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17.01.04 / Wurden die Russen nur vorgeschoben? / Fragen zur nicht erfolgten Rückgabe des zwischen 1945 und 1949 in der SBZ konfiszierten Eigentums (Teil I)

© Preußische Allgemeine Zeitung / 17. Januar 2004

Wurden die Russen nur vorgeschoben?
Fragen zur nicht erfolgten Rückgabe des zwischen 1945 und 1949 in der SBZ konfiszierten Eigentums (Teil I)
von Heiko Peters

Juristen bedienen sich untereinander einer formelhaften Sprache, die für juristische Laien häufig unverständlich ist. Insofern bitte ich höflich um Nachsicht, wenn ich im Folgenden einige Fragen stelle, auf die ich bisher keine befriedigenden Antworten erhalten habe.

Als Begründung der Nicht-Rückgabe von Immobilien, die von den Kommunisten in der Zeit zwischen 1945 und 1949 auf dem Boden der Ex-DDR konfisziert worden sind, wurde in den ersten Jahren nach 1990 die angebliche Forderung sowohl der UdSSR als auch der DDR bei den deutschen Wiedervereinigungsverhandlungen genannt, beide Staaten hätten aber als unerläßliche Voraussetzung, als Conditio sine qua non, für die Wiedervereinigung verlangt, daß die Rückgabe der obengenannten Immobilien zu unterbleiben habe.

Vom Bundesverfassungsgericht wurde dies nach entsprechender Schilderung durch die Bundesregierung Kohl in dem berühmten Verfassungsgerichtsurteil vom April 1991 als Hauptgrund für die Rück-gabeverweigerung dargestellt. Bereits kurz darauf kamen erhebliche Zweifel auf, ob die Bundesregierung hier die Wahrheit gesagt habe. Zwischenzeitlich wurden durch eindeutige Äußerungen des ehemaligen sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow, seines Außen- ministers Eduard Schewardnadse und des seinerzeitigen amerikanischen Präsidenten George Bush sen. wie auch durch die eidesstattlichen Erklärungen des Bevollmächtigten der DDR für die Wiedervereinigung, Günther Krause, klargestellt, daß es weder seitens der UdSSR noch seitens der DDR jemals solche Forderungen gegeben habe. Für einen heutigen Betrachter ist überdies erstaunlich, daß der seinerzeitige Richter am Bundesverfassungsgericht, Roman Herzog, nach eigenem Bekunden Abgeordnete der Volkskammer dahingehend beraten habe, eine entsprechende Änderung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland zu verlangen, um einen Restitutionsausschluß auf gesetzlich feste Basis zu stellen. Es nimmt wunder, daß Roman Herzog sich dann in der entsprechenden Gerichtsverhandlung nicht für befangen erklärt hat, da er doch offensichtlich selber an der Problematik beteiligt war, über die er zu urteilen hatte.

Erstaunlich ist weiter, daß vom Gericht nur die Zeugen der Regierungsseite gehört worden sind, nämlich der letzte Präsident der DDR, Lothar de Maiziere, und von seiten der Bundesregierung der lediglich an untergeordneter Stelle an Verhandlungen beteiligte Klaus Kinkel, der spätere Außenminister, Genscher und Günther Krause nicht als Zeugen geladen wurden. Erstaunlich ist ferner, daß das Gericht den erstgenannten Personen, nämlich de Maiziere und Kinkel, den Status von Berichterstattern zugestanden hatte, obwohl normalerweise vor Gericht nur Zeugen aussagen dürfen. Dies läßt zumindest den Verdacht aufkommen, daß diese beiden Zeugen gegen eine spätere strafrechtliche Verfolgung wegen falscher Aussagen vor Gericht immunisiert werden sollten.

Es nimmt ferner wunder, daß der Rechtsprofessor Roman Herzog auf späteres Befragen nach den Gründen für sein Urteil, mit dem die Rückgabe verweigert wurde, sinngemäß festgestellt hat: "Da wir anderes Unrecht, das in der Zeit der kommunistischen Diktatur auf dem Boden der DDR geschehen war, auch nicht wiedergutmachen konnten, wollten wir auch die Immobilien nicht zurückgeben." Jeder Jurastudent im ersten Semester weiß, daß es Gleichheit im Unrecht in einem Rechtsstaat nicht gibt. Außerdem ist erstaunlich, daß zum Verbot von Konfiskationen privater Immobilien, das in der Haager Landkriegsordnung in Artikel 46, Absatz 3 festgeschrieben ist, nur mit dem lapidaren Satz Bezug genommen wird: "Solche Rechte konnten nicht festgestellt werden." Immerhin waren sowohl die DDR durch ihre Verfassung als auch die Bundesrepublik durch ihr Grundgesetz gebunden, das internationale Völkerrecht zu beachten und dem jeweiligen nationalen Recht im Rang voranzustellen.

