedienerei und der Furcht entstünde, wenn also die Menschen, wie in totalitären Systemen, Angst bekämen, frei und offen ihre Meinung zu sagen. Erinnert man sich an die zum Teil ins Hysterische abgleitenden Erscheinungsformen der seinerzeitigen "Kampagne gegen Rechts" und vergleicht man das mit den neuesten medialen Emotionsschüben, dann ahnt man schon, wohin der Hase läuft. Setzt sich diese Entwicklung fort, können nur CDU und CSU die Leidtragenden sein, denn wenn dann glücklicherweise alle "Rechten" und "Nicht-Linken" "entlarvt" worden sind, kämen konsequenterweise die übrigen kreuzbraven und konformistischen Unions- politiker an die Reihe. Der letzte "Faschist" ist immer jener, der übrigbleibt.

Eine vernünftige und zukunftsorientierte Politik sollte darauf hinwirken, die Hysterie und das "Jagdklima" abzubauen, die Gemüter zu beruhigen. Es ist auch für die in Deutschland lebenden Juden (und anderen Minderheiten) nicht gut, wenn in einer aufgeheizten Atmosphäre miteinander umgegangen wird. Wer am Fernsehen die Grundsteinlegung des Jüdischen Zentrums in München beobachtete, kann nur bedauern, daß das Ganze zeitweilig aussah wie eine belagerte Festung. Bei allem Verständnis für den bayerischen CSU-Innenminister Beckstein, der die Qualität seiner Polizeibeamten demonstrieren wollte, vielleicht wäre weniger auffälliges Auftreten in diesem Falle besser gewesen. Der Bundespräsident sprach von der Bundesrepublik als einem toleranten Staat, aber bereits im nächsten Satz sagte er, "deshalb werde man nicht zulassen, daß die Geschichte revidiert werde". Das aber bedeutet, konsequent zu Ende gedacht, daß in Deutschland eine "objektive" Geschichtsforschung kaum noch möglich ist, weil die Resultate der Forschung politisch vorgegeben werden. Mindestens ebenso seltsam war eine Formulierung des CDU-Generalsekretärs Meyer, der in einer Fernsehdis-kussion zum "Fall Hohmann" erklärte, Deutschland können, angesichts seiner Vergangenheit "gegenüber Israel nicht neutral sein". Und der Generalsekretär setzte dann noch einen drauf, indem er sagte: "Da lass' ich nicht mit mir reden."

Das heißt, daß die deutsche Politik einem unantastbaren Dogma unterliegen soll. Es mußte der Amerikaner Norman Finkelstein kommen, der seinen deutschen Mit- diskutanten sagte, er habe keinen Hinweis auf einen wachsenden deutschen Antisemitismus gefunden. Was da behauptet werde sei "reine Hysterie" - und nochmals sagte er im Zusammenhang mit der Hohmann-Debatte, dies alles sei "reine Hysterie", die nichts mit der Wirklichkeit des deutschen Volkes zu tun habe. Die Deutschen hätten nach der Erfahrung mit dem NS-Regime nicht eine einzigartige Verantwortung gegenüber dem Staat Israel, sondern sie hätten eine besondere Verantwortung gegen-über den Unterdrückten - nicht aber gegenüber Staaten.

Inzwischen läuft also gegen den Abgeordneten Hohmann die "Ausschlußmaschine" auf vollen Touren. Wie unbehaglich dabei den CDU-Spitzen zumute ist, ergibt sich aus Äußerungen der CDU-Chefin Angela Merkel, man sei um der "konservativen Wähler" willen verpflichtet, "eine Schneise zu ziehen". Offenbar sollen auf diese Weise die Konservativen in der CDU (soweit noch vorhanden) dazu veranlaßt werden, ja schön brav im "Pferch" zu bleiben. Es müßte allerdings auch der CDU-Vorsitzenden klar sein, daß mit dieser Behandlung Hohmanns, der im Grunde des "Gedankenverbrechens" beschuldigt wird, die Parole sehr bald lauten könnte: die Konservativen verlassen die CDU! Ist es das, was man erreichen wollte?

Es ist verhängnisvoll, wenn die CDU-Führung sich der Salamitaktik unterwirft, die ihr von ihren Gegnern in Politik und Medien aufgezwungen werden soll: das heißt, die Vorgaben der Gegenseite zu akzeptieren, sich widerstandslos jeweils einen der Linken mißliebigen Politiker aus den eigenen Reihen herausschießen zu lassen - und bei dessen "Liquidierung" noch Hilfsdienste zu leisten (in der - allerdings vergeblichen - Hoffnung, man selber werde verschont bleiben). Laut kommunistischer Salamitaktik, bei der jeweils Scheibe für Scheibe abgeschnitten wird, kommen alle an die Reihe.

Es geht hier nicht einmal mehr um die Frage, ob Hohmann und Nitzsche in der Sache recht hatten. Selbst wenn man Ihren Standpunkt nicht teilt, sollte man sich an das Wort des großen Voltaire erinnern, der zu einem seiner Gegner sagte: Ich werde Ihren Standpunkt bekämpfen, wo ich kann - aber ich werde gleichzeitig alles tun, damit Sie Ihre Meinung sagen können. dank des Einknickens der CDU, dank mangelnder Zivilcourage der sogenannten "bürgerlichen Politiker" haben sich die Unionsparteien in eine schreckliche Lage manövriert. In ihren Reihen hat sich niemand gefunden, der den Mut fand, das in einer solchen Situation Nötige zu tun: die Gemüter zu beruhigen statt aufzuheizen. Statt dessen werden Angst und stiller Groll produziert - sowie das Gefühl, daß es in Deutschland nicht ratsam ist, seine Meinung zu sagen. Meinungsfreiheit aber besteht darin, daß auch sogenannte "falsche" oder "verquere" Gedanken ausgesprochen werden können, ohne daß der Bürger um seine Existenz fürchten muß. Ist es wirklich nötig, im angeblich "freiesten Staat der deutschen Geschichte" das Wort Schillers zu zitieren: "Sire, geben Sie Gedankenfreiheit"?

Norman Finkelstein, US-Politikwissenschaftler, über den Fall Hohmann: "Diese ganze Debatte ist für mich ein billiges Streben nach Sensation, orchestrierte Hysterie."

Voltaire über seine Gegner:"Ich werde Ihren Standpunkt bekämpfen, wo ich kann - aber ich werde gleichzeitig alles tun, damit Sie Ihre Meinung sagen können."

Volkspartei auf Abwegen: Während unter Adenauer die CDU gleichermaßen wertkonservativ, nationalliberal und christlich-sozial war, wurde schon zu Kohls Zeiten der rechte Flügel verdrängt. Merkel offenbart nun anläßlich der Hohmann-Affäre, daß es für die Konservativen keinen Platz in der Union gibt. Foto: dpa