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07.02.04 / Akzeptanz und Vertrauen auf beiden Seiten / Polen und Deutsche entdecken die wirtschaftlichen Chancen im jeweiligen Nachbarland

© Preußische Allgemeine Zeitung / 07. Februar 2004

Akzeptanz und Vertrauen auf beiden Seiten
Polen und Deutsche entdecken die wirtschaftlichen Chancen im jeweiligen Nachbarland
von Bernhard Knapstein

"Die reinste polnische Wirtschaft!" - So lautet noch heute hierzulande oft die vom Entsetzen geprägte Antwort über Mißwirtschaft und Desorganisation, sei sie nun im privaten Haushalt oder in der Wirtschaft anzutreffen. Das könnte sich bald ändern. Jedenfalls brummt die polnische Wirtschaft derzeit ordentlich. Polnische Unternehmen haben von Januar bis November 2003 Waren im Wert von 42,7 Milliarden Euro exportiert. Dies entspricht einem Wachstum von 6,8 Prozent. Die Wirtschaftsbeziehungen zu Schweden, den Niederlanden und Tschechien haben dabei einen besonders starken Ausbau erfahren. Dennoch, Deutschland ist noch mit 32,5 Prozent des polnischen Exports der wichtigste Handelspartner Polens. Deutschland ist, gemeinsam mit Rußland, aber auch das wichtigste Importland.

Daß die deutsche Wirtschaft Interesse am polnischen Markt hat, kann man schon am Erscheinungsbild der Industriegebiete und Einkaufszentren erkennen. Deutsche Supermarktketten breiten sich auf dem polnischen Markt aus. Der Metro-Konzern hat in Polen bisher allein 1,125 Milliarden US-Dollar investiert und liegt damit auf Platz zwölf der größten Auslandsinvestoren überhaupt. Der Konzern hat in Polen inzwischen 240.000 Beschäftigte und ist damit der größte Arbeitgeber in der Branche der Supermarktketten. Er ist mit Märkten wie Metro/Makro C&C, Real, Extra, Media-Markt, Saturn, Praktiker und Kaufhof vertreten. Allein der Real-Markt ist mit 27 Supermärkten in Polen vertreten, die inklusive Nebenbetrieben über 8.000 Menschen Lohn und Brot geben. Die zwei größten deutschen Supermarktketten in Polen sind Plus-Discount mit 150 Filialen und Lidl mit 70 Filialen.

Polnische Investitionen in Deutschland erkennt man zum Beispiel an der Ausbreitung der polnischen Orlen- und Star-Tankstellen, die sich unter die Tankstellen der altbekannten Öl-Giganten Shell/Dea und Aral/BP mischen. Die 130 Orlen- und 330 Star-Tankstellen in Deutschland gehören zu 28 Prozent dem polnischen Staat. Der Deutschland-Chef der börsennotierten PKN Orlen, Jean-Jacques Verschueren, gibt sich nach Angaben der Berliner Morgenpost optimistisch. "Wir waren eine unbekannte Marke, und dann noch von polnischer Herkunft. Jetzt sind wir akzeptiert."

Investitionen machen sich bezahlt. Dieser Grundsatz gilt auch für den polnischen Arbeitnehmer, denn der konnte sich konsumfreudig verhalten und kaufte zum Beispiel Mobilfunkgeräte, Computer und Neuwagen. Das Mobilfunkgerät erobert den polnischen Markt handstreichartig. Die Anzahl der Handynutzer ist im Vorjahr um 3,5 Millionen auf 17,4 Millionen Personen angewachsen. Inzwischen kommen auf 100 Einwohner 43 Handys. Im selben Jahr wurden in Polen 1,2 Millionen Computer verkauft. Für 2004 wird ein Zuwachs von 15 bis 20 Prozent erwartet. Auch die Witze über die Herkunft polnischer Autos dürften hierzulande etwas nachlassen. Obwohl der durchschnittliche Pkw-Preis für einen Neuwagen 2003 um 12.000 Zloty gestiegen ist, wurden im Jahre 2003 350.000 Neuwagen verkauft. So viele wie nie zuvor.

Doch auch für den Staat wird sich der Wirtschaftsboom bezahlt machen. Die Anhebung von Verbrauchs- und Mehrwertsteuer zum 1. Mai 2004 wird nach Schätzung der Gazeta Lubuska Preissteigerungen in allen Lebensbereichen nach sich ziehen. Der Pkw wird um fünf bis sieben Prozent teurer werden. Im Bereich der Lebensmittel etwa wird ab Mai 2004 eine schrittweise Preissteigerung für Zucker um 40 Prozent und für Brot um 20 Prozent erwartet. Ab Mai gilt auf Kosmetika eine Verbrauchssteuer von 65 Prozent. Die Preise für Wohneigentum werden ab Mai um bis zu 22 Prozent steigen, da eine entsprechende Mehrwertsteuer auf Baumaterialien, Baugrundstücke und Bauleistungen erhoben wird. Schmerzhaft dürften für die zumeist kinderreichen Familien auch die künftig 22 Prozent Mehrwertsteuer auf Kinderartikel und Schulutensilien sein.

Der Wohlstand in Polen steigt ungeachtet dieser Preissteigerungen, ohne daß sich eine Wohlstandsschere zwischen arm und reich überdeutlich abzeichnen dürfte. Und mit diesem Zuwachs an Wohlstand schwindet, auch wenn ein innerer Zusammenhang nicht belegbar ist, das Vertrauen in die Gewerkschaften. Nach einer Umfrage der Rzeczpospolita sind 85 Prozent aller Befragten der Ansicht, daß Gewerkschaften nur die Interessen ihrer Funktionäre vertreten. Mehr als 50 Prozent der Befragten sind überzeugt, daß Streikaktionen nicht dem Wohle aller Mitarbeiter dienen.

Eines steht jedenfalls fest: Die polnische Wirtschaft gewinnt an Vertrauen und gewinnt deutsche Kunden. Das ist nicht zuletzt auch ein Verdienst deutscher Unternehmen, die in Polen den künftigen EU-Binnenmarkt erobert haben.