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© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 13. Dezember 2003 |
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Als der Traum vom Fliegen wahr wurde Vor 100 Jahren führte Orville Wright in Kitty Hawk den ersten Motorflug durch von Klaus Gröbig Der Traum vom Fliegen und der Wunsch, dem Mond und den Sternen nahe zu sein, ist so alt wie die Menschheit selbst. In den klassischen Sagen Griechenlands war von Daedalus und Ikarus die Rede, die mit Hilfe von Federn, die mit Wachs an den Armen befestigt waren, wie die Vögel fliegen konnten. Ikarus kam dabei der Sonne zu nahe, das Wachs schmolz, und er stürzte ab. Auch bei den Assyrern, Chinesen, Parthern, Indern und Ägyptern sind Standbilder von Gottheiten überliefert, die mit Hilfe von Flügeln fliegen konnten. Der Wunsch des Menschen zu fliegen fand im Mittelalter in geflügelten Löwen seinen Ausdruck. Grundsätzlich beschritt die Wissenschaft zwei Wege, um den Menschheitstraum vom Fliegen zu verwirklichen. Die einen versuchten, einen Flugapparat "leichter als Luft" zu konstruieren, die anderen wollten über Bewegungen zum Fliegen kommen. Der geniale Mathematiker des 15. Jahrhunderts, Leonardo da Vinci, konstruierte ein Schwingenflugzeug, das mit der Muskelkraft der Arme und Beine bewegt werden sollte. Nach ihm versuchten auch noch andere diese Idee in die Praxis umzusetzen. Der Fehler daran war, daß die Kräfte des menschlichen Körpers nicht ausreichen, um einen Flugapparat in der Luft zu halten. Erst die Erfindung des Benzinmotors sollte der Fliegerei das Werkzeug zur Verfügung stellen, das genügend Kraft entwickelte, um tatsächlich fliegen zu können. In der Zwischenzeit machte die Fliegerei "leichter als Luft" beachtliche Fortschritte. So konnten bereits im Jahre 1783 die Brüder Montgolfier ihren ersten Ballonflug unternehmen. Am 26. Juni 1794 setzten die Franzosen erstmalig einen Beobachtungsballon zu militärischen Zwecken ein. In der Schlacht von Fleurus blieben sie gegen die Österreicher siegreich, weil sie die Bewegungen ihrer Gegner beobachten konnten. Im Krieg der Konföderierten gegen die Vereinigten Staaten von Amerika wurden im großen Stil Ballons eingesetzt. Ferdinand Graf Zeppelin beobachtete als Gast der Unionsstaaten den Wert des Fluggerätes eingehend. 1871 starteten nicht weniger als 66 Ballons aus dem belagerten Paris. 1875 wird in Frankreich die "Aerostation militaire" formiert. In Deutschland wird im Jahre 1884 eine Luftschiffertruppe als Erprobungstruppe aufgestellt. Noch in beiden Weltkriegen spielte die Fliegerei "leichter als Luft" mit Beobachtungsballons eine gewisse Rolle. Die vom Grafen Zeppelin konstruierten gleichnamigen Fluggeräte waren zwar bis in die 30er Jahre in Gebrauch, aber ihre Unhandlichkeit und die Gefährlichkeit des verwendeten Wasserstoffes ließen auch diesen Versuch der "Fliegerei leichter als Luft" scheitern. In Deutschland entwickelten die Brüder Lilienthal Gleitflugzeuge ohne Motorantrieb, mit denen man einen Abhang hinabsegeln konnte. Ihre Konstruktion aus dem Jahre 1891, die auch erfolgreich flog, war richtungweisend, weil sie die Bauweise der Flugzeuge bis zum Ende des Ersten Weltkrieges weitgehend vorwegnahm. So lag es sozusagen "in der Luft", die Arbeiten der Brüder Lilienthal mit dem Benzinmotor zu verbinden, um zu einer Flugmaschine zu gelangen, die unabhängig vom Wind und einem Abhang in der Luft bleiben konnte. Der