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06.12.03 / "Attac" macht linke außerparlamentarische Opposition salonfähig 

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 06. Dezember 2003


Trojanisches Pferd der APO
"Attac" macht linke außerparlamentarische Opposition salonfähig 
von Pierre Campguilhem

Globalisierungsgegner aller Richtungen wollen sie sein, doch was sich Mitte November in Paris und in kommunistisch regierten Vorstädten der französischen Metropole versammelt hat, gemahnte eher an die Heerschau der internationalen Linken. Anlaß war das sogenannte "Europäische Sozialforum", das vergangenes Jahr in Florenz getagt hat und als eine Fortsetzung des Weltsozialforums verstanden werden soll.

Obwohl die Zahl der Teilnehmer an diesem zweiten europäischen Forum nicht sehr groß gewesen ist (ungefähr 50.000 Menschen), gewährten die französischen Medien diesem Ereignis breiten Raum. Die führende Wirtschaftszeitung Les Echos gab sogar eine 24seitige Sonderbeilage heraus. Aber nicht nur die Presse hieß die Tagenden auffallend herzlich willkommen. Sogar französische Staats- und Lokalbehörden subventionierten den Auftrieb. Von einem Gesamtaufwand von 3,4 Millionen Euro kamen mehr als 2,7 von der öffentlichen Hand. Als Grund für soviel Großzügigkeit vermutet der linksliberale Le Monde, die etablierten Parteien und Staatschef Jacques Chirac hätten die Hoffnung nicht aufgegeben, die Bewegung der Globalisierungsgegner für ihre eigenen Zwecke einspannen zu können.

Nicht bloß wegen der klaren Linksausrichtung des Forums, auch vor dem Hintergrund der mageren Ergebnisse einer oftmals chaotischen Diskussion könnte Chirac sich getäuscht haben. In Saint-Denis und Bobigny, das heißt in den beiden Haupttreffpunkten des Sozialforums, wurden derart viele verschiedene Themen durcheinander behandelt, daß sogar wohlgesinnte Beobachter von "Kakophonie" gesprochen haben. 1.500 Vereinigungen und Gruppen aller Art waren angereist. Das hört sich gewaltig an. Doch konnten sich die Forum-Teilnehmer nicht einmal auf ein Schlußkommuniqué einigen, so daß heute niemand mit Gewißheit sagen kann, was eigentlich beschlossen wurde.

Zumindest kristallisierten sich zwei Themenschwerpunkte heraus: die künftige europäische Verfassung und der Aufbau "einer Welt ohne Kriege". Am nächsten 9. Mai, dem Jahrestag der berühmten Rede des Politikers Robert Schuman 1950 (wo dieser der deutsch-französischen Annäherung mit öffentlichen Erklärungen in Mainz und Berlin den ersten großen Schub gab), soll dem Zeitplan zufolge die geplante europäische Verfassung von den Staats- und Regierungschefs der dann 25 Mitglieder der Europäischen Union in Rom unterzeichnet werden. Hier wollen die Globalisierungsgegner eine große Kundgebung veranstalten, um gegen das "neoliberale Anliegen" dieser Verfassung zu protestieren.

In Europa ist "Attac" gegenwärtig die bedeutendste Vereinigung der Globalisierungsgegner. Vor ein paar Monaten zählte diese Gruppe 5.000 Mitglieder, nach eigenen Angaben sollen es mittlerweile bereits 30.000 sein. Es handelt sich meist um linke Gewerkschaftler, die von den traditionellen linken demokratischen Parteien enttäuscht wurden und nach den Trotzkisten schielen. In einer Umfrage, die für die fran- zösischen Zeitungen Libération und L'Express durchgeführt wurde, verbergen die Sympathisanten von Attac und übrigen Globalisierungsgegner nicht, daß ihr Lieblingspolitiker der sozialistische Ex-Premierminister Lionel Jospin bleibt. Jospin begann seine politische Laufbahn einst in einer trotzkistischen Splittergruppe. Die Umfrage belegt, daß die französischen Globalisierungsgegner auch bei kommenden Präsidentschaftswahlen der Sozialistischen Partei (PS) treu bleiben werden, obwohl sie derzeit nicht viel von der Nummer zwei der Partei, dem ehemaligen Premierminister Laurent Fabius, halten. Deshalb ist es nicht erstaunlich, daß nach Presseberichten der Erste Sekretär der PS, François Hollande, einst enger Vertrauter Jospins, von seinen politischen Freunden ermutigt wird, sich wieder in den Vordergrund zu spielen.

Gestärkt von den Annäherungsversuchen zahlreicher Politiker, darunter auch von Anhängern des konservativen Präsidenten Chirac, ist die außerparlamentarische linke Opposition unter der Flagge von Attac salonfähig geworden. Attacs Vorsitzender, Jacques Nikonoff, der aus der Kommunistischen Partei Frankreichs (KPF) stammt, möchte seine Bewegung stärker in der Arbeiterschaft und der Jugend verankern. Die stark abgewirtschaftete KPF ist parallel bemüht, die Bewegung Attac für sich einzuspannen. Nach Ansicht eines langjährigen Mitglieds von Attac möchte Nikonoff seine Vereinigung in eine politische Lobbygruppe verwandeln, was im Einklang mit der kommunistischen Taktik stehen würde.

Die französische etablierte Linke, die sich bei der Präsidentenstichwahl 2002 gezwungen sah, für Chi-rac zu stimmen (die Alternative in der Stichwahl war Front-National-Chef Le Pen), präpariert sich bereits für den nächsten Urnengang.

Das diesjährige "Europäische Sozialforum" in Frankreich sollte hierfür die Reihen schließen helfen. In diesem Licht gesehen erwies es sich als Fehlschlag. Vielmehr wurde der Eindruck vermittelt, daß die französische Linke zwischen einer harten Linie und einem reformorientierten weiten Kurs hin- und herwankt.

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