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10.01.04 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / 10. Januar 2004

Mischgemüse ... fürs "Innovationsjahr 2004"
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Der Bundeskanzler hat 2004 zum "Jahr der Innovationen" ausgerufen. Innovation bedeutet "Verjüngung". Jung sein ist bekanntlich relativ, je älter unsere Umgebung, desto frischer sehen wir selber dazwischen aus. Um unschlagbar dynamisch zu wirken, setzt sich der kluge Gerhard Schröder daher gleich zu Beginn des "Innovationsjahres" den ältesten greifbaren Hut auf und gründet - eine Kommission! Am 15. Januar soll sich der "Innovationsrat" zum Plausch im Kanzleramt einfinden. Lauter wichtige Berater werden sich auf den schon etwas verwohnten Kommissions-Sesseln niederlassen und den Abend mit Gesprächen über den "Forschungsstandort Deutschland" rumbringen.

Die Aufgabe der Kommission ist dieselbe wie die aller ihrer 56 (oder mehr?) Vorgängerinnen: Dieses Jahr ist gestopft voll von wichtigen Wahlkämpfen, da muß man dem Volk ein paar gute Geschichten bieten, etwas mit "Zukunft" und "Aufbruch" und so: "Um Deutschland fit zu machen für die Zukunft, habe ich den Innovationsrat einberufen, der in Kürze ..." - das wird Schröder überall erzählen. Obwohl den Text im Grunde jeder von früher kennt, legt die Bundesregierung großen Wert darauf, daß die "Forschungsstandort"-Rede alle hören. Daher hat Rot-Grün als Sofortmaßnahme zum Start des "Innovationsjahres" den Forschungsetat um 240 Millionen Euro gekürzt. Mit dem Geld können nun massenhaft Plakate, Broschüren und Fernsehspots produziert werden, die auch den Dümmsten erkennen lassen, wie ernst es dem Kanzler mit der Forschung in Deutschland ist.

In der Koalition ist man sich allerdings noch nicht ganz einig, was eigentlich gefördert werden soll. Die SPD will nur Sachen bezuschussen, die "zukunftssichere Arbeitsplätze" hervorbringen. Wenn Sozialdemokraten so etwas sagen, wer denkt da nicht sofort an die Kohleförderung? Dort sehen wir Zukunft pur, denn die Vergangenheit der deutschen Kohle als profitable Branche ist schon so viele Jahrzehnte her, daß sich niemand mehr daran erinnern kann. Die Arbeitsplätze sind hingegen mit die sichersten im Land.

Zukunft pur, das wollen auch die Grünen sein, möchten aber ein paar Randbereiche aus der Forschungsförderung heraushalten, die ihnen unheimlich sind oder solche, gegen die irgendein Parteitagsbeschluß vorliegt, wie da wären: die Waffentechnik, die Kerntechnik, die Gentechnologie und die Biotechnologie. Auch die Pharmabranche ist ihnen ebensowenig geheuer wie die Kommunikationstechnik (strahlende Händies!). Einer Rückkehr des Transrapid aus China stemmen sich die Grünen sowieso energisch entgegen.

Statt für solchen Firlefanz soll es Geld und Gesetze nur für "werte-orientierte, ökologische Forschung" geben. Sprich: Wir werden den Weltmarkt mit unserer Feminismusforschung überrennen und Dampfmaschinen entwickeln, die, rück-standsfrei und nachhaltig, mit verdorbenem Mischgemüse betrieben werden, das den Segelschiff-Transport in die dritte Welt nicht überstanden hat. Die Apparate können bei Wetterflaute unsere Windräder in Gang halten. Grundsätzlich, sagen die Grünen, sei die Energieversorgung der Zukunft "dezentral" zu organisieren. In der Praxis heißt das: den Strom, den Windräder und Wassermühlen nicht hergeben, kann man ja "dezentral", beispielsweise in Tschernobyl, einkaufen.

