19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
24.01.04 / Die diversen Leben eines ungewöhnlichen Filmstars / Das 1913 in Deutschland gebaute Schiff "Graf Goetzen" aus dem Filmklassiker "The African Queen" ist noch heute im Dienst

© Preußische Allgemeine Zeitung / 24. Januar 2004

Die diversen Leben eines ungewöhnlichen Filmstars
Das 1913 in Deutschland gebaute Schiff "Graf Goetzen" aus dem Filmklassiker "The African Queen" ist noch heute im Dienst 

Wohl weltberühmt wurde sie durch ihre Rolle in dem Spielfilmklassiker "The African Queen", wo sie neben den beiden Sympathieträgern Humphrey Bogart und Katharine Hepburn den Bösewicht, das deutsche Kanonenboot "Luisa", spielt. Während die "Luisa" jedoch am Ende des Films von den beiden Helden in die Luft gesprengt wird, ist ihre Darstellerin, die "Graf Goetzen", unter ihrem jetzigen Namen "Liemba" noch immer in Afrika unterwegs. Ihre Geburtsstunde schlug kurz vor dem Ersten Weltkrieg. Damals erhielt die Maschinenfabrik und Schiffswerft Joseph L. Meyer in Papenburg von der Ostafrikanischen Eisenbahn-Gesellschaft den Auftrag, ein Schiff für den Fracht- und Passagierverkehr auf dem Tanganjika-See in Ostafrika zu bauen. Die Stapellegung erfolgte im Februar 1913. Hartnäckig hält sich bis heute das Gerücht, daß der Zweck und Anlaß dieses Auftrages es war, Kaiser Wilhelm II. bei einem Besuch anläßlich des dreißigjährigen Bestehens deutscher Schutzgebiete in Afrika im Jahre 1914 ein standesgemäßes Schiff für eine Kreuzfahrt über den Tanganjika-See zur Verfügung stellen zu können. Der Doppelschraubendampfer war 67 Meter lang und zehn Meter breit. Die Seitenhöhe bis zum Hauptdeck betrug 3,40 Meter und der Tiefgang bei 480 Tonnen Ladung, 60 Tonnen Kohle und zehn Tonnen Wasser 2,3 Meter. Die beiden Dreifachexpansionsmaschinen hatten eine Stärke von 500 PS. Der dafür nötige Dampf konnte in den Rundkesseln wahlweise mit der Verfeuerung von Kohle, Holz oder Öl erzeugt werden. 

Die Beleuchtung und Lüftung erfolgte elektrisch und für den Transport leichtverderblicher Lebensmittel gehörte auch eine Eismaschine zur technischen Ausstattung. Des weiteren wurde das Dampfschiff mit zwei stählernen Masten mit jeweils einem stählernen Ladebaum von zwei und zehn Tonnen Tragkraft, zwei Dampfladewinden, einer Dampfrudermaschine sowie, neben den üblichen Rettungsbooten, einer Gig und einem Kutter ausgestattet. Für die Bewältigung der langen Reise von Papenburg zu seinem Einsatzgebiet wurde der 1.200-Tonnen-Dampfer als Bausatz gebaut. Um sicherzugehen, daß sich das Schiff in Afrika auch zusammenbauen läßt, wurde es nach der Fertigstellung noch im Jahre der Stapellegung in Papenburg probeweise zusammengebaut, zu Wasser gelassen und im nassen Element ausprobiert. Nach gelungener Generalprobe in der Heimat wurde das Produkt im November 1913 vom Auftraggeber abgenommen. Der Bausatz wurde wieder auseinandergenommen und in seine Einzelteile zerlegt in rund 5.000 Kisten à acht Kubikmeter nach Hamburg gebracht, um von dort an Bord eines Überseefrachters der Deutschen Ost-Afrika-Linie (DOAL) nach Daressalam verbracht zu werden. Von dort ging es die verbleibenden über 900 Kilometer auf dem Landwege unter Nutzung der teilweise bereits fertiggestellten Mittellandbahn zum Tanganjika-See, wo das Schiff in einer vor Ort neu errichteten Werft ein zweites Mal zusammengebaut wurde. Am 5. Februar 1915 fand der Stapellauf am Bestimmungsort statt. Damit wurde die "Graf Goetzen" das größte Schiff, das je den Tanganjika-See befahren hat. Der Erste Weltkrieg war inzwischen ausgebrochen, und so wurde das Schiff militärisch als Truppentransporter für die Soldaten des Kommandeurs der Schutztruppen von Deutsch-Ostafrika, des legendären Paul von Lettow-Vorbeck, genutzt. 

Zu seiner Verteidigung wurde der Dampfer mit drei 3,7-Zentimeter-Revolverkanonen, zwei 8,8-Zentimeter-Geschützen und einer 10,5-Zentimeter-Kanone ausgestattet. Obwohl die "Graf Goetzen" erfolgreich operierte, verschlechterte sich die Kriegslage vor Ort, und ab Mitte Mai 1916 war das Schiff nicht mehr einsetzbar, da seine von den Schutztruppen dringend gebrauchten schweren Waffen demontiert worden waren. Um das nun weitgehend verteidigungsunfähige Schiff nicht in die Hände des vorrückenden Feindes fallen zu lassen, entschloß sich sein Kapitän zur Selbstversenkung, die am 26. Juli 1916 erfolgte. Damit das Schiff nach dem Krieg wieder genutzt werden konnte, wurden die empfindlichen wertvollen Maschinenteile vorher gut eingefettet. Von dieser Maßnahme profitierten die Briten, die Deutsch-Ostafrika nach dem Krieg als Treuhandgebiet vom Völkerbund zugesprochen bekamen beziehungsweise sich zusprechen ließen. Sie hoben das Schiff, setzten es instand und stellten es 1927 wieder in Dienst. Graf Goetzen war Gouverneur von Deutsch-Ostafrika gewesen und so wurde die "Graf Goetzen" naheliegenderweise von ihren neuen Besitzern umbenannt. 

Am 16. Mai 1927 erhielt sie mit "Liemba" den vergleichsweise unpolitischen Namen eines Ausläufers des Tanganjika-Sees. In der ersten Hälfte der 60er Jahre verloren die Briten im Rahmen der Dekolonialisierung mit der ehemals deutschen Kolonie auch das ehemals deutsche Schiff an die Afrikaner. Während die Ex-Kolonie jedoch 1964 mit Tansania einen neuen Namen erhielt, behielt das Schiff seinen unverfänglichen Namen "Liemba". 1970 wollte der neue Besitzer das mittlerweile schon weit über ein halbes Jahrhundert alte Schiff verschrotten, doch der pensionierte irische Schiffsingenieur Patrick Dou-gherty verliebte sich rechtzeitig in das mittlerweile weltweit älteste Dampfschiff und konnte Tansanias Staatschef für eine Rettungsaktion gewinnen. Nach erfolgter Restaurierung wurde der Dampfer 1976 (nach 1913, 1915 und 1927 ein viertes Mal) dem nassen Element übergeben. Anfang der 90er Jahre wurde das nächste und bisher letzte Mal die Existenz des Schiffes bedroht. Tan-sanias Regierung beauftragte die dänische Werft Danida mit einem Gutachten, ob sich eine Restaurierung lohne. Zum Glück für das Schiff fand es auch in dem von den Dänen entsandten Gutachter einen Freund und so wurde es für 26 Millionen dänische Kronen zu einem Schmuckstück des von ihm nach wie vor befahrenen Tanganjika-Sees luxussaniert. Manuel Ruoff 

"Graf Goetzen": In ihrer ersten Verwendung als Truppentransporter
Fortsetzung folgt