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© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 13. Dezember 2003 |
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Ein Bonbon für Helmut Schmidt Erinnerungen an den inszenierten DDR-Besuch des damaligen Kanzlers vor 22 Jahren von Wilfried Böhm Altkanzler Helmut Schmidt wurde vor kurzem zum naßforschen Abkanzler, als er die angebliche "Wehleidigkeit" und "Jammerei" der Rentner zwischen Rügen und Thüringer Wald schlicht "zum Kotzen" fand. Der heute fast 85jährige Schmidt, der in seinen aktiven Jahren wegen seiner schneidigen und oft verletzenden Rhetorik den nicht unbedingt schmeichelhaften Spitznamen "Schmidt-Schnauze" erhielt, hätte gerade in dieser Woche allen Grund, sich an den Dezember vor 22 Jahren zu erinnern, als er bei seinem Besuch beim damaligen SED-Generalsekretär Erich Honecker von diesem vor den Augen der geteilten Nation mit einem Bonbon abgespeist wurde. Hatte Schmidt doch vom 11. bis 13. Dezember 1981 mit seinem Besuch am Werbellinsee dem Staatsratsvorsitzenden der DDR "einen Höhepunkt des internationalen Ansehens der DDR verschafft", wie das Neue Deutschland jubelnd verkündete. Besonders der im Rahmen dieses Besuches erfolgende Aufenthalt in Güstrow wurde zu einem bedrückenden Ereignis. Der gewaltige Apparat des Ministeriums für Staatssicherheit wurde in Gang gesetzt, und dessen Chef Erich Mielke erklärte: "Noch nie war ein so hoher Einsatz erforderlich, wie jetzt hier in Güstrow." Die ganze Stadt war in eine Festung verwandelt worden, während Schmidt und Honecker durch ein dichtes Spalier der Staatssicherheit zur Ernst-Barlach-Gedenkstätte dirigiert wurden, sorgfältig getrennt von der in den Häusern eingesperrten Bevölkerung. Jede "verdächtige Person", die den "Staatsbesuch" hätte stören können, wurde vorläufig von den Sicherheitskräften in Gewahrsam genommen oder am Besuchstag streng bewacht. Alles verlief genau nach Plan: Ausgesuchte Personen, denen genau gesagt worden war, was sie zu tun und zu lassen hätten, wurden an bestimmten Stellen so aufgestellt, daß ihnen Honecker und nicht Schmidt im Wagen zugewandt war und so der Beifall auf den Genossen Staatsratsvorsitzenden bezogen werden konnte. Auch der Besuch auf dem Güstrower Weihnachtsmarkt verlief genau nach Vorbereitung. Stasi-Mitarbeiter stellten die Besucher des Weihnachtsmarktes dar. Es war genau festgelegt, wer wann etwas sagen durfte. "Normale" Besucher des Weihnachtsmarktes wurden zwischen 13 und 14 Uhr durch die Volkspolizei des Marktes verwiesen. Auch der Besuch im Dom verlief genau nach dem Plan der Staatssicherheit, und der Bischof erhielt keine Gelegenheit, sich unter vier Augen bei Honecker zu beschweren, was er gern getan hätte. Triumphierend konnte Honecker später verkünden: "... bestimmten Kräften ist es einfach nicht gelungen, Güstrow zu einem neuen Erfurt zu machen ...", wo bekanntlich 1970 beim Besuch von Willy Brandt Menschenmengen dem Bundeskanzler zugejubelt hatten. Hatte bei der Ankunft Schmidts auf dem Flughafen Schönefeld Honecker sich kleinkariert für eine Pelzmütze entschieden, "um sie bei der Begrüßung nicht abnehmen zu müssen", gab es auch bei der Abreise eine bezeichnende Szene. Aus dem Fenster des abfahrbereiten Zuges plauderte Schmidt mit seinem Gastgeber und bekam vom Genossen Honecker ein bezeichnendes Abschiedsgeschenk. Reichte doch der Staatsratsvorsitzende vom Bahnsteig aus seinem Gast, der am offenen Fenster stand, ein Bonbon in den Zug. Schmidt nahm es gern und fügte - hinter hohler Hand - schmunzelnd hinzu: "Wird sozialisiert." Honecker lachte sich ins Fäustchen ob der feinen Kumpelhaftigkeit des Bundeskanzlers. Obwohl gerade während dieses Besuchs das Kriegsrecht in Polen verhängt wurde, was Schmidt nicht zur Abreise bewegen konnte, freute sich Klaus Bölling über das "konstruktive Treffen" und stellte zufrieden fest: "Es ist schon etwas Besonderes, was sich da zwischen den beiden Männern entwickelt hat." Immerhin: Das "Bonbon", wie der Volksmund das Parteiabzeichen der SED nannte, zeigte symbolisch, wie eine Hand die andere wäscht ... Dem Besuch Schmidts in der DDR folgte in den Jahren ein wahrer Besucherreigen von westdeutschen Politikern. Franz Josef Strauß vermittelte den Milliardenkredit, und Schmidt sagte über seinen Nachfolger Helmut Kohl: "Ich habe bei der Gelegenheit ja den Herrn Honecker zu einem Gegenbesuch eingeladen, zu dem kam es zu meiner Amtszeit ja nicht mehr. Der Gegenbesuch wurde in der Amtszeit von Helmut Kohl als Kanzler absolviert. Und Kohl hat ihn ganz groß als Staatsbesuch empfangen mit Tschingdarassabum, Soldaten und Ehrenkompanien und was weiß ich. Das hatte ich mir ja verbeten. Es hatte sich dann ja herausgestellt, daß mit der DDR nicht mehr so viel Staat zu machen war." Diese Darstellung Schmidts spricht für sich selbst. Das Bonbon von Güstrow hat der Altkanzler wie vieles andere verdrängt, wenn er jetzt die Mitteldeutschen mit beleidigenden Ausfällen überzieht. Man hätte Schmidt zumindest Spuren von Altersweisheit gewünscht und erwartet, daß er statt der Pflege von Vorurteilen gegen diese angeht, was wirklich große Männer auszeichnet. Aber zu denen gehört Schmidt offensichtlich nicht. Gut, daß Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus die Ausfälle Schmidts gegen die angeblich "wehleidigen Rentner" postwendend zurückgewiesen hat und feststellte, die Rentner seien vielmehr dankbar für die Entwicklung der letzten 13 Jahre. Schmidt jedoch hat Vorurteile bedient, von denen bekanntlich schon Einstein wußte, daß es "leichter sei, einen Atomkern zu spalten als ein Vorurteil". |