Sie haben es bemerkt: Die Gefahr besteht, daß die Vorstellungen des "Innovationsrats" nicht gänzlich mit denen der Grünen übereinstimmen könnten. Das macht aber nichts. Im Sommer wird die Kommission ihren Bericht abliefern, kurz bevor der dickste Brocken an Wahlgängen ansteht. Der Kanzler wird dann reizende Worte finden für die "verdienstvolle Arbeit der Experten, die uns ein Stück weit vorangebracht haben auf dem Weg zu ..." und so weiter. Danach packt er den Wälzer schweigend zu den anderen.

Bis dahin ist aber noch Zeit, in der jeder mal eine Idee haben darf. SPD-Generalsekretär Scholz hat in der Silvesternacht von einer "Elite-Uni" geträumt, woraufhin sich überall Bewerberstandorte gemeldet haben, die den Zuschlag bekommen wollen. Hamburg schreit besonders laut und natürlich viel zu früh, da das Projekt doch erst im Anfangsstadium seiner landesüblichen Zerredung steckt. Aber das haben sich die Elbhanseaten ja offenbar angewöhnt, das Frühstarten. Auf läppische Hinweise hin, die lediglich Ort, Zeit-raum, Art und Verantwortliche eines befürchteten Anschlags herga- ben, ließ der dortige Innense- nator Nockemann Großalarm auslösen. Bundesinnenminister Schily geriet außer sich. Besonders grimmig stimmte den Sozialdemokraten, daß ausgerechnet das ihm selbst unterstellte Bundeskriminalamt (BKA) die brandheißen Infos zum Feind an die Alster gefunkt hatte. Vom Dienst-herrn mächtig getadelt, besann sich das BKA später: "Eine abschließende Bewertung des Hinweises ist nicht möglich", stellten Schilys Beamte klar. Dem konnte Hamburg nichts entgegensetzen. Schließlich kann man Wahrscheinlichkeit und Ausmaße eines Attentats erst "abschließend bewerten", wenn die Zahl der Toten und Verletzten zweifelsfrei ermittelt ist. Die Tagesschau-Bilder von Leichen und Ruinen hätten Schily überdies die Möglichkeit gegeben, den Menschen kurz vor der Hamburg-Wahl zu eröffnen, daß der "Law-and-order"-Senat versagt und "wichtigen Hinweisen keine ausreichende Bedeutung beigemessen" hat. Daraus wurde nun nichts. Ärgerlich.

Der Hamburger Innensenator wird seiner Strafe dennoch nicht entgehen - und er ahnt es offenbar selbst. Seine Partei (das ist die Schill-Partei ohne Schill, also die, die noch mitregiert) hat sich statt PRO (für Partei Rechtsstaatlicher Offensive) über Nacht das neue Kürzel "PaRO" zugelegt. Sehr vorausschauend: "Paro" ist das spanische Wort für "Arbeitslosengeld". Die Herren machen sich über ihre Zukunft keine Illusionen. Der echte Schill hat sich derweil mit Börsenfachmann Bolko Hoffmann vereint. Der ist Chef seiner eigenen Pro-DM-Partei, die bislang allen Fährnissen zum Trotz stabile Wahlergebnisse zwischen null und Null Komma nichts eingefahren hat. Da ist also, wie der Börsianer sagt, "noch viel Luft nach oben".

Rot-Grün feilt aus Angst vorm Doppel-Schill emsig am eigenen "Law-and-order"-Profil. Erste Maßnahme: Schwarzarbeit in Haushalten soll fortan als richtige Straftat gelten. Wer mit einer "schwarzen" Putzfrau inflagranti erwischt wird, bekommt mächtig Probleme. Wie sich bei dem unappetitlichen Kannibalen-Prozeß um den Rotenburger Meiwes ergab, ist Kannibalismus übrigens keine Straftat. Wir sollten vorsichtshalber genau beobachten, ob sich das spurlose Verschwinden von Haushaltshilfen in der kommenden Zeit bedenklich häuft.