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14.02.04 / Sorgen an der Elbe: Wirtschaft contra Umwelt / Streit um Staustufen in Nordböhmen erhitzt die Gemüter

© Preußische Allgemeine Zeitung / 14. Februar 2004

Sorgen an der Elbe: Wirtschaft contra Umwelt
Streit um Staustufen in Nordböhmen erhitzt die Gemüter
von Martin Schmidt

Der Schlesier Paul Keller (1873-1932) hat mit seinem "Märchen von den deutschen Flüssen" eine originelle und aussagekräftige Charakteristik deutscher Flüsse verfaßt.

Die Elbe spielt darin als "Frau Gräfin" eine Hauptrolle, zumal sie die anderen Flüsse - von der Mosel im Westen bis zum Pregel im Osten - zu einer Gesellschaft empfängt. Dazu ist sie mit ihrer geographischen Lage prädestiniert oder, wie Keller schreibt: "Das ist ja das Schreckliche für Frau Elbe, daß sie so in der Mitte wohnt."

Sie hat, fährt er fort, nur Töchter und Kummer. "Die Moldau, durch ihre tschechische Heirat dem deutschen Lande entfremdet, die Havel - na ja, wenn sie eine bessere Figur machte - aber Gott, dieser Buckel und diese vielen Wasserblasen - und dann das Enkelchen, die Spree, das enfant terrible!"

In diesem lockeren Konversationston kommen dann auch andere Nebenflüsse zur Sprache, die Elster, die Aller "mit ihrer spitzen Sprechart", die "schlichte Mulde" und "als einziger Trost die Saale, ihre liebe poetische Saale".

Die innerdeutsche Grenze hat die Elbe als "Fluß der Mitte" jahrzehntelang besonders stark beeinflußt. Auf einer Länge von knapp hundert Kilometern markierte sie sogar den Grenzverlauf zwischen der Bundesrepublik und der DDR. In diesem Bereich zwischen Lauenburg und Wittenberge hat sich infolge der Teilung und der stark zurückgegangenen Bedeutung des Stromes als Wasserstraße eine urwüchsige Flußlandschaft erhalten. Ansonsten machten sich vor 1989 in bezug auf die Elbe insbesondere die mitteldeutschen und tschechischen Kommunisten schwerer Umweltvergehen schuldig.

Direkt oder über Nebenflüsse wie die Mulde, die Schwarze Elster oder die Biela wurden Unmengen von Abwässern aus Zentren der Chemieindustrie wie Bitterfeld oder Brüx ungeklärt in den Fluß geleitet, so daß dieser zusehends einer riesigen Kloake glich.

Erst die Wiedervereinigung brachte Rettung. Vor allem die in Mitteldeutschland und in Nordböhmen in großer Zahl gebauten Kläranlagen (allein auf tschechischem Gebiet entstanden mit maßgeblicher deutscher Hilfe drei Dutzend solcher Anlagen) führten eine deutliche Verbesserung der Wasserqualität herbei.

Die einstige Fischvielfalt kehrte zurück, und selbst der als Indikator für sauberes Wasser geltende Lachs war wieder da.

Doch schon drohen dem Fluß neue Gefahren, befürchten Naturschützer. Denn das engere wirtschaftliche Zusammenwachsen Europas gibt dem Strom eine steigende Bedeutung als Schiffahrtsstraße zu.

Bei einer Gesamtlänge von 1144 Kilometern fließt die Elbe zwischen ihrer Quelle im Riesengebirge und der Mündung in die Nordsee bei Cuxhaven über knapp 400 Kilometer durch tschechisches Territorium. Aber erst ab der Stadt Melnik, wo die Moldau in die Elbe mündet, ist sie auf böhmischem Gebiet auf rund 107 Kilometern schiffbar.

Das reicht immerhin, um die Hauptstadt Prag und das hochindustrialisierte Nordböhmen auf dem Wasserweg mit dem Freistaat Sachsen und via Hamburg mit den Weltmärkten zu verbinden. Jedenfalls zeitweise.