Franzose Clement Ader unternahm am 9. Ok- tober 1890 mit einem Flugapparat, der von einem Dampfmotor angetrieben wurde, einen erfolglosen Flugversuch. Zwar erhob sich die Maschine kurzfristig in die Luft, ging aber dabei zu Bruch. In der Zwischenzeit stand nun auch der von Gottlieb Daimler erfundene schnellaufende Benzinmotor zur Verfügung. In den USA beschäftigten sich zwei Fahrradfabrikanten - Wilbur (16. April 1867 - 30. Mai 1912) und Orville (19. August 1871 - 30. Januar 1948) Wright aus Dayton, Bundesstaat Ohio - mit der Konstruktion eines motorisierten Flugapparates. Sie sind es denn auch, die den weltweiten Wettlauf um den ersten erfolgreichen Motorflug gewannen. Wilbur war elf Jahre und sein Bruder Orville sieben Jahre alt, als ihr Vater Ihnen einen Spielzeugrotor schenkte. Dieses Geschenk beeinflußte die beiden nachhaltig. 1890 hörten sie von den Forschungsergebnissen der deutschen Brüder Lilienthal. Noch vor der Jahrhundertwende führten die Wrights Versuche mit Modellflugzeugen durch. Ab 1900 experimentierten sie dann wie die Lilienthals mit Gleitern. Es entsteht der "Nr. 1 Glider", den sie als unbemannten Drachen aufsteigen lassen. Mit dem "Nr. 2 Glider" fliegen die Brüder bis zu 190 Meter weit. Es entsteht schließlich der "Nr. 3 Glider", der wiederum die Basis für den "Flyer I" bildet. Er ist als Doppeldecker ausgeführt und besitzt keine Räder, sondern Gleitkufen. Das 355 Kilogramm schwere Flugzeug besitzt einen 16 PS starken Benzinmotor, der selbst 100 Kilogramm schwer ist. Er treibt zwei Luftschrauben an, die den Schub für die Fortbewegung des Flugapparates liefern. Mit ihm starteten sie dann in den Dünen von Kitty Hawk im Bundesstaat North Carolina am 17. Dezember 1903 zum ersten erfolg-reichen Motorflug. Er dauerte nur zwölf Sekunden und trug Flugapparat und Pilot 36 Meter weit. An diesem Tag fanden insgesamt vier Flüge statt. Der letzte war der erfolgreichste: Er dauerte 59 Sekunden und führte bereits über eine Distanz von 260 Metern. Die Wrights verbesserten ihre Konstruktion fortlaufend. Der "Flyer II" von 1904 ließ sich steuern und konnte Kreise fliegen. Der Start erfolgte nun über eine Schleuder. Mit dem 1905 fertiggestellten "Flyer III" gelang Wilbur Wright am 5. Oktober 1905 ein Flug von 38 Minuten Dauer. Die US-Army bestellte jedoch keinen der Flugapparate, auch in Großbritannien zeigte man keinerlei Interesse an der neuen Erfindung. Verhandlungen konnten zwar mit den Franzosen aufgenommen werden, aber auch diese zerschlugen sich. Die Wrights zogen sich enttäuscht aus der Öffentlichkeit zurück. Sie bauten ein neues Flugzeug, den "Wright Flyer A". Der bis dahin liegende Pilot war nun in sitzender Position untergebracht, und ein weiterer Passagier konnte in diesem Flugzeug untergebracht werden. Diese Maschine boten sie nicht nur der US-Army, sondern auch in Paris, Rom, London und Berlin zum Kauf an. Lediglich die Franzosen machten sich die Mühe, überhaupt Leistungsforderungen für den Flugapparat zu definieren. Mit ihrer Konstruktion begaben sich die Wrights 1908 auf eine Europareise, die sie nach England, Deutschland und Frankreich führte. Dieses Jahr brachte den Durchbruch. Präsident Theodor Roosevelt persönlich intervenierte, und so wurde der Kaufvertrag am 10. Februar 1908 unterzeichnet. Der Preis betrug 25.000 US-Dollar. Der "1909 Flyer", jetzt als "Signal Corps No. 1" bezeichnet, war das erste militärisch genutzte Flugzeug der Welt. Am 8. August 1908 