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© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 15. November 2003 |
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Ordinäre Goldsucht Für das Edelmetall schreckten die Konquistadoren vor Mord nicht zurück Auch wenn Michael Woods Thema tragisch ist und er dem Leser tausend Furchtbarkeiten zumutet, so bereitet die Lektüre dieses Text- und Bildbandes, in bester angelsächsischer Tradition gestaltet, dennoch einen Hochgenuß. Der Journalist Wood erzählt spannend und anschaulich, gleichzeitig wissenschaftlich fundiert, das Ende altamerikanischer Indianerkulturen im 16. Jahrhundert, ohne zu vergessen, die schauerlichen, blutigen Ereignisse auch zu reflektieren. Wood reiste quer durch Mittel- und Südamerika, auf den "Spuren der Konquistadoren", jener grausamen spanischen Eroberer, die reife Hochkulturen genauso sinnlos vernichteten, wie boshafte Spaziergänger achtlos Sonnenblumen zertreten. Das Unmaß des Schreckens den schon Kolumbus nach Amerika einschleppte, erfassen viele Spanier noch immer nicht, denn Kenner der Iberischen Halbinsel stellen voller Entsetzen fest, daß zahlreiche spanische Straßen sogar heute noch nach "Konquistadoren" benannt sind! Die Eroberung der Neuen Welt, diese These vertritt Wood mit Recht, "war einer der bedeutendsten Sachverhalte in der Geschichte und zugleich einer der verheerendsten". Schon in der Frühphase der spanischen Invasion starben Millionen Ureinwohner, in Silberbergwerken zu Tode gequält, erschlagen, von Bluthunden zerfetzt und gefressen, Seuchen zum Opfer gefallen. Dennoch nimmt Wood keine Schuldzuweisungen vor oder bekundet Trauer. "Wir können nur versuchen zu verstehen." Warum konnten einige hundert Spanier machtvolle Imperien wie die Reiche der Azteken und Inkas innerhalb kürzester Frist ruinieren? Da ist zuerst die ungeheure Skrupellosigkeit und bestialische Raublust spanischer Eindringlinge zu nennen. "Blutgierige Barbaren", so erschienen den Indianern die ungebetenen Gäste des fernen Europa. "Gold, Gold und nochmals Gold!" lautete der penetrant wiederholte Schlachtruf. "Denn wenn man Gold hat", schrieb schon Kolumbus, "kann man in der Welt machen, was man will." Azteken und Inkas maßen dem Gold nur ästhetischen Wert bei und hielten die Goldsucht der Weißen für krankhaft. Wenig ist damit erklärt, daß Hernan Cortez die Azteken mit Waffen, die sie nicht kannten, verunsicherte, waren doch die Indianer in der Übermacht. Cortez war aber nicht nur ein simpler Haudegen, sondern er handhabte auch die Kunst der Diplomatie, die ihn befähigte, mexikanische Stämme, die unter der aztekischen Fuchtel stöhnten, heimtückisch zu umgarnen. Ohne die Hilfe einheimi-scher Kollaborateure, etwa der Indianerin Malinche, die als Dolmetscherin wertvollste Hilfe leistete, hätte Cortez das Aztekenreich schwer bezwingen können. Erst die "Malinches" ermöglichten verschiedenste Formen des Imperialismus. Aber die Hauptursache, die zum Untergang der Azteken führte, liegt in der Eigenart ihrer Kultur begründet, die dem prallen, unbelasteten Selbstwertgefühl der Spanier völlig widersprach. "Wir sind nicht so stark wie sie. Verglichen mit ihnen sind wir nichts", sollen Berater des Aztekenkönigs Montezuma geäußert haben. Leichtfertig gestattete der König den Einzug der Fremden in seine Hauptstadt Tenochtitlan. "Melancholie" und "Fatalismus" der Azteken erklären manche auch damit, daß sie glaubten, in Gestalt der Spanier sei der Gott Quetzalcoatl zurückgekehrt. Doch sollte man letzteren Aspekt laut Wood nicht zu scharf betonen, denn nach der Gefangennahme des Montezuma begann ein langer und harter Kampf um Tenochtitlan, bei dem die meisten Spanier getötet wurden. Jedoch war das Reservoir an Leuten wie Cortez und Pizarro unerschöpflich. Nicht minder dramatisch verlief der Untergang der Inkas. Athahulpa wollte sich nicht zum Christentum bekehren und warf die Bibel zu Boden. Daraufhin töteten Spanier "die unbewaffneten Inkas wie Ameisen". Alle Nachgiebigkeit rettete die Söhne der Sonne nicht; als der König den spanischen Invasoren nichts mehr nützte, ermordeten sie ihn. Gut beobachtet Woods "ein weiteres Dauerthema in allen Geschichten der Eroberung: Frauen als Beute ..." Solches mußte auch der letzte Inkakönig Manco erfahren. "Man urinierte auf ihn und schlief mit seinen Frauen, was ihn zutiefst quälte." 1536/37 kam es zu einem großen Aufstand der Inkas, der jedoch letztlich scheiterte. Die Differenz der beiden Kulturen erklärt den fragwürdigen Triumph der europäischen Imperialisten. An dieser Stelle hätte Wood die Analyse noch vertiefen können. Von sieben Schlössern der Tür öffnet Wood gewissermaßen nur sechs. Am Ende der sonst hervorragenden Reise nimmt er die letzte Kurve nicht ganz. Der Anspruch, die Welt zu vergöttlichen, das religiöse Grunddogma Europas, mündete in den Irrglauben, daß nur die europäische Kultur dazu bestimmt sei, die Menschheit zu erlösen. Folgerichtig sahen die meisten Europäer in den amerikanischen Ureinwohnern keine (vollwertigen) Menschen. Die Konquista stellt die Grundlagen der europäisch-abendländischen Kultur ins Zwielicht. Rolf Helfert Michael Wood: "Auf den Spuren der Konquistadoren", BBC, Verlag Reclam, Stuttgart 2003, 288 Seiten, 29,90 Euro |