20.04.2024

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20.12.03 / 27.12.03 / Die Mode der Zeit

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 20. u. 27. Dezember 2003


Die Mode der Zeit
von Ernst Moritz Arndt

Bei alltäglichen Gelegenheiten ging es alltäglich her, aber bei festlichen Gelegenheiten, bei Feierschmäusen, Hochzeiten usw. was waren das für Anstalten und Zurüstungen auch bei so kleinen Leuten, als die Meinigen waren! Ich erzähle aus den Jahren 1770 und 1780. Also stehe es!

Es ging bei solchen Gelegenheiten in dem Hause eines guten Pächters oder eines schlichten Dorfpfarrers ganz ebenso her, wie in dem eines Barons oder Herrn Majors Von, mit derselben Feierlichkeit und Verzierung des Lebens; aber freilich steifer und ungelenker, also lächerlicher und alberner. Es war nur der Parukenstil oder der heuchlerisch wälsch und jesuitisch verzierlichte und vermanierlichte Schnörkel- und Arabeskenstil, der von Ludwig dem Vierzehnten bis an die französische Umwälzung hinab gedauert hat.

Noch lächelt mir's im Herzen, wenn ich der Putzzimmer der damaligen Zeiten gedenke. Langsam feierlich mit unlieblichen Schwenkungen und Knicksungen bewegte sich die rundliche Frau Pastorin und Pachterin mit ihren Mamsellen Töchtern gegen einander, um die Hüften wulstige Poschen geschlagen, das oft falsche dicht eingepuderte Haar zu drei Stockwerken Locken aufgethürmt, die Füße auf hohen Absätzen chinesisch in die engsten Schuhe eingezwängt, wacklicht einhertrippelnd. Die Männer nach ihrer Weise eben so steif, aber doch tüchiger.

Bei diesen hatten die großen Bilder des siebenjährigen Krieges den wälschen Geschmack etwas durch- brochen. Man mogte mit Recht sagen, es waren die komischen Transfigurationen Friedrichs des Zweiten und seiner Helden ...

Das Possierlichste bei diesen Abkonterfeiungen und Nachkonterfeiungen des feinen und vornehmen Lebens war noch der Gebrauch der hochdeutschen Spra- che, welcher damals in jenem Inselchen auch für etwas Überaußes und Ungemeines galt und wohl gelten mußte, weil wenige damit ordentlich umzugehen verstanden, ohne dem Dativ und Akkusativ in einer Viertelstunde wenigstens einige hundert Maulschellen zu geben. Es gehörte nämlich unerläßlich zum guten Ton, wenigstens die ersten fünf bis zehn Minuten der Eröffnung und Versammlung einer Gesellschaft hochdeutsch zu radbrechen; erst wann die erste Hitze der feierlichen Stimmung abgekühlt und die ersten Beklemmungen, welche der Überfluß von Komplimenten verursacht, über einer Tasse Kaffee verseufzet, stieg man wieder in den Alltagssocken seines gemüthlichen Plattdeutsch hinunter. Auch französische Brocken wurden hin und wieder ausgeworfen, und ich weiß, wie ich mich in mir erlächelte, als ich das Wälsche ordentlich zu lernen anfing, wenn ich an das Wun Schur! (Bon jour) und à la Wundör (à la bonne heure!), oder an die Fladrun (flacon), wie das gnädige Fräulein B. ihre Wasserflasche nannte, zurückdachte, und wie die Jagdjunker und Pächter, wenn sie zu Roß zusammenstießen, sich mit solchen und ähnlichen Floskeln zu begrüßen und vornehm zu bewerfen pflegten.