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14.02.04 / Kant und die Folgen

© Preußische Allgemeine Zeitung / 14. Februar 2004

Hans-Jürgen Mahlitz:
Kant und die Folgen

Kant und die Folgen - unter diesem Arbeitstitel lief bei 3SAT eine Woche lang eine Serie über große Philosophen des 19. und 20. Jahrhunderts. Serientitel und zeitlicher Anlaß (der 200. Todestag Kants am 12. Februar) waren zugleich Programm: Es war der Denker aus Königsberg, der den Anstoß gegeben hatte zur Blütezeit der deutschen und europäischen Philosophie.

Ein entscheidender Aspekt aber unterscheidet Immanuel Kant von allen Philosophen, die ihm folgten (dies ist nicht nur zeitlich gemeint): Soviel seine gesammelten Werke dem Leser auch abverlangen, es geht doch nie der Bezug zum Lebensalltag, zum gesellschaftlichen und politischen Umfeld des Menschen verloren. "Reine Vernunft" und "praktische Vernunft", so die Titel seiner Hauptschriften, gehören zusammen, bedingen einander.

Ganz anders bei den Philosophen des 20. Jahrhunderts. Da scheint nur noch die "reine Vernunft" zu herrschen. Selbst wenn es mit viel Mühsal gelungen ist, sich durch viele hundert Seiten hindurchzuarbeiten, selbst wenn man dann das stolze Gefühl hat, den großen Denker einigermaßen verstanden zu haben - am Ende fragt man sich doch entnervt: Was habe ich nun davon? Was kann ich für mich persönlich, für meine Lebensplanung, für mein Verhalten anderen gegenüber daraus lernen?

Die Antwort fällt in den meisten Fällen negativ aus: nichts. Zeitgenössische Philosophie hat mit dem "wirklichen Leben" in aller Regel nichts zu tun. Bei den seltenen Ausnahmen ist das Resultat ebenfalls negativ. Nehmen wir als Beispiel die sogenannte Frankfurter Schule: Soweit diese unselige Melange aus Philosophie, Soziologie und Ideologie in der Realität Wirkung entfaltete, kann diese nur mit einem Adjektiv beschrieben werden - zersetzend. Unter dem Deckmantel geisteswissenschaftlicher Freiheit ging es letztlich nur um die systematische Zerstörung der traditionellen bürgerlichen Gesellschaft. "Macht kaputt, was euch kaputtmacht!" - Der Kampfspruch der 68er war schon deshalb verlogen, weil niemand diesen saturierten Bürgerkindern mit ihrem spätpubertären Revoluzzergehabe irgend etwas "kaputtgemacht" hatte.

Im krassen Gegensatz dazu der Denkansatz bei Immanuel Kant. Ihm ging es darum, die Grundelemente des menschlichen Zusammenlebens - in der Familie, in der näheren Nachbarschaft, in Volk und Staat - philosophisch zu untermauern im Sinne der Aufklärung, und das hieß für ihn im Sinne der "reinen" wie der "praktischen" Vernunft. Seine Größe läßt sich daran ermessen, daß seine Grundthesen, sein kategorischer Imperativ, sein Verständnis von Ethik und Verantwortung gerade in heutiger Zeit gefragt sind. Was er bis zu seinem Tode vor genau 200 Jahren formuliert hat, ist nichts anderes als die legendären preußischen Tugenden. Und zwar die echten, nicht die verfälschten, verbogenen, einseitig überzogenen oder mißbrauchten, die Preußen oft in Verruf gebracht haben. Preußentum, so wie der große preußische Denker aus Königsberg i. Pr. es verstanden und gelebt hat, davon könnte unser Land heute eine gute Portion brauchen.

Aber was mußten wir statt dessen kürzlich erleben? Im Fernsehen wurden die größten Deutschen aller Zeiten gesucht, und da landete auf Platz 3 tatsächlich ein Philosoph. Alle Achtung, trotz Pisa sind wir ja doch noch das Volk der Denker! Nur: Leider ist der laut Fernsehpublikum größte Philosoph und drittgrößte Deutsche eben nicht derjenige, der es verdient hätte, sondern ein gewisser Karl Marx. Und den mag eine noch so große Mehrheit der TV-Abstimmungsteilnehmer für einen bedeutenden Philosophen halten, für mich ist er der geistige Wegbereiter blutrünstiger Massenmörder. Zu den größten Deutschen aber gehört nicht Marx, sondern Immanuel Kant.