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28.02.04 / Vorfreude / Gedanken zum Frühling

© Preußische Allgemeine Zeitung / 28. Februar 2004

Vorfreude / Gedanken zum Frühling
von Anne Bahrs

Endlich wird es spürbar heller. Im Februar gewinnt die Sonne merklich an Kraft. Manchmal taut der Schnee des Mittags, und an geschützten Stellen durchstoßen die Spitzen der Schneeglöckchen kraftvoll das Erdreich, das kurz zuvor noch steinhart gefroren war. Väterchen Frost regiert oft im Februar grausamer als im Januar. Dann sind die Frühblüher Winterlinge, Huflattich, Gänseblümchen und Schneeglöckchen, die wir so freudig begrüßten, offenbar wieder verschwunden. Mutter Erde rief ihren Lebenssaft zurück in ihren bergenden Schoß, in dem das Leben aller wohlbehüteten Kreaturen nur scheinbar schläft. Jedes Samenkorn, jede Zwiebel, Knolle, Wurzel spürt die Schöpferkraft auch in Finsternis und Winterkälte. Sie alle mögen ruhen wie unsere Tiere im Winterschlaf. Und dennoch wirkt die Zukunftssehnsucht in ihnen wie ein Rausch, ist ein nicht zu bändigendes Drängen zum Licht. Die Kraft der Sonne erreicht die Schlafenden in der Finsternis und animiert zum Erwachen mit wärmenden Strahlen.

Auch wir Menschen sehnen uns nach Sonnenlicht, malen mit bunten Farben den Februar aus, denken an Liebe und schenken Blumen am Valentinstag, schlüpfen in Phantasiekostüme, dekorieren Wagen und Säle, um Karneval zu feiern. Wie gern schlüpften wir in eine andere Haut, und weil das nicht möglich ist, spielen wir "verkehrte Welt". Die Lebensfreude sucht sich ein Ventil. Feste, die von unseren Vorfahren in großer Dankbarkeit ausgerichtet und gefeiert wurden, weil sie die grausamste Kälte überstanden, behielten zwar ihre Bedeutung. Doch wir Heutigen, mit elektrischem Licht und zentral beheizten Räumen verwöhnt, haben kaum noch eine Vorstellung von der einstigen großen Winternot. Wir gönnen uns trotzdem ein farbenprächtiges und lautes Gaudium, denn auch unsere Sehnsucht nach Frühling ist groß. Es gibt aber auch eine andere Art des Feierns.

Wer sich auch auf die leisen Töne versteht, hört vielleicht schon eine Amsel flöten, den Zaunkönig rufen. Jeder Gartenfreund schaut schon mal nach, was sich da draußen tut. Sieh an, die Krokusse, vor Jahren an den Beetrand gepflanzt, haben sich massenhaft im Rasen verbreitet, an anderer Stelle bilden die dottergelben Winterlinge, der hellblaue "Schneestolz" einen Flek- kenteppich sogar unter den Gar- tenazaleen und Rhododendren.

In den städtischen Anlagen spazieren sonnenhungrige Menschen, erfreuen sich an knospenden Zweigen und den Rabatten. Zwar lassen Narzissen, Tulpen, Hyazinthen erst ahnen, wie sie in wenigen Wochen Gärten und Parks schmücken werden. Die Zaubernuß aber hat bereits ihre Blüten aufgesteckt. Noch leuchtet der Winterjasmin, aber Forsythiens Knospen verraten auch bereits ihr schönes Zitronengelb.

Zwischen Weiden- und Haselkätzchen flattern zwei Zitronenfalter, und die frühen Zwergtulpen zeigen uns ihre kräftigen Knospen.

Ach ja, der Maulwurf war auch schon wieder am Werk! Daß er den Rasen so ruiniert hat, erfreut uns nicht. Und die Wildkaninchen spielen im Gebüsch. Sie warten so sehnsüchtig auf den Frühling wie wir und haben wohl schon ihre Kinderstuben gebaut. So ist es, wenn der Frühling naht! Doch übersehen wir nicht die vielen "kleinen" Freuden, die sich uns bieten, die sogenannten "großen" Freuden sind sehr rar und selten von Dauer.


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