führte Wilbur Wright sein Flugzeug in Le Mans den Vertretern des französischen Militärs vor. Sein Flug dauerte eine Minute und 45 Sekunden. Die Konstruktion des Franzosen Farmann konnte sich wesentlich länger in der Luft halten, aber sie hatte einen entscheidenden Nachteil, sie war nicht steuerbar. In Europa hatte man es bislang auch nicht geschafft, zufriedenstellende Flugzeugpropeller zu bauen. So bestellten die beeindruckten Franzosen bei den Gebrüdern Wright Flugzeuge, und die Französische Republik wurde der weltweit zweite Staat, der das Flugzeug militärisch nutzte. Zwar hatte man sich auch in Deutschland mit der neuen Technologie beschäftigt - allerdings ohne greifbares Ergebnis. Bereits im Jahre 1905 war Hauptmann Rudolf von Tschudi beauftragt worden, sich mit der Wrightschen Flugmaschine zu befassen. Seiner Empfehlung, mit den Wrights in Verbindung zu treten, folgten seine Vorgesetzten jedoch nicht. Mit Schreiben vom 14. April 1906 boten die Wrights dem deutschen Kriegsministerium ihren "Apparat" zum Kauf an. In Berlin meinte man jedoch, es wäre sinnvoller, zunächst die Entwicklung abzuwarten. Vom Luftschiff versprach man sich mehr. Bis 1908 hatte sich die Einstellung geändert. Nunmehr ging man davon aus, daß Flugapparate in absehbarer Zukunft als "Ordonnanz- und Erkundungswerkzeuge" verwendbar seien. Das Kriegs- ministerium stellte Gelder für die Entwicklung bereit. Aus Deutschland erhielt Orville Wright von dem patriotischen Verleger August Scherl eine Einladung nach Berlin. Er und das Kaufhaus Wertheim sponserten die Flugvorführung. Nachdem der Flugpionier am 19. August 1909 in Berlin eingetroffen war, begann er am 4. September auf dem Tempelhofer Feld mit der Vorführung des "Wright Flyer A". Bei einem dieser Flüge stellte er mit einer Flughöhe von 172 Metern einen neuen Weltrekord auf und zuweilen nahm Wright auch einen Passagier mit. Einige Wochen später verlegte Wright seinen Tätigkeitsbereich nach Potsdam, um auf einem Exerzierfeld der Heeresverwaltung sein Flugzeug vorzuführen. Es ist dasselbe Jahr, in dem der Franzose Louis Bleriot mit einem selbstkonstruierten Flugzeug als erster über das Wasser des Ärmelkanals fliegt. Prinz Heinrich von Preußen, der sich bereits um die Marine sehr verdient gemacht hatte, erwies sich als großer Förderer des deutschen Flugwesens. Eine öffentliche Spendensammlung brachte insgesamt 7,5 Millionen Mark zusammen, und mit diesem Geld konnten Flugzeuge beschafft, aber auch Wettbewerbe ausgelobt werden. Am 1. Oktober 1912 wurde die "Königlich-Preußische Fliegertruppe" formiert, am 1. Oktober 1913 wurde das "Bayerische Fliegerbataillon" gebildet. Ende 1913 besaß Deutschland 69 "Tauben"- und 84 Doppeldeckerflugzeuge. In jenem letzten Friedensjahr 1913 ging in Deutschland der Stern des Mannes auf, der die deutsche Fliegerei des Ersten Weltkrieges wie kein zweiter beeinflussen sollte, Anthony Fokker. Der Sohn eines reichen niederländischen Kaffeepflanzers aus Ostindien studierte seit 1910 in Deutschland und kam in diesem Jahr auch das erste Mal mit der Fliegerei in Kontakt. 