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31.01.04 / Pillaus Museum sucht Exponate / Nicht nur seitens des Stadtmuseums sind die Erwartungen gegenüber den Deutschen groß

© Preußische Allgemeine Zeitung / 31. Januar 2004

Pillaus Museum sucht Exponate
Nicht nur seitens des Stadtmuseums sind die Erwartungen gegenüber den Deutschen groß
von Erich Lau

Die Einladung für das Visum in die Russische Föderation sowie den Passierschein für Pillau hatte mir Andre Tschumatschenko, einer meiner russischen Bekannten, in Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung in Pillau verschafft. Im übrigen habe ich nach den mir zugegangenen Informationen den Eindruck, daß es eher schwieriger als leichter wird, Visa und Passierscheine zu bekommen. Wegen der Höhe der Visagebühren liege ich mit dem russischen Generalkonsulat in Hamburg noch im Clinch.

Ich flog mit der polnischen Flug-linie LOT in 90 Minuten von Hamburg nach Danzig. Von dort holte mich Andre ab und brachte mich in vier Stunden mit dem Personenkraftwagen nach Pillau. Das ist zusammen nur ein Bruchteil der früheren Reisezeiten mit Schiff, Bahn oder Bus. Mit dem Schiff reist man natürlich weitaus bequemer.

Der Grenzübertritt bei Heiligenbeil dauerte auf der Hinfahrt rund eine Stunde, auf der Rückreise jedoch fast zwei Stunden. In Pillau konnte ich dank der Vorsorge durch Andre sofort eine Wohnung in der Tannenbergstraße gegenüber dem Wasserturm beziehen. Für die kleinen Wege stand mir ständig ein Fahrrad, das ich früher einmal nach Pillau "angeliefert" hatte, zur Verfügung; eine große Hilfe, wenn man - wie ich mit Jahrgang 1929 - nicht mehr gut zu Fuß ist.

Für einen Euro bekommt man gegenwärtig rund 36 Rubel. Das bedeutet hinsichtlich des täglichen Bedarfs mindestens die doppelte Kaufkraft im Verhältnis zu unseren Preisen.

Neu ist bei den Formalitäten, daß man bei der Einreise ein zusätzliches Dokument mit Einreisestempel mit auf den Weg bekommt. Darauf muß man sich bei der örtlichen Miliz seine Anwesenheit bestätigen lassen. Da meine Einladung aus Königsberg kam, mußte ich diese Formalität dort erledigen lassen, obwohl ich in Pillau wohnte. Diese Geschichte hat mich mehr als einen halben Tag Zeit gekostet. Bei der Ausreise muß dieses Papier vorgelegt werden zum Nachweis dafür, daß man nicht "untergetaucht" war.

In der Stadt hat sich dem ersten Anschein nach, der aber teilweise trügt, in den vergangenen vier Jahren wenig verändert; keine Infrastruktur, kein Tourismus, obwohl die See, ein großer Hafen, ein herrlicher endloser Strand und gewaltige Dünen geradezu einladen. Das Militär bremst offensichtlich weiterhin die Stadtentwicklung, obwohl in den Hafenbecken viele Marineschiffe vor sich hinrosten. In Pillau I sind einige Häuser renoviert worden. Die Straßenverhältnisse dagegen muß man nach wie vor als katastrophal bezeichnen. Die

Schlaglöcher sind in den Nebenstraßen tiefer und zahlreicher geworden. Nach längeren mittelschweren Regenfällen hatte fast die gesamte Horst-Wessel-Allee, die vor einigen Jahren gut ausgebaute Hauptverbindungsstraße zwischen Pillau I und Pillau II, "Land unter". Auch viele Nebenstraßen waren für Personenkraftwagen schwer passierbar, mit dem Rad konnte man sich nur im Slalom fortbewegen.

