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Preußische Allgemeine Zeitung / 06. März 2004
Sie sind schon ziemlich schrullig, die beiden verwitweten Wiener Schwestern Sefa und Karla, aber ihre kleinen Streitereien und liebevolle Rücksichtnahme aufeinander wachsen einem schnell ans Herz. Die Wiener Autorin Renate Welsh schildert in ihrem neuesten Roman "Liebe Schwester" den Alltag zweier Schwestern, die, aufgrund erster Gebrechlichkeiten, sich die Wohnung der längst verstorbenen Eltern teilend, gemeinsam das Älterwerden meistern. Friedhofs- und Cafébesuche gehören für die beiden im neunten Lebensjahrzehnt stehenden Damen zur Hauptbeschäftigung, aber auch Besuche bei dem durch den Tod immer kleiner werdenden Freundeskreis zählen zur Beschäftigung der Großmütter. Da ihre Kinder den Kontakt zu ihnen nicht sonderlich pflegen, verbringen die Frauen viel Zeit mit Erinnerungen, zumal Karlas Enkelin Teresa für ein Schulreferat per Post einen Fragenkatalog über die nahe Geschichte an die Zeitzeuginnen schickt. Hierbei brechen vor allem bei Sefa alte Rivalitäten wieder auf. Hat ihre kokette Schwester damals ihren Gatten Friedrich verführt, oder warum sonst kam er erst Stunden später heim, obwohl er Karla damals nur kurz nach Hause bringen wollte? Überhaupt fühlt sich Sefa in fast allen Dingen ihrer jüngeren Schwester gegenüber unterlegen, und als ein Mann in das Leben der beiden Frauen tritt, kann Sefa nicht glauben, daß seine Aufmerksamkeiten ihr und nicht der sonst immer beliebteren Schwester gelten. Die in dem Roman vorkommenden Generationskonflikte sind für unsere Gesellschaft entlarvend: Kinder, die ihre Eltern ablehnen, und Enkel, die die Großeltern nur noch als Zeitzeugen für Schulaufsätze aktivieren. Renate Welshs Roman ist zwar manchmal ein wenig beklemmend, da er das Älterwerden in all seiner Grausamkeit behandelt, zugleich macht er aber auch wieder Mut. Karla und Sefa genießen trotz aller Widrigkeiten ihre noch verbleibende Zeit auf Erden, wobei Sefa sich mit 84 Jahren sogar noch einmal verliebt. R. Bellano Renate Welsh: "Liebe Schwester", dtv premium, München 2003, Hardcover, 256 Seiten, 14,50 Euro |