1913 baute er den "Fokker M 5", den unmittelbaren Vorgänger des legendären Eindecker der ersten Kriegsjahre. Ab 1910 wurden praktische Versuche unternommen, das Flugzeug auch als Waffe zu nutzen. Bislang war immer davon die Rede gewesen, das Flugzeug zur Beobachtung zu nutzen. In Frankreich werden im Januar erstmalig Bomben aus einem Flugzeug abgeworfen. In den USA ging man denselben Weg im Juni 1910, und im August des Jahres wurde erstmals mit einem Gewehr aus einem Flugzeug geschossen. Im selben Jahr fand in Boston ein Wettbewerb statt, bei dem es darum ging, mit Gipsbomben eine Kriegsschiffs-attrappe zu bombardieren. Ralph Johnstone erzielte hierbei mit seinem "Wright Flyer" neun Treffer. Damit war bewiesen, daß die neue Waffe auch für den Seekrieg der Zukunft Bedeutung haben wird. 1911 wurden in den USA aus einem "Wright Flyer" erstmals scharfe Bomben abgeworfen. Und im selben Jahr wurde in Frankreich ein Maschinengewehr in ein Flugzeug eingebaut. Erstmalig setzten die Italiener ein Flugzeug im Krieg ein. Am 21. Oktober flog Hauptmann Carlo Piazza mit einem "Bleriot"-Ein- decker in der Nähe von Tripolis Aufklärung über türkischen Stellungen. Am 1. November 1911 warf Leutnant Giulio Gavotti von der "Squadrilla di Tripoli" aus einer "Etrich Taube" vier Bomben von jeweils zwei Kilogramm Gewicht über türkischen Stellungen ab. Wie groß die Fortschritte in der Fliegerei in sehr kurzer Zeit waren, dokumentiert ein Flugzeug, das heute weitgehend in Vergessenheit geraten ist. Bereits am 13. Mai 1913 hatte der viermotorige Bomber "Ilya Mourometz" von Igor Sikorsky in Rußland seinen Erstflug. Von der in der heutigen Republik Polen liegenden Basis Jablona aus bombardierten Maschinen vom Typ "Ilya Mourometz" Ziele in Ostpreußen. Das Flugzeug konnte fünf Stunden in der Luft bleiben und 700 Kilogramm Bomben transportieren. Es hatte vier Mann Besatzung. Der weitere Weg der Brüder Wright verlief tragisch. Mit europäischen und amerikanischen Konkurrenten lagen sie dauerhaft in juristischen Auseinandersetzungen um ihre Patente. Die USA fielen ab 1911 in der Entwicklung der Luftfahrt immer weiter zurück, so daß sie 1917 bei ihrem Eintritt in den Ersten Weltkrieg sogar britische und französische Flugzeuge beschaffen mußten. Der verbitterte Orville Wright ließ 1928 das Original des historischen "Wright Flyer" in das Londoner "Science Museum" schaffen. Präsident Franklin Delano Roosevelt nahm sich später der leidigen Sache an und lud Orville am 40. Jahrestag seines Fluges zum Essen ein. Bei dieser Gelegenheit stimmte Wright der Rückführung des Flugzeuges in die USA zu. Am 17. Dezember 1948 wurde der "Wright Flyer" von der "Smithsonian Institution" der Öffentlichkeit präsentiert. Orville Wright war zu diesem Zeitpunkt allerdings bereits schon elf Monate tot. Immer größere Distanzen konnte das Flugzeug überbrücken. 1928 überquerten Hermann Köhl, Günter Freiherr von Hünefeld und Fitzmaurice als erste den Atlantik in ost-westlicher Richtung - im Jahr zuvor war Charles Lindbergh die Überquerung des Atlantiks in west-östlicher Richtung gelungen. Damit war der Startschuß für den Transatlantik-Verkehr gefallen. Die Entwicklung des Motorfluges verlief sehr stürmisch und erfolgreich. Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges gab es noch eine gewisse Konkurrenz zur Fliegerei "leichter als Luft" (Zeppeline und Ballons). Aber schon 1918 schien klar, daß nur das Flugzeug zukunftsfähig sein würde. "Flyer I" beim Jungfernflug: Dieses einzige Foto des historischen Ereignisses zeigt das von Orville Wright im Liegen gesteuerte Flugzeug, wie es gerade aufsteigt. Der rechts zu sehende Bruder des Piloten war beim Start an der Seite mitgelaufen und hatte den Flügel gehalten, um die Maschine im Gleichgewicht zu halten, bis sie den Ein- schienenstrang verlassen hatte. |