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29.11.03 / Im Wandel der Zeit: Der Adventskranz ist auch heute nicht wegzudenken

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 29. November 2003


Zeichen der Hoffnung und des Lebens
Im Wandel der Zeit: Der Adventskranz ist auch heute nicht wegzudenken

Es treibt der Wind im Winterwalde/ die Flockenherde wie ein Hirt/ und manche Tanne ahnt wie balde/ sie fromm und lichterheilig wird;/ und lauscht hinaus. Den weißen Wegen/ streckt sie die Zweige hin - bereit/ und wehrt dem Wind und wächst entgegen/ der einen Nacht der Herrlichkeit", rühmte Rainer Maria Rilke den Advent, diese Zeit der Heimlichkeiten, der frohen Erwartung, des Lichterscheins.

Wer hat sie nicht aus Kindertagen herübergerettet, die Erinnerung an wohlige Winterabende, wenn man im Kerzenschein beisammensaß, Nüsse und vielleicht auch sogar schon Marzipan knabberte, sich Geschichten erzählte oder einfach nur ein gutes Buch las. Das Haus wurde durchzogen von allerlei Wohlgerüchen, vom süßen Duft der Weih-nachtskekse, die gerade dem Ofen entnommen wurden, aber auch vom würzigen der Tannenzweige, die bereits das Wohnzimmer schmückten. Ein prächtiger Adventskranz mit vier roten Kerzen und ein paar roten Schleifen stand damals auf dem Tisch. Heute fallen die Kränze und Gestecke zum Avent viel aufwendiger aus als noch vor Jahrzehnten. Bizarre Zweige einer Korkenzieherhaselnuß, ein leuchtendroter Weihnachtsstern, bunte Glaskugeln, Gold- und Silberglanz aus der Spraydose, aber auch Äpfel und Nüsse, die Figur eines Weihnachtsmannes en miniature müssen es schon sein, um aus dem schlichten Adventskranz von damals eine kleine Attraktion fürs Auge zu machen.

Angefangen hatte alles 1839 in Hamburg. Da ließ der Theologe Johann Hinrich Wichern (1808-1881) zum ersten Mal Kerzen auf einem Adventskranz entzünden. 1833 hatte er begonnen, obdachlosen Kindern und Jugendlichen im Hamburger "Rauhen Haus" eine Heimat zu geben und einen Beruf zu erlernen. Im Betsaal ließ er zur Adventszeit ein hölzernes Rad am Kronleuchter aufhängen. 23 Kerzen schmückten dieses Rad - 19 kleine rote für die Werktage und vier große weiße für die Sonntage. Jeden Tag vom 1. Advent bis zum Heiligen Abend wurde eine Kerze entzündet. Erst einige Jahre später (vermutlich 1860) ging man daran, das Rad mit Tannengrün zu schmücken. Übrigens ein uralter Brauch, denn schon in vorchristlicher Zeit band man Stroh oder Tannengrün zu Kränzen, um die bösen Geister zu bannen. Die Kränze umwand man mit roten oder goldenen Bändern und hängte sie an die Türen. Zweige von Wacholder, Misteln oder Tannen galten als Symbol für ungebrochene Lebenskraft und sollten Haus und Hof vor Schaden bewahren. Kerzen sah man als Zeichen der Hoffnung. In der Adventszeit waren sie traditionell rot, als Sinnbild für das Blut, das Christus für die Menschen vergoß. Nach und nach verbreitete sich Wicherns Idee in Norddeutschland. Doch erst in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts fand der Adventskranz auch Anerkennung in der katholischen Kirche. Aus Platzmangel entschloß man sich bald, nur vier Kerzen für die Adventssonntage auf dem Kranz zu entzünden. Die für Kinder aufregendsten Wochen ohne Tannenschmuck, Kerzen und Adventskranz sind selbst in unserer modernen Zeit kaum denkbar, führt dieser Brauch uns doch zurück in die Welt der Wunder und Heimlichkeiten. Os

Gesteck zum Advent heute: Blüten und bizarre Zweige krönen diese Kreation Foto: BfH

Adventskranz damals: Kleine Kerzen für die Werktage, große für die Sonntage Foto: Archiv