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13.12.03 / Ein Päckchen kam aus Althof

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 13. Dezember 2003


Ein Päckchen kam aus Althof
von Marlies Stern

Ich kam vom Einkaufen zurück und hatte mir viel Zeit gelassen. Es war ein strahlend schöner Sonnentag, der letzte Novembertag. Aber die Bäume wollten ihr Laub noch nicht abwerfen, die verfärbten Blätter leuchteten golden im Sonnenschein. Hektisch war es in der Stadt, der große Wochenendmarkt, die Hausfrauen, die heute wohl doppelt einkauften. Aber ich ließ mir Zeit, der Tag war zu schön. Vor meiner Haustüre lag etwas, ein kleines rotes Päckchen, Absender eine liebe Freundin. Sofort erahnte ich den Inhalt und freute mich schon riesig darauf.

Schnell stellte ich den Einkauf in die Ecke - der konnte warten - und öffnete das Päckchen; wie vermutet, enthielt es köstliche Nußecken, die nur Annemarie so gut backen konnte. Und obwohl ich schon gegessen hatte, stopfte ich mir genüßlich eine Nußecke in den Mund. Dann machte ich die Balkontüre groß auf, das Sonnenlicht sollte hereinkommen.

Erstaunt sah ich hinaus. Die Sonne stand hoch am Himmel und strahlte, aber die Bäume hatten sich verwandelt. Glitzernder frischer Schnee lag auf ihren Ästen, und die Straßen und Wege waren tief verschneit.

Meine Gedanken waren zu Hause, zu Hause in Godrienen, im Landkreis Königsberg. Es war Vorweihnachtszeit, tiefer Schnee lag schon überall, als das Stapfen von schweren Füßen vor dem Haus zu hören war. "Pooost", rief eine bekannte Stimme, und ich lief dem Postboten entgegen. Aber dieses Mal war er schneller und stand schon im Flur. Mutti bat ihn herein und goß ihm ein Schnäpschen ein. Er ließ es sich schmecken, legte ein großes Paket auf den Küchentisch, tippte an seine Pelzmütze und verschwand wieder.

Ich quengelte: "Mutti, was ist da drin? Mach es doch bitte auf. Wo kommt es her?" Aber Mutti lachte nur und sagte: "Es kommt aus Althof von Omchen und Opa. Der Weihnachtsmann konnte nicht bis hierher kommen, so hat er etwas für uns in Althof abgegeben, und Omchen hat es geschickt. Aber du weißt, bis Weihnachten ist noch ein bißchen Zeit, so werden wir das Päckchen noch zulassen."

"Ach, Mutti, nur eine kleine Ecke kann man doch aufmachen", quälte ich weiter. Aber Mutti lachte nur und verschwand mit dem Paket im Keller.

Wie immer vor Weihnachten schickte Omchen ein Paket, wenn wir auch zu den Festtagen zu ihr und Opa nach Althof fuhren. Omchen hatte geschlachtet und uns Fleisch, Wurst und Schinken, frisch aus dem Rauch, geschickt. Ich aß zu gerne die Schwarte von dem geräucherten Schweinebauch. Aber nun gab es noch nichts. So wandte ich mich wieder meiner Puppe Ulla zu.

Tage später mischte sich der köstliche Duft von Geräuchertem mit dem der frisch gebackenen Plätzchen und Marzipan. Ich hatte Mutti helfen dürfen, und es hatte auch eine Kostprobe gegeben. Aber danach war ich blitzschnell wieder draußen, nahm meinen Schlitten und rutschte auf ihm einen winzigen Schneeberg runter, den mir Papa im Garten geschaufelt hatte.

Alle diese Gedanken gingen mir jetzt durch den Kopf, und ich konnte die wunderbare Mischung von Fleisch und Kuchen wirklich riechen. Wie viele Jahre waren doch vergangen, und wie viele Kilometer lagen zwischen dem verschneiten, zauberhaften Heimatland Ostpreußen und dem südlichen Land, in dem ich jetzt lebte.

Ich sah wieder hinaus. Der Zauber war weg. Draußen schien die Sonne, aber statt Schnee wurden herbstgefärbte Blätter an Bäumen und Pflanzen vom Wind bewegt. Nein, dies war keine Weihnachtsstimmung, aber das kleine Päck-chen mit seinem süßen Inhalt hatte mir ein paar Minuten lang die Vergangenheit lebendig werden lassen.

 

Die Nacht vor dem Heiligen Abend
von Robert Reinick (1805-1852)

Die Nacht vor
dem Heiligen Abend,
da liegen die Kinder im Traum,
sie träumen von schönen Sachen
und von dem Weihnachtsbaum.

 

Und während sie schlafen
und träumen,
wird es am Himmel klar,
und durch den Himmel fliegen
drei Engel wunderbar.

 

Sie tragen ein holdes Kindlein,
das ist der heilige Christ,
es ist so fromm und freundlich,
wie keins auf Erden ist.

 

Und wie es durch den Himmel
still über die Häuser fliegt,
schaut es in jedes Bettchen,
wo nur ein Kindlein liegt.

 

Und freut sich über alle,
die fromm und freundlich sind,
denn solche liebt von Herzen
das liebe Himmelskind.

 

Wird sie auch reich bedenken
mit Lust aufs allerbest
und wird sie
schön beschenken
zum morgenden Weihnachtsfest.

 

Heut schlafen noch die Kinder
und sehn es nur im Traum;
doch morgen tanzen
und springen
sie um den Weihnachtsbaum.