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Preußische Allgemeine Zeitung / 06. März 2004
Im Iran macht sich Resignation breit. Das Volk fühlt sich getäuscht. Vermutlich sind auch weit weniger Menschen zu den Urnen gegangen, als die Mullahs angeben. Die Wahllokale blieben länger auf, damit mehr Leute kommen konnten, und schon am Morgen erlaubte man Ausweise ohne Paßfotos, also die offizielle Fälschung. Die Iraner wußten es und blieben zu Hause. Sie wissen auch, daß die Sprüche der Mullahs gelogen sind. Es gibt keinen Kurswechsel zu mehr Tradition und Religion. Denn schon vorher bestimmte der Wächterrat das Geschehen im Land. Nachdem er die Reformer weitgehend von der Wahl ausgeschlossen hat, ist seine Herrschaft nun unumschränkt. Und die Straße, der Massenprotest? Im vergangenen Sommer hatten Studenten den Aufstand geprobt. Sie hatten geglaubt, mit dem Reformerflügel unter den Mullahs, an seiner Spitze Staatspräsident Chatami, die mittelalterlichen Herrschaftsformen der "Mullarchie" mit ihren Bevormundungen bis in das ganz persönliche Leben hinein aufbrechen zu können. Sie wollten eine Reform von innen. Auch der Hoffnungsträger erwies sich als Enttäuschung. Weder gelang es ihm, die Justiz im Sinne einer echten Gewaltenteilung zu reformieren - immer noch bestimmen die Mullahs, was als Recht und Gesetz zu gelten hat -, noch konnte er das Parlament zu Gesetzen bewegen, die den Menschen mehr Selbstbestimmung und Freiheit zugestanden hätten. Und auch den Protest konnte er politisch nicht kanalisieren. Das kann er jetzt noch weniger. Chatami ist ein Reformer ohne Macht, ein Frühstücksdirektor zur Besänftigung des Auslands. Insbesondere jenes Auslands, das im Namen des kritischen Dialogs jetzt wieder vorstellig wird und Geschäfte machen will, wie zum Beispiel die Deutschen. Vor allem die jungen Menschen sehnen sich nach Reformen. Sie machen den größten Teil der Bevölkerung aus, mehr als zwei Drittel der rund 70 Millionen Iraner sind jünger als 30 Jahre. Sie wollen selber bestimmen, welche Musik sie hören, wie sie sich anziehen und wo sie sich treffen dürfen. Sie wollen heiraten, ohne von den Mullahs oder den Eltern dazu bestimmt zu werden, sie wollen auch eigene Wohnungen und Arbeit ohne strikte Vorschriften des großen Bruders und Revolutionsführers Khamenei. Während der Proteste im Sommer erklangen erstmals Rufe nach dem Rücktritt der Geistlichen an der Staatsspitze. Die Proteste waren friedlich und dennoch revolutionär. Die Studenten schrieben an den Generalsekretär der Uno, er möge das Regime zur Einhaltung der Menschenrechte ermahnen. Der Ruf nach draußen ist das Revolutionäre. Bisher hatten sich die Proteste in vielen Teilen des Landes, selbst die Rebellionen in Teheran vor vier Jahren, immer an die eigene Bevölkerung und an die Männer an der Spitze des eigenen Staates gewandt. Man glaubte, aus eigener Kraft die Reformen in die Wege leiten und zu mehr Freiheit und Demokratie gelangen zu können. Diese Hoffnung haben die Studenten offenbar aufgegeben. Die Wahlen der Resignation vom 22. Februar beweisen es. Man hofft jetzt auf Hilfe von außen. Nur: Da ist Diktatur, und keiner geht hin. Europa, die USA und die Uno sind gefordert. Und anders als im Irak gäbe es eine Alternative: eine konstitutionelle Demokratie nach dem Modell Westminster. Den Monarchen gibt es auch. Der kleine Schah, der sich selber nur Mister Pahlevi nennt, ist im Volk über Satellitenfernsehen bekannt und beliebt. Er könnte die Resignation in Mut und Aufbruchstimmung wandeln. Jürgen Liminski Wahlen im Iran: Internationale Beobachter sprachen von einer "Ohrfeige für die Demokratie". Foto: Reuters |