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24.01.04 / Die Aromunen: Im Garten der Völker / Fast unbeachtet leben in Europa kleine und kleinste Ethnie

© Preußische Allgemeine Zeitung / 24. Januar 2004

Die Aromunen: Im Garten der Völker
Fast unbeachtet leben in Europa kleine und kleinste Ethnien 

Die Einzigartigkeit Europas besteht nicht allein in der Vielfalt seiner größeren, staatsbildenden Völker. Das kulturelle Mosaik unseres Heimatkontinents gewinnt seine schillernde Farbigkeit erst durch die Gesamtheit aller Ethnien, zu der auch kleine und kleinste Völkerschaften gehören. Was den mitteleuropäischen Raum betrifft, so denke man nur an die Sorben und Friesen in Deutschland, an die fast ausgestorbenen Liven in Lettland, die Goralen in Polen, die Ladiner in Südtirol, die Jassen in Ungarn, die Ruthenen in der Karpatenukraine oder die Gagausen in Moldawien (Bessarabien). Manche dieser Völker sind einer breiteren Öffentlichkeit unbekannt; nicht selten droht der Ethnozid und damit zugleich das Verschwinden einmaliger Sprachen. Daß es trotz aller vereinheitlichenden Tendenzen im Zeitalter der Globalisierung überraschende "Wiedergeburten" von Völkern und Sprachen geben kann, das zeigen eindrucksvoll die Waliser. Auch auf dem Balkan gibt es kleine Völker, die verbissen um ihre kollektive Existenz kämpfen. - Etwa die Pomaken in Bulgarien oder die stark verstreut lebenden Aromunen (oder "Wlachen" bzw. "Mazedo-Romanen" im Unterschied zu den Dako- und Räto-Romanen genannt) . 

Letztere finden in der Presse nur höchst selten Erwähnung. In jüngster Zeit etwa mit dem Hinweis der Nachrichtenagentur BETA, daß am 11. Januar in Ostserbien ein Ausschuß zur Gründung einer "Demokratischen Partei der Wlachen in Serbien" gebildet wurde. "Jedes Volk, jede Kultur ist wie eine Blume im Garten der Völker. Stirbt eine Blume, so verliert der Garten an Vielfalt und Schönheit." Mit diesen Worten umschreibt Prof. Vasile Barba, Vorsitzender des "Europäischen Zentrums für Aromunische Studien" in Freiburg, sein Ideal einer künftigen Gestaltung Europas. Selbst aromunischer Herkunft, liegt Barba das Überleben jenes Volkes besonders am Herzen, dessen Sprache eng mit dem Rumänischen verwandt ist und dessen Ursprünge in der römischen Kolonisation des Balkans ab dem 3. Jahrhundert v. Chr. liegen. Als autochthone Bevölkerung, hervorgegangen aus der Vermischung latinisierter Illyrer mit römischen Legionären, leben die Aromunen in fünf Balkanstaaten. Ihre Identität stiftet vor allem die eigene Sprache, die ein für Linguisten hochinteressantes Überbleibsel der alten Balkan-Latinität ist. Um eben diese Muttersprache und damit um die eigenständige Kultur der Aromunen sieht es heute beileibe nicht überall gut aus. Von mehr als 500 000 Aromunisch-Sprachigen zu Beginn des 20. Jahrhunderts sind noch etwa die Hälfte übriggeblieben - verteilt auf das Gebiet Griechenlands, Mazedoniens, Albaniens, Bulgariens und Serbiens sowie in der Diaspora in Rumänien, Deutschland, den USA und Australien. 

Eine aromunische Staatlichkeit existierte bloß im 12. und 13. Jahrhundert in Form der großen, der kleinen und der oberen Walachei. Die in Griechenland beheimateten Aromunen sind ebenso wie die dort lebenden Albaner dem Assimilationsdruck infolge der hellenistischen Staatsidee ausgesetzt, die mit dem rigiden französischen Zentralismus verglichen werden kann. Spätestens seit dem Zweiten Weltkrieg behandelt Athen die "Kutzowlachen", wie die Aromunen dort genannt werden, als "Hellenen", denen man keine kulturellen Sonderrechte zugesteht. Die traditionellen Siedlungsgebiete der Aromunen in Griechenland liegen in Ägäisch-Mazedonien sowie in Thessalien und Epirus. Trotz der jahrzehntelangen Hellenisierung sind heute noch viele "Kutzowlachen" zweisprachig. Vasile Barba schätzt die Zahl der in Griechenland lebenden Aromunen mit aktiven oder passiven Kenntnissen ihrer Muttersprache auf 600 000 Personen. Allerdings ist es schwierig, überhaupt genaue Angaben zu machen, da entsprechende Volkszählungsdaten fehlen. 

Würde man nach der Abstammung gehen, so hätten nach Aussage Barbas dreiviertel aller Bewohner der Balkanhalbinsel auch aromunisches Blut in ihren Adern. Die zweitgrößte aromunische Gruppe ist in Albanien zu Hause, wo sie mit 15 Prozent der drei Millionen Einwohner die stärkste Minderheit stellt. Weitere 15 000 Aromunen leben Prof. Barba zufolge in Serbien und 10 000 in Bulgarien. In Rumänien wohnen etwa 150 000 aromunische Flüchtlinge, die sich nach dem Ersten Weltkrieg in der Dobrudscha niederließen. Am besten ergeht es dem kleinen Volk heute außer in Rumänien in der Republik Mazedonien. Die Regierung in Skopje hat 1996 als erste überhaupt die aromunische Sprache an den Schulen zugelassen. Außerdem sind die Aromunen in der Verfassung als eigenes Volk anerkannt. (MS)