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13.12.03 / Tschechien: Ökologisches Neuland

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 13. Dezember 2003


Tschechien: Ökologisches Neuland
Parlament lehnt Anpassung an EU-Naturschutzsystem ab

Der Schutz der Umwelt war im früheren "Ostblock" kein Thema - nicht für die kommunistischen Führungen und lange Zeit auch nicht für die Bevölkerung.

Die marxistische Lehre gebot die uneingeschränkte Ausbeutung der Natur zur Hebung des materiellen Wohlstandes der "Arbeiterklasse". Folgerichtig wurden in der DDR für den Braunkohletagebau oder in der Sowjetrepublik Estland für den Ölschieferabbau ganze Regionen verwüstet. Die großflächige Landwirtschaft der zwangskollektivierten Produktionsgenossenschaften tat ein übriges, um das Werk der Zerstörung voranzutreiben.

Wenn im ostmitteleuropäischen Raum trotzdem etliche Wälder, Gewässer und Gebirgslandschaften mit einer reichen Flora und Fauna verschont blieben, so lag das zuallerletzt daran, daß die Kommunisten ökologisches Verantwortungsbewußtsein zeigten. Daß in Polen, Litauen, der Slowakei oder in Rumänien im Vergleich zu westeuropäischen Staaten besonders große Gebiete in ihrer natürlichen Vielfalt überdauerten, liegt einzig und allein in der dünnen Besiedlung dieser Länder sowie in der technologischen Rückständigkeit und Ineffizienz der sozialistischen Volkswirtschaften begründet. Darüber hinaus war der im Westen häufig mit zerstörerischen Folgen verbundene Massentourismus in dieser Form unbekannt.

Eine politisch wirksame Umweltschutzbewegung, wie sie sich in der Bundesrepublik Deutschland mit dem Aufstieg der Grünen ab den späten 70er Jahren zeigte, gab es nicht. Erst im unmittelbaren Vorfeld der Wende bildete sich vor allem in Estland eine ökologische Protestbewegung, die das Ende der Sowjetherrschaft beschleunigte und nicht unwesentlich an der "Singenden Revolution" mitwirkte.

Insgesamt gesehen ist das Umweltbewußtsein bei den Balten, Polen, Tschechen, Ungarn oder Slowaken jedoch bis zum heutigen Tag wenig ausgeprägt. Die baldige Zugehörigkeit zur Europäischen Union hat zur Folge, daß trotzdem sozusagen von heute auf morgen ein umfassendes Regelwerk zu Naturschutzfragen übernommen werden muß.

Daß diese manchmal übers Ziel hinausschießenden, auf jeden Fall aber unübersichtlichen Brüsseler Gesetze in den Beitrittsstaaten Unverständnis und Widerstände hervorrufen, darf also niemanden verwunden.

Ein jüngstes Beispiel liefert Tschechien. Dort verweigerte das Abgeordnetenhaus im November - vor allem mit den Stimmen der rechtsliberalen ODS und der Kommunisten - die Zustimmung zu umfassenden Veränderungen im Umweltschutz. Ein Paket von insgesamt 130 Änderungen sollte die nationale Gesetzgebung mit dem EU-weiten System "Natura 2000" in Einklang bringen und damit eine Beitrittsverpflichtung erfüllen. Den Kern der Neuerungen bildet der Grundsatz, nicht mehr nur bestimmte Gebiete, Tiere oder Pflanzen unter Schutz zu stellen, sondern ganze Biotope mit ihrer jeweiligen Fauna und Flora.

Im Zuge der Umsetzung von "Natura 2000" hatten Fachleute in allen bisherigen EU-Mitgliedsländern Listen sämtlicher bedrohter Tier- und Pflanzenarten samt ihrer Verbreitungsgebiete erstellt, in denen der Erhalt einer vielfältigen Natur Vorrang vor der wirtschaftlichen Nutzung haben soll.

Dasselbe geschieht zur Zeit in Tschechien, das an der Westgrenze über ökologisch wertvolle urwaldähnliche Gebiete im Böhmerwald verfügt und im Osten unter anderem über die Orchideenwiesen in den Weißen Karpaten. Schon heute bestehen 15,5 Prozent der Landesfläche aus Nationalparks und anderen Arten von Naturreservaten. Mit den geplanten Änderungen sollten nach Angaben der Prager Zeitung weitere drei Prozent hinzukommen.

Daß eine Mehrheit der Parlamentarier diese Ausdehnung des Schutzes mit Rücksicht auf einzelne Gemeinden (die zumeist Einbußen im Tourismus befürchten) und private Grundbesitzer sowie auf die Lobbies von Landwirten, Förstern und Jägern vorerst verhindert hat, könnte Prag teuer zu stehen kommen. Denn Verstöße gegen Naturschutzbestimmungen der Europäischen Union werden von Brüssel hart bestraft.

Als sich Frankreich 1998 geweigert hatte, die Feuchtgebiete im Loiretal zu schützen, verhängte der Europäische Gerichtshof eine Geldbuße von 105 000 Euro täglich - so lange, bis Paris die nötigen Gesetze ratifizierte. Ähnliches droht jetzt ab Mai nächsten Jahres auch Tschechien.
Petra Schirren