Als Fußgänger braucht man bei diesen Bedingungen auch im Sommer festes Schuhwerk. Wer zum erstenmal hier ist, kann sich in dem Gewirr von riesigen neunstöckigen Wohnblocks, Häuserkarrees, schadhaften Zwischenwegen, verschlungenen Fußpfaden, überdimensionalen Bordsteinkanten, abgestürzten Übergängen vom Weg zur Straße und so weiter hoffnungslos verirren. (Ist das eine Reminiszenz an den früheren Gesang "Ein Fremder kann sich hier verbiestern" aus dem Lied "O Pillau, wie bist du so schön"?) Die Ordnung um die Häuserblocks herum und dazwischen ist dürftig; niemand hält sich für zuständig; das gilt auch für viele Treppenhäuser. Eine Art Aufbruchstimmung, wie sie die RWTH Aachen - Institut für Städtebau und Landesplanung - in ihrem Wiederaufbaukonzept für den Altstadtteil Pillau von 1997 im Interesse des Gemeinwesens angedeutet hat, ist nicht erkennbar.

Aber was soll's, daß wir immer wieder hierher kommen, liegt daran, daß man seine Heimatstadt trotz allem wiedererkennt, wenn sich die Einwohnerzahl auch mehr als verdoppelt hat und viele der Elternhäuser unter bewachsenen Hügeln liegen beziehungsweise überbaut sind. Auch haben viele von uns Ehemaligen seit 1990 persönliche Kontakte zu den russischen Bewohnern Pillaus angeknüpft. Es haben wechselseitige Besuche stattgefunden. Unsere Heimaterinnerungen und die Suche der russischen Einwohner nach einer Identität, die sie auch aus der Stadtgeschichte beziehen, verbinden. Die Russen in Pillau leben in zweiter und dritter Nachkriegsgeneration dort; sie haben unser Vertreibungsschicksal nicht verschuldet. Und schließlich: der Strand und die Urnatur auf den Dünen sind wie eh und je. Ebenso Wellenschlag und Meeresrauschen, wie es beides in dieser "Stimmungslage" nur hier gibt.

Neben anderem stand auch ein Besuch im Rathaus auf meinem Programm. Ich wurde als Vorstandsmitglied der Heimatgemeinschaft Seestadt Pillau e.V. vom stellvertreten-

den Bürgermeister Viktor Koschelew und von der Sachbearbeiterin für Kulturangelegenheiten Valentina Avonina empfangen. Diesem Empfang war die Bitte vorausgegangen, für das in der Gründung befindliche Stadtmuseum für Geschichte und Heimatkunde Materialien zur Geschichte Pillaus zur Verfügung zu stellen. Für das Museum sind im Kulturhaus für den Anfang zwei und später drei Räume vorgesehen. Diesem Wunsch hatte unser Vorstand entsprochen. In meinem Gepäck befanden sich Bücher, andere Schriften und sonstige Exponate. Die Übergabe dieser Materialien wurde zum "großen Bahnhof" einschließlich Presse. Zugegen waren im weiteren Verlauf der Gespräche auch die designierte Direktorin des Stadtmuseums, Eva Schalaginova, zugleich Vorsitzende des Vereins für Heimatforschung (der Verein "Gesellschaft Pillau" - früher unser Partnerverein - existiert nicht mehr) sowie die Vereinsmitglieder Galina Lozhkowa und Ludmilla Gorünowa. Als Dolmetscherin fungierte Sinaida Safonowa; aber auch die Vereinsmitglieder sprechen recht gut deutsch. Die Damen stellten viele Fragen zur Geschichte Pillaus, die ich nur zum Teil beantworten konnte; ungeklärte Fragen, wie beispielsweise nach Quitschen Eck, der Definition einer Lomme oder nach Bezugsquellen für bestimmte Heimatliteratur habe ich zur Beantwortung mitgenommen. Es ist erstaunlich, mit welcher Intensität in diesem Verein akribisch gearbeitet wird. Davon konnte ich mich auch später bei mehreren Gelegenheiten überzeugen. Standardwerk ist bei der stadtgeschichtlichen Arbeit Bernd Wöbkes 1975 erschienene Jubiläumsschrift "250 Jahre Stadt Pillau".

