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Preußische Allgemeine Zeitung / 28. Februar 2004
Deutschlands Feuilletons im kollektiven Freudentaumel: Das New Yorker Museum of Modern Art (MoMA), zweifellos die weltweit bedeutendste Sammlung zeitgenössischer und klassisch-moderner Kunst, gibt sich in Berlin die Ehre: Bis zum 19. September zeigt die Neue Nationalgalerie von Monet über Picasso und van Gogh bis Rauschenberg alles, was Freunden und Sammlern der Kunst des 20. Jahrhunderts lieb und teuer (vor allem letzteres) ist. Die deutsche Hauptstadt, deren Kulturpolitik seit langem nur noch negative Schlagzeilen macht, kann stolz sein, daß gerade sie - und nicht Tokio, Paris oder andere Weltmetropolen - für diese Mammutschau auserkoren wurde. Auch wer (wie der Autor dieses Beitrags) nur bedingt Zugang zum zeitgenössischen Kulturschaffen findet, kann sich der Faszination nicht entziehen, die von vielen der hier gezeigten Meisterwerke ausgeht. Das gilt, natürlich, für Claude Monets "Seerosen", die den Betrachter fast magisch in des Künstlers Gärten in Giverny am Ufer der Seine versetzen (wo er übrigens nicht malte, sondern sich in stundenlanger Meditation inspirieren ließ). Das gilt ebenso für die frühen Picassos, die Werke von Cezanne oder Klimt, aber auch manches, was deutlich jünger und "moderner" ist. Diese in Berlin gastierende New Yorker Sammlung bestätigt vor allem eines: Statt das Kunstschaffen schematisch in "klassisch" (gleich gut) und "modern" (gleich schlecht) - oder auch umgekehrt - einzuteilen, sollte man nur einen Unterschied kennen, den zwischen guter und schlechter Kunst, egal, wie alt oder modern sie sein mag. Wer mit entsprechenden, weitverbreiteten Vorurteilen wenigstens für sich selber aufräumen will, kann aus einem Besuch der Berliner Nationalgalerie großen Gewinn ziehen. Einer der wenigen deutschen Beiträge, der im Rahmen dieser Ausstellung den Weg zurück von der Neuen in die Alte Welt fand, fällt unter dem oben erwähnten Aspekt allerdings etwas aus dem Rahmen: Gerhard Richters Bilderzyklus mit dem keineswegs unverfänglichen Titel "18. Oktober 1977". An diesem denkwürdigen Tag waren die Geiseln an Bord der Lufthansamaschine "Landshut" durch die GSG9 befreit worden; daraufhin begingen die in Stuttgart-Stammheim inhaftierten RAF-Terroristen Andreas Baader, Jan-Carl Raspe und Gudrun Ensslin Selbstmord. Sie und andere Top-Terroristen wie Ulrike Meinhof hatte Richter ein Jahrzehnt später, 1988, porträtiert, zumeist nach Polizeifotos. Was der Künstler uns damit sagen wollte, war eigentlich nie so recht erkennbar geworden. Aus seinem engeren Umfeld verlautete, er habe damit "versucht, sich dem Phänomen des Terrorismus zu nähern", um es besser zu verstehen. Man erinnere sich: Als - ebenfalls 1988 - der damalige Bundestagspräsident Philipp Jenninger in einer bewußt mißverstandenen Rede versuchte, sich "dem Phänomen des Nationalsozialismus zu nähern", wurde er mit Schimpf und Schande aus dem Amt gejagt, Gerhard Richter hingegen von voreiligen Kunstkritikern zum größten deutschen Nachkriegskünstler hochstilisiert. Ausgerechnet die FAZ verstieg sich gar zu der Wertung, der RAF-Zyklus sei "eines der zentralen Werke einer politischen Kunst". Die Angehörigen der RAF-Opfer sahen das etwas anders, verstanden die Mörder-Porträts als Glorifizierung der Terroristen und Verharmlosung ihrer Taten. Folgerichtig zog sich die Dresdner Bank, deren Vorstandsmitglied Jürgen Ponto von einigen der Porträtierten ermordet worden war, aus Protest aus dem Förderkreis des Frankfurter Museums für Moderne Kunst zurück, als dieses das Richter-Werk ausstellte, bevor es in die Obhut des New Yorker MoMA überging. Hingegen leistet die Deutsche Bank heute einen namhaften finanziellen Beitrag, um die Rückkehr der Baader-Meinhof-Bilder nach Deutschland zu ermöglichen. So ändern sich eben die Zeiten. H.-J. Mahlitz Umstrittene Kunst: Die Berliner Nationalgalerie zeigt - neben vielen Meisterwerken aus der Sammlung des New Yorker MoMA - auch Gerhard Richters RAF-Zyklus. Foto: reuters |