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29.11.03 / Zwei Bonner Ausstellungen zeigen sehr unterschiedliche Kinderporträts

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 29. November 2003


Frage nach dem Schicksal
Zwei Bonner Ausstellungen zeigen sehr unterschiedliche Kinderporträts

Immer wieder erwecken die Bilder im Fernsehen Mitleid, wenn Opfer eines der vielen Kriege oder kriegerischen Konflikte, wie es oft auch verharmlosend heißt, gezeigt werden. Alte, Gebrechliche und Kinder sind es vor allem, die unsere Aufmerksamkeit verdienen. Unter den rund 20 Millionen Menschen, die das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) unterstützt, sind etwa die Hälfte Kinder und Jugendliche. Allein in den vergangenen zehn Jahren wurden rund zwei Millionen Kinder in bewaffneten Konflikten getötet, sechs weitere Millionen verwundet und eine Million Kinder wurden zu Waisen.

Der brasilianische Fotograf Sebastiao Salgado ist in den vergangenen sechs Jahren durch die Welt gereist und hat 43 Länder besucht. Bei diesen Besuchen hat er entwurzelte, aus ihrer Heimat vertriebene Menschen fotografiert. Entstanden sind auch eindrucksvolle Kinderporträts, von denen 90 nun in der Kunst- und Aus- stellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Friedrich-Ebert-Allee 4, 53113 Bonn, gezeigt werden (bis 1. Februar 2004). Die Ausstellung ist dienstags und mittwochs von 10 bis 21 Uhr, donnerstags bis sonntags von 10 bis 19 Uhr geöffnet. Zu sehen sind bewegende Schwarzweiß-Aufnahmen von Kindern, die nicht verstehen, warum man sie verfolgt, warum man ihnen Leid antut. Angst und Trauer, aber auch Hoffnung sind in diesen Gesichtern zu entdecken, "durch die man wie durch ein Fenster in ihre Seele blicken kann", so Salgado. "Manches. was man als Kind erlebt hat, erhält seinen Sinn erst nach vielen Jahren", hat der Schriftsteller Erich Kästner einmal gesagt. Wo aber soll der Sinn in Grausamkeiten und Elend liegen?

Fragend blicken auch manche der Porträtierten den Betrachter an, die man in der zweiten Präsentation der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland zu sehen bekommt: Kleine Prinzen. Gezeigt werden 85 Kinderbildnisse vom 16. bis 19. Jahrhundert aus der Fundación Yannick y Ben Jakober aus Mallorca (bis 4. Januar 2004). Die Bildnisse geben einen faszinierenden Einblick in die Kunst der Porträtmalerei in Mitteleuropa, Frankreich, Spanien und Italien und deren Entwicklung im Lauf der Jahrhunderte. Aus der ernsten Strenge der Darstellung wurden nach und nach Bilder voller Ausdruckskraft, die auch die Individualität des Porträtierten zeigen.

Die Anfertigung von Porträts war meist der reichen Oberschicht vorbehalten. Viele Bildnisse wurden in Auftrag gegeben, um bei der hohen Kindersterblichkeit dieser Jahre vorsorglich und manches Mal auch posthum eine Erinnerung zu haben. Andere wieder - vor allem beim Adel - dienten der Zukunftsgestaltung des Nachwuchses. Diese Porträts wurden angefertigt, um der Zukünftigen oder auch dem Zukünf- tigen zu zeigen, wie denn die "gute Partie" aussieht. Kinderporträts zur Anbahnung von Hochzeiten - oft genug gab es später ein böses Erwachen, wenn denn der Maler es zu gut gemeint hatte ... Um eine gute Erziehung zu demonstrieren, blicken die Kinder den Betrachter besonders ernst an, eine sorgfältige Kleidung ist selbstverständlich. Und so sieht man in diesen Konterfeis auch die Moden der früheren Jahrhunderte.

Bis weit in das 18. Jahrhundert wurden Säuglinge vom Hals bis zu den Füßen bandagiert, um so einen geraden Wuchs zu gewährleisten und die Kinder vor Verletzungen zu schützen. Eine nicht sehr hygienische Methode, da nur zweimal am Tag gewickelt wurde. Später wurden Mädchen wie Jungen gleichermaßen in Kleidchen gesteckt, so daß man auf den Porträts nur anhand des "Beiwerks" das Geschlecht erkennen kann: Mädchen tragen Ketten, Ohrringe oder eine Puppe, Knaben einen Männerhut auf dem Häubchen, einen Vogel, Waffen oder Spielzeug wie Trommel, Peitsche oder Steckenpferd. Ab dem siebten Lebensjahr wachsen die Jungen in einer Männerwelt auf, lernen auch Reiten und Tanzen, Fechten und Schießen. Die Mädchen müssen sich auf ihre zukünftige Rolle als Hausfrau und Mutter vorbereiten. Puppenhäuser und Handarbeiten helfen dabei. Mädchen galten damals schon mit 12 Jahren als erwachsen, Jungen erst mit 14. - "Die Porträts der kleinen Prinzen und Prinzessinnen, deren Leben oft etwas Märchenhaftes und Geheimnisvolles anzuhaften scheint, zählen heute zu den wenigen Zeugen ihrer Zeit", so Yannick Vu-Jakober im Katalog zur Ausstellung. "Sie führen uns eine hierarchische Welt vor Augen, die uns umso mehr berührt, als sie dem heutigen Empfinden völlig fremd ist. Aber in dem Blick jedes einzelnen dieser Kinder steht die Frage nach dem Schicksal, das sie als künftige Herrscher erwarten sollte - eine Frage, die uns nicht gleichgültig lassen kann."

Silke Osman

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