Auf meine Frage nach dem Verbleib unserer bisher (seit 1992) bei diversen Gelegenheiten übergebenen Materialien antwortete Viktor Koschelew, diese Gegenstände befänden sich im "Eigentum" von Schulen und anderen Institutionen und stünden daher für das Stadtmuseum nicht zur Verfügung. Im übrigen bat Viktor Koschelew um eine Schenkungsurkunde hinsichtlich der übergebenen und eventuell noch folgenden Gegenstände, sozusagen zur Eröffnung des Stadtmuseums. Weiter bat er um Fotos der ersten vertriebenen und geflüchteten deutschen Pillauer in Pillau nach Öffnung des "Eisernen Vorhanges.

Bezüglich weiteren Materials bittet Viktor Koschelew um Fotos (auch Reproduktionen) und entbehrliche Gegenstände aller Art für das neue Museum. Dieser Wunsch richtet sich auch an die Kreisgemeinschaft Fischhausen in Pinneberg, mit der die Stadt Pillau einen Partnerschaftsvertrag unterhält. Insoweit wurde ich gebeten, das Ersuchen weiterzuleiten.

Viktor Koschelew führte im Verlauf der Begegnung weitergehend aus, daß Pillau von Lübeck aus zweimal wöchentlich von einer Frachtfähre der Finnlines Deutschland angelaufen werde. Dafür sei eine Pier im Hafenbecken 3 (bis 1945 Hafenbecken IV) angelegt worden; Personen würden jedoch nur zusammen mit einem Auto befördert werden. In der zweiten Ausbaustufe des Hafenbeckens 3 werde gegen-

über der jetzigen Pier eine weitere Pier, und zwar für den Passagierverkehr, eingerichtet; mit der Fertigstellung könne wohl noch in diesem Jahr gerechnet werden. Später folge eine dritte Ausbaustufe für weitergehenden Frachtverkehr. Für große Containerschiffe und Tanker werde außerdem in Camstigall ein Hafen gebaut,

Viktor Koschelew bat ferner, der Bürgermeisterin von Eckernförde, Frau Jeske-Paasch, Grüße und die vorstehenden Informationen zu übermitteln mit der Bitte, die Partnerschaftsansätze möglichst auszubauen.

Zwei Tage nach diesem Rathaustermin wurde ich durch die städtische Sachbearbeiterin für Kulturangelegenheiten, Va-lentina Avonina, bezüglich des geplanten Museums erneut zu einem vertiefenden Gespäch gebeten, an dem auch wieder Vereinsmitglieder teilnahmen. Das Stadtmuseum, unterstützt durch den Heimatforscherverein, bittet in Ergänzung der Ausführungen von Viktor Koschelew um Informationen, Bücher, Schriften aller Art und dergleichen über Pillau und Fischhausen. Es bestehe wirklich großes Interesse; alles werde bearbeitet und umgesetzt. Das Interesse beziehe sich auch auf aktuelle Informationen aus Eckernförde. Die Postzustellung funktioniert in letzter Zeit recht gut. Sendungen werden erbeten an das Museum der Stadt Pillau zu Händen Eva Schalaginowa, Leningradskajastr. 2, 238520 Baltijsk. Telefonisch ist das Museum über die Nummer 007 01145 21273 zu erreichen, per Fax über 007 01145 22669.

An Pillaus Hafenbecken 3 (früher IV): (v.l.n.r.) Igor Diki, der Direktor des Beckens, Eva Schalaginova,

die designierte Direktorin des neuen Stadtmuseums für Geschichte und Heimatkunde mit ihrer Tochter sowie der stellvertretende Vorsitzende der Heimatgemeinschaft Seestadt Pillau Erich Lau

Foto: Lau