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14.02.04 / Schlesien: Grün für Polkowitz / Autokonzerne investieren in wirtschaftlichen Problemgebieten

© Preußische Allgemeine Zeitung / 14. Februar 2004

Schlesien: Grün für Polkowitz
Autokonzerne investieren in wirtschaftlichen Problemgebieten

Das Wirtschaftswachstum in der Republik Polen hat sich in letzter Zeit - nach einer Periode rasanter Zuwächse - stark verlangsamt. Ausländische Investoren zeigten sich plötzlich zurückhaltend: Nachdem im Jahr 2000 noch 10,6 Milliarden Dollar ins Land geflossen waren, verringerte sich der Umfang 2002 auf nur noch 6,1 Milliarden. In der ersten Hälfte 2003 konnten die Behörden sogar nur 2,5 Milliarden Dollar an fremden Geldern verzeichnen.

Solche Entwicklungen drücken naturgemäß auf die von Zukunftssorgen angesichts des bevorstehenden EU-Beitritts und von Arbeitslosigkeit geprägte Stimmung.

Ein Lichtblick ist die fortgesetzte Entwicklung Schlesiens zu einem internationalen Zentrum der Automobilindustrie. Im ostmitteleuropäischen Vergleich muß man nur den in diesem Bereich ebenfalls äußerst erfolgreichen Großraum um die slowakische Hauptstadt Preßburg fürchten.

Bereits Mitte und Ende der 90er Jahre gab es in Schlesien erhebliche Investitionen ausländischer Autokonzerne. Diese ließen die Hoffnung aufkommen, daß die von einem häufig völlig unverständlichen Warschauer Zentralismus und dem Aderlaß der Montanindustrie im oberschlesischen Revier gebeutelte Region mit fremder Hilfe den wirtschaftlichen Aufschwung schaffen kann.

Im Oktober 1998 wurde beispielsweise in Gleiwitz ein Opel-Werk eröffnet, das über die gleichen Produktionsanlagen verfügt wie die Opel-Fabrik in Eisenach, die als die modernste Europas gilt.

Volkswagen ließ ein eigenes Motorenwerk im niederschlesischen Polkowitz in der 1997 eingerichteten Sonderwirtschaftszone Liegnitz bauen, das viele Zulieferbetriebe anlockte - aus Deutschland etwa den Autositze-Hersteller Sitech.

Erst kürzlich kündigte die japanische Firma Sanden an, am selben Ort mit einem Mitteleinsatz von 60 Millionen Euro ab 2005 jährlich eine Million Kompressoren für Klimaanlagen herstellen zu wollen. Die Bauarbeiten für das neue Werk beginnen im April.

In der Bergbaustadt Waldenburg stieg Toyota mit einem Investitionsumfang von bis dato 100 Millionen Euro (und geplanten weiteren 300 Millionen bis Ende 2005) groß ein. Mit einer Jahresproduktion von 300 000 Motoren und 600 000 Getrieben soll diese Fabrik zu einem der größten Teilehersteller des ganzen Konzerns werden.

Toyota will außerdem in Jeltsch-Laskowitz bei Breslau aktiv werden, wo eine Produktionsstätte für Dieselmotoren entstehen soll. Mit Isuzu tat sich ein weiteres japanisches Unternehmen in Tichau im Gebiet der Sonderwirtschaftszone Kattowitz um.

In Breslau selbst hat sich der schwedische Konzern Volvo niedergelassen und betreibt dort seine europaweit größte Busfabrik.

Die Landeshauptstadt hebt sich in vielerlei Hinsicht - nicht zuletzt in bezug auf ihre Wirtschaftskraft und die Attraktivität für ausländische Investoren - von der "schlesischen Provinz" zwischen Grünberg und Pleß ab. Dort ist der Einsatz von Konzernen wie VW, Opel oder Toyota um so wichtiger.

Das zwischen Glogau und Lüben gelegene Polkowitz lebt noch immer weitgehend von seiner Kupferhütte. Die Erzlager sollen allerdings in 20 bis 30 Jahren ausgebeutet sein, und dann wäre in diesem 20 000-Einwohner-Städtchen sozusagen endgültig "Schicht".

Im oberschlesischen Gleiwitz (siehe PAZ 43/03, S. 7) und im niederschlesischen Waldenburg sieht es eher noch schlechter aus. Von einst 7300 Bergleuten des Waldenburger Kohlereviers wurden bereits zwischen 1993 und 1995 knapp 5800 entlassen.

Eine mit etlichen Steuervorteilen verbundene Sonderwirtschaftszone soll nun möglichst viele ausländische Firmen in das landschaftlich sehenswerte Gebiet locken.

Ähnliche Sonderwirtschaftszonen sowie weitgehende Steuervorteile für Investoren gibt es in Schlesien (aber auch in anderen Teilen der Republik Polen) allerorten. In Polkowitz bekam man den Zuschlag des japanischen Sanden-Konzerns auch wegen des Versprechens einer fünfjährigen Befreiung von der Immobiliensteuer.

Nach der EU-Erweiterung im Mai wird es unter diesen Bedingungen noch so manchen Wirtschaftsriesen aus den westlichen Industriestaaten gen Osten locken. Für den polnischen Staat dürfte das aber kaum ausreichen, um den absehbaren Zusammenbruch eines Großteils der Landwirtschaft ökonomisch aufzufangen. Und für die bundesdeutsche Volkswirtschaft bedeutet jede weitere Verlagerung von Kapital und Arbeitsplätzen eine Vertiefung der gegenwärtigen Krise. Louis von Valentin