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© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 13. Dezember 2003 |
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EU-Verfassung: Verhandlungs-Poker Sprachenfrage bleibt weitgehend ausgeklammert von Martin Schmidt Ab dem 12. Dezember geht das Ringen um eine gemeinsame Verfassung der Europäischen Union in die entscheidende Runde. Dann werden sich die 25 beteiligten Staats- und Regierungschefs in Brüssel einigen müssen, oder - wie der britische Außenminister Straw lapidar anmerkte - das Leben geht eben ohne diese Verfassung weiter. Für einen Kompromiß müßte ein Berg strittiger Fragen überwunden werden. Zuvorderst die geplante Verschlankung der EU-Kommission von 20 auf 15 Kommissare (insbesondere kleinere Länder sowie die ostmitteleuropäischen Beitrittsstaaten wollen weiterhin, daß jedes Mitglied einen Kommissar stellen darf) sowie der Verzicht auf Vetorechte und die Einführung von Mehrheitsentscheidungen, genauer gesagt: Majoritäten von mindestens 60 Prozent der vertretenen Bevölkerungen. Hier stellen sich in erster Linie Spanien und Polen sowie Großbritannien und Irland quer, während die Bundesrepublik Deutschland im Zuge der 16 Monate dauernden Vorarbeit des EU-Konvents auf das ursprünglich geforderte Vetorecht bei der Zuwanderung verzichtete. Erhebliche Meinungsverschiedenheiten gibt es außerdem hinsichtlich eines Gottesbezuges (siehe PAZ 46/03) und in bezug auf die Einführung eines hauptamtlichen EU-Präsidenten sowie eines EU-Außenministers. Wiederum blockieren vor allem die ostmitteleuropäischen Neulinge, die jedwedem Ausbau des Brüsseler Zentralismus mißtrauisch gegenüberstehen. Andere problematische Punkte finden bei den Spitzenpolitikern weniger Aufmerksamkeit, obwohl sie nicht minder bedeutsam sind. Da ist zum Beispiel die "Sprachenfrage", die gerade aus deutscher Sicht größte Aufmerksamkeit verdient. Schließlich ist unsere Sprache auf EU-Ebene deutlich unterrepräsentiert: Obwohl Deutsch mit fast 100 Millionen Sprechern die am meisten verbreitete Muttersprache darstellt (weit vor Englisch und Französisch), benutzt es die Brüsseler Bürokratie, wenn sie mit der Außenwelt in Kontakt tritt, nur in einem von hundert Fällen. Die in der "Sprachenverordnung Nr. 1" des Ministerrates festgeschriebene Regelung, wonach die offiziellen Sprachen aller Mitglieder auch Amts- und Arbeitssprachen der Gemeinschaft sind, ist reine Theorie. Tatsächlich kommen in den EU-Institutionen praktisch nur Englisch und Französisch zum Zug. Das hat nicht nur kulturpolitische, sondern auch schwerwiegende wirtschaftliche Folgen. Man denke nur an die in Brüssel erstellten Ausschreibungen mit einem jährlichen Umfang von 1-1,5 Billionen Euro. Während es sich deutsche Großkonzerne leisten können, für das Studium der fast immer auf Englisch verfaßten und durch ein für den Laien unverständliches Bürokraten-Kauderwelsch gekennzeichneten Ausschreibungen Spezialisten anzustellen, haben hiesige Mittelständler oder Handwerker häufig keine Chance. Der "Verein Deutsche Sprache" (VDS) reagierte auf derlei Benachteiligungen mit der Forderung nach Verankerung eines eigenen Sprachenartikels in der EU-Verfassung. Zwar drang er damit nicht durch und der Sprachengebrauch innerhalb der Unionsorgane bleibt in dem Verfassungstext außen vor, dennoch konnten dank der verdienstvollen Hartnäckigkeit des VDS einige kleinere Erfolge erzielt werden. So heißt es in Artikel I-3 des Entwurfs: "Die Union wahrt den Reichtum ihrer kulturellen und sprachlichen Vielfalt und sorgt für den Schutz und die Entwicklung des kulturellen Erbes Europas." Neu im Vergleich zu den bisherigen europäischen Verträgen ist hier die ausdrückliche Erwähnung der "sprachlichen Vielfalt". Gab es bisher lediglich ein Recht des Unionsbürgers schriftlich mit den EU-Organen in seiner jeweiligen Muttersprache in Verbindung zu treten, so ist diese Einschränkung im Entwurf des Artikels I-8 nicht mehr enthalten. Entsprechend sollten in Zukunft auch telefonische Auskünfte auf Deutsch erhältlich sein, und für Landsleute, die in einer beliebigen Angelegenheit in Brüssel vorstellig werden, müßte stets ein Gesprächspartner da sein, der des Deutschen mächtig ist. Allerdings bedarf es dann auch vieler Menschen, die diese Möglichkeiten ausschöpfen und einer selbstverständlichen Verwendung der Muttersprache nicht eine angestrengte Konversation in einem oft schlechten Englisch vorziehen, um damit ihre vermeintliche Weltläufigkeit herauszustellen. Darüber hinaus braucht es natürlich eigene Politiker, die sich nicht immer wieder zu einer aberwitzigen Sprachakrobatik veranlaßt fühlen, wie sie etwa der für die Osterweiterung zuständige bundesdeutsche EU-Kommissar Verheugen und sein mit der Landwirtschaft befaßter österreichischer Kollege Fischler vollführten. Diese brachten es fertig, die vor allem von ihnen geführten Verhandlungen mit den Balten, Polen, Tschechen, Slowaken und Ungarn vollständig auf Englisch zu führen. Dabei hatte eine Mehrheit der ostmitteleuropäischen Vertreter den Wunsch geäußert, doch die vertrautere deutsche Sprache zu benutzen. Noch ist Deutsch als Fremdsprache in Estland, Polen, Tschechien oder Ungarn beliebt, was dazu führt, daß es an den Schulen viel öfter gelernt wird als Französisch. Ja selbst mit Englisch kann es in diesen Ländern nach wie vor mithalten. Das bringt nicht zuletzt erhebliche Wettbewerbsvorteile im Handel, die ihren Teil zur führenden Rolle der deutschen Exportwirtschaft im östlichen Europa beigetragen haben dürften. Wenn sich jedoch an der Brüsseler Praxis des weitgehenden Verzichts auf Deutsch als Arbeitssprache nicht bald etwas ändert, ist auch dieses noch aus alten Zeiten herrührende kultur- und wirtschaftspolitische Kapital rasch verspielt. Dem muß und kann politisch entgegengewirkt werden, vielleicht sogar im Verein mit der Grande Nation, die zähneknirschend zusehen muß, wie Englisch selbst auf Kosten der geliebten langue francaise immer mehr an Einfluß gewinnt. Auch ein Bündnis mit Vertretern anderer auf unserem Kontinent beheimateter Sprachen ist denkbar. Immerhin gibt es davon über 100, von denen die EU nur neun als "offizielle" Sprachen ankennt. 48 Minderheitensprachen fallen auf Unionsebene unter den Tisch, darunter fast ausgestorbene Idiome wie das schottische Gälisch, aber auch weit verbreitete Sprachen wie das Katalanische mit neun Millionen Sprechern. Künftige Konflikte sind auf jeden Fall vorprogrammiert, so daß es vielleicht wirklich besser wäre, wenn das unausgereifte Projekt EU-Verfassung einstweilen an den zahlreichen Widerständen scheitern würde. Wettbewerbsvorteile: Sprachpräsenz nutzt dem Außenhandel Foto: Schmidt |