Ein Großteil des Jahres ist der Wasserpegel - ähnlich wie in den sächsischen Elbabschnitten - für den Warentransport nämlich zu niedrig. Besonders problematisch ist in dieser Hinsicht der Flußlauf zwischen Aussig und Herrnskretschen an der Staatsgrenze. Über das Ausmaß der dadurch zu verbuchenden "wirtschaftlichen Schäden" streiten sich die Fachleute. Und nicht nur die: Der bereits seit etwa einem Jahrzehnt für eine bessere Schiffbarkeit geplante Bau von Elbstaustufen in nordböhmischen Naturschutzgebieten ist längst zum Politikum geworden.

Tschechische Umweltschützer und Wirtschaftsvertreter liegen deshalb im Clinch miteinander. Das von einem christdemokratischen Politiker der KDU-CSL geführte Prager Umweltministerium stellt sich gegen das ebenfalls einem Christdemokraten unterstehende Verkehrsministerium. Aber auch bundesdeutsche Politiker und Umweltschützer mischen mit, da die Staustufen in unmittelbarer Nähe zur Grenze zum Freistaat Sachsen liegen würden, so daß es zwangsläufig Auswirkungen auf die hiesige Wasserwirtschaft gäbe (manche mögen dabei noch an die jüngsten Hochwasserkatastrophen zurückdenken).

Zuletzt hat sich außerdem die Umweltkommissarin der Europäischen Union, Margot Wallström, zu Wort gemeldet und Prag mit Strafmaßnahmen gedroht, sollten die vorgesehenen beweglichen Wehre in Kleinpriesen (Male Brezno) und Mittelgrund (Prostredni Zleb) Wirklichkeit werden. Mit diesen beabsichtigt man, den Elbspiegel auf etwa elf Kilometern um bis zu 3,8 Meter anzuheben.

Während Naturschützer eine Zubetonierung der Flußlandschaft im Böhmischen Mittelgebirge bzw. im Elbsandsteingebirge ("Böhmische Schweiz") befürchten, prognostizieren Vertreter der tschechischen Lastschiffahrt und der Bauindustrie einen Zuwachs des Warenverkehrs von derzeit jährlich etwa 1,3 Millionen Tonnen auf drei bis vier Millionen Tonnen.

Dem widersprach ein Kommentator der Frankfurter Allgemeinen Zeitung im Sommer 2002 mit dem Hinweis, daß selbst bei günstigsten Wasserstandsbedingungen täglich höchstens ein Dutzend Schiffe zwischen der Tschechischen Republik und Cuxhaven verkehrten.

Tatsächlich muß man fragen, ob ein derart geringes Verkehrsaufkommen die unvermeidbaren landschaftlichen Zerstörungen und den gewaltigen Kostenaufwand von mindestens 6,2 Milliarden Kronen rechtfertigen kann.

Daß es überhaupt zu der bis 2007 vorgesehenen Fertigstellung der beiden Wehre kommt, ist derzeit sehr fraglich. Der tschechische Senat hat jedenfalls am 29. Januar ein neues Binnenschiffahrts-Gesetz an das Abgeordnetenhaus zurückverwiesen.

Es beinhaltete eine Ausnahmeregelung für den entsprechenden Elbe-Abschnitt im Bezirk Tetschen. Um dort das Flußbett tiefer legen und die anvisierten Staustufen bauen zu können, wurde das Vorhaben als "öffentliches Interesse" deklariert.

Doch der Senat lehnte diese Wertung ab. Stellvertretend für die Haltung der Mehrheit sei eine Erklärung des Senators Schovanek zitiert: "Ich kann nicht zufrieden sein, wenn aus unseren Flußläufen sozusagen Kanäle für Oberflächenwasser werden, wenn man die Ufer begradigt und der Charakter unserer Flüsse sich letztlich völlig ändert." - Jeder, der das malerische Elbtal bei Aussig mit eigenen Augen gesehen hat, kann dem nur von Herzen zustimmen.

Aussig: Hafenkai und Burgruine Schreckenstein Foto: Archiv