Nachdem durch Äußerungen der Politiker, die während der Wendezeit politische Verantwortung getragen hatten, erhebliche Unruhe unter den Opfern der Konfiskation ausgebrochen war, da die Darstellung der Bundesregierung vor dem Verfassungsgericht offenbar in wesentlichen Teilen nicht der Wahrheit entsprach, kam es zu einer zweiten Klage vor dem Verfassungsgericht, die im Jahre 1996 ebenfalls mit einer Niederlage der Opfer endete.

Diesmal wurde jedoch nicht mehr auf eine Conditio sine qua non durch die DDR oder die UdSSR abgehoben, sondern es wurde von der Bundesregierung vorgetragen, sie habe eine solche unterstellt und habe deshalb auf eine Änderung des Grundgesetzes hinarbeiten müssen, um die deutsche Wiedervereinigung nicht zu gefährden. Auch diese Begründung unterliegt in der Zwi-schenzeit erheblichen Zweifeln, von denen ich einige nenne:

Zunächst einmal sei an einige historische Tatsachen erinnert: Nach den massenhaften friedlichen Demonstrationen in der DDR vor und nach dem Mauerfall am 9. November 1989 hatte die Regierung keine Handhabe mehr, sich der von der übergroßen Mehrheit der eigenen Bevölkerung gewollten Wiedervereinigung in den Weg zu stellen. Es sei

daran erinnert, daß es Demonstrationszüge von 250.000 Menschen in Ostberlin und von mehreren hunderttausend Leuten in Leipzig und Dresden gab, sowie die Erstürmung der Stasizentrale in Ostberlin, die Übergabe der Verwaltung von wesentlichen Versorgungsunternehmungen in Berlin an die westdeutschen Behörden und ähnliches auf breiter Front. Aus dem Ruf der Menge "Wir sind das Volk" wurde sehr schnell der Ruf "Wir sind ein Volk". Kohl berichtet übereinstimmend mit Gorbatschow in seinen Memoiren über die Tage der Wiedervereinigung: "Bei meinem Besuch im Kreml stellte ich sehr schnell am 10./11. Februar 1990 fest, daß Übereinstimmung zwischen Gorbatschow und mir darüber herrschte, daß die deutsche Wiedervereinigung nicht mehr aufzuhalten sei, sondern nur noch darüber geredet werden konnte, in welcher Form sich eine solche Wiedervereinigung abspielen sollte." Aus diesem Grunde stellten die beiden bereits am 10./11. Februar 1990 im Kreml-Büro von Gorba-tschow die entsprechenden Weichen, und Bundeskanz-ler Kohl antwortete nach seiner Bemerkung bei der Landung in Köln-Wahn nach dem Rückflug von Moskau, "Ich habe die deutsche Wiedervereinigung im Gepäck", auf die Frage der wartenden Journalisten "Zu welchen Konditionen?" wahrheitsgemäß: "Ohne jede Bedingung."

Gorbatschow hatte bereits im Kreis seiner Mitarbeiter am 28. Januar dem Oberbefehlshaber der sowjetischen Besatzungstruppen in der DDR, Marschall Achromejew, den Befehl gegeben, den Abzug seiner Truppen aus der DDR vorzubereiten. Mit diesem Abzugsbefehl führte Gorbatschow konsequent eine Politik fort, über die sein engster außenpolitischer Berater Daschischew berichtet hat, daß ihr Ziel der Abzug aus sämtlichen europäischen Ländern und das friedliche Zusammenarbeiten der Völker gewesen sei, Glasnost und Perestroika seien die Schlagworte gewesen, unter denen sich diese revolutionäre Umkehr der russischen Politik seinerzeit vollzog. Fortsetzung folgt

Grundgesetzartikel 143/3 - "Unabhängig von Absatz 1 und 2 haben Artikel 41 des Einigungsvertrags und Regelungen zu seiner Durchführung auch insoweit Bestand, als sie vorsehen, daß Eingriffe in das Eigentum auf dem in Artikel 3 dieses Vertrages genannten Gebiet nicht mehr rückgängig gemacht werden."

Nur noch eine Frage des "Wie": Bei seinem Besuch im Kreml am 10. und 11. Februar 1990 stellte Helmut Kohl sehr schnell eine Übereinstimmung zwischen Gorba-tschow und sich darüber fest, daß die deutsche Wiedervereinigung nicht mehr aufzuhalten sei